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König Nákbè erzählt

Ich saß König Nákbè gegenüber und schenkte ihm Zuckerrohrschnaps in ein Wasserglas ein. Erst wenn er diesen genossen hatte, löste sich seine Zunge. Behaglich leckte er die Lippen, die von einzelstehenden grauen Barthaaren umgeben waren.

Am liebsten erzählte er von seiner eigenen Stellung in seinem Reiche. Diese kleine Eitelkeit stand ihm aber nicht übel, seine Berichte waren immer ruhig und bescheiden. »Jedes Dorf auf Bubaque hat seinen eigenen Häuptling. Aber alle Dorfhäuptlinge sind mir untertan, mir, König Nákbè.« Seinen Namen sprach er besonders gern aus. »Mein Vorgänger, Denjóg Oraméa, wurde von den Portugiesen vertrieben. Ich vertrage mich ganz gut mit diesen Herren!« Durchtriebenheit und Schlauheit blitzten aus seinen Äuglein, die Portugiesen hatten offenbar ihren Meister gefunden.

Der König sei unabsetzbar, berichtete Nákbè weiter. Nach seinem Tode aber ernennt der Rat der Ältesten unter besonderen Zeremonien den ältesten Bruder des Verstorbenen zu dessen Nachfolger. Dem König müssen Männer, Frauen und Mädchen gehorchen, nur die Kabaros nicht. Die Kabaros, das sind die jungen Leute, die noch nicht an den Fanaden teilgenommen haben. Burschen und Mädchen folgen bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich ihrem selbstgewählten Führer. Der geschickteste und klügste Bursche, der auch der beste Tänzer ist, wird für das Amt des Führers auserwählt.

Eine der wichtigsten Handlungen des Königs sind die großen, feierlichen Opferzeremonien, die er im Angesicht seines Volkes einige Male im Jahre vor dem Fetisch zu zelebrieren hat, um die bösen Geister und deren Macht zu bannen.

Der König ist aber gleichzeitig auch der oberste Richter seines Volkes. Sein Urteil ist unwiderruflich. Bei der Gerichtsversammlung jedoch stehen ihm die Dorfältesten mit ihrem Rat zur Seite. Das Strafrecht ist einfach, da asoziale Triebhandlungen auch hier unbekannt sind. Diebstahl ist sehr selten, obwohl man sich damit begnügt, dem Täter die Beute abzunehmen. Mord und Totschlag aber werden nicht bestraft; meist entleibt sich der Täter selbst, da seine Familie nur auf diese Weise der furchtbaren Rache des Oboe, des auferstandenen Toten, entgehen kann.

Die Einnahmen des Königs, nach denen ich mich des öfteren erkundigte, bestehen eigentlich nur in der Arbeitsleistung, die seine Untertanen für ihn und seine Familie zu verrichten haben. Jeder Erwachsene wird für einen Tag zur Bestellung der Felder, für einen zweiten während der Erntezeit in Anspruch genommen. Der Haushalt und das Vieh des Königs aber werden von seinen Familienmitgliedern besorgt.

Was ist es nun mit den Frauen? Haben sie ebenso große Rechte wie auf der Insel Orango? Nein, hier im Reiche des Königs Nákbè wählen sich die Männer ihre Gefährtinnen und können sich von ihnen scheiden lassen, wann sie wollen. Sie haben allerdings auch nicht das Recht, eine Frau gegen deren Willen bei sich zu behalten. Dagegen haben sie oft mehrere Frauen gleichzeitig. Weder Frauen noch Männer sind zu ehelicher Treue verpflichtet.

Will ein Bursche heiraten, schickt er eine Frau aus seiner Verwandtschaft als Brautwerberin zur Mutter des Mädchens. Ist diese einverstanden, so erhält sie von ihrem zukünftigen Schwiegersohn viele Kalebassen voll Palmwein, die Tochter zieht zu ihm, sie gilt nun als verheiratet.

Den Mädchen ist es zwar verboten, sich vor der Jugendweihe, die alle zehn Jahre stattfindet, einem Manne hinzugeben, doch tun sie es trotzdem, wie der König treuherzig versicherte. Er nahm es den jungen lustigen Geschöpfen sichtlich nicht übel. Mit den unehelichen Kindern seiner Frau wird der Ehemann nicht belastet; sie gehören stets deren Vater und werden von diesem aufgezogen.

Die Rechtsverhältnisse sind sehr genau geregelt. Unbebauter Grund und Boden ist Eigentum des Königs, der ihn unter die Familienväter verteilt. Dadurch, daß diese die Felder bebauen, geht der Boden in ihren Besitz über und vererbt sich dann auf ihre Kinder. Der Haupterbe aber ist stets der älteste Bruder des Verstorbenen, ihm fallen auch die Frauen des Toten zu, falls sie keinen Widerspruch dagegen erheben. Weigern sie sich, bei dem Bruder des Verstorbenen zu bleiben, so kehren sie bis zu einer neuen Heirat in ihr Vaterhaus zurück. Wo kein Bruder vorhanden ist, wird die bewegliche Habe unter die Kinder verteilt, das Haus aber zerstört.

Die Wände der Häuser werden übrigens stets von den Frauen gebaut, nur das Dach ist die Arbeit des Mannes, der das Material dazu oft von weither aus dem Busch ins Dorf heranschleppen muß. Eigentümer des Hauses wie auch aller Haustiere ist in der Regel der Mann. Außer der Kleidung und dem Schmuck gehört der Frau nur die Kücheneinrichtung.

»Das ist nicht viel«, wagte ich zu behaupten.

Nákbè aber antwortete, für alles andere sorge ja stets der Ehemann.

Schon einige Male hatte ich versucht, im Gespräch mit einigen anderen alten Männern auf das Gebiet der Religion zu kommen. Während diese gezögert hatten, sich zu äußern, schenkte mir Nákbè auch in dieser Beziehung sein Vertrauen.

Ich fragte ihn, ausgehend von dem Fetisch der Königstrommel, wie die Fetische verehrt würden. Denn die Bewohner von Bubaque glauben an einen großen Himmelsgott, an den sich aber ein Sterblicher nur durch die Vermittlung eines Fetisch wenden kann.

Der König erklärte, daß es in jedem Dorf der Insel einen Fetischtempel gebe, in dem eine meist sehr kunstvoll aus hartem Holz geschnitzte menschenähnliche Figur mit eigenartiger turbanähnlicher Kopfbedeckung aus Stoff aufgestellt sei. Die Priester dieser Dorffetische sind die Häuptlinge, Oberpriester aber ist der König selbst, der übrigens dieselbe Kopfbedeckung wie die Fetische trägt.

Im Tempel von Bijante liegen viele verschlossene Hörnchen von Ziegen und Gazellen, die Amulette der Dorfbewohner, welche bei jedem Tieropfer mit Blut begossen werden, den Träger vor allem Bösen und vor Zauberei beschützen und ihn im Kriege unverwundbar machen. Die Amulette werden als besondere Wertgegenstände stets vom Vater auf die Söhne vererbt.

Außer diesen Dorffetischen haben noch einzelne alte Männer ihren eigenen Fetisch in jener Ecke des Hauses aufgestellt, in der sich auch zumeist die Gräber der Familienangehörigen befinden.

Stirbt der Eigentümer eines Fetisch, so erbt ihn die erste Frau des Verstorbenen. Diese übergibt ihn demjenigen ihrer Söhne, von dem sie glaubt, daß er sich besonders zum Priester eignet.

Allen Fetischen opfert man Palmwein und Tiere, wenn man ein besonderes Anliegen hat und sich ihrer Fürsprache beim mächtigen Himmelsgott versichern möchte.

Wie erwähnt, werden die Toten in den Häusern begraben. Das Grab besteht aus einem runden, übermannstiefen Vertikalschacht, der oben eine Öffnung von etwa einem halben Meter Durchmesser hat und unten birnenförmig auseinander geht. Nach den Angaben des Königs führt am Boden des Vertikelschachtes eine Grabnische nach Osten.

Die Leiche, gleichgültig welchen Geschlechts, wird in hockender Stellung mit dem Gesicht nach Westen begraben. Der Kopf wird auf die linke Hand, der Ellbogen auf den linken Oberschenkel gestützt. Dem Verstorbenen werden, wie auf Orango Grande, Wertsachen und Lebensmittel mit ins Grab gegeben, denn man glaubt an eine Auferstehung des Toten und an ein Fortleben der Seele. Die Nische wird mit Tüchern ausgekleidet, der Schacht mit Erde gefüllt und ein Hügel darüber gewölbt, auf den einige Habseligkeiten des Toten gelegt werden.

Es hatten sich inzwischen einige Männer zu mir und König Nákbè gesellt, die sich sichtlich wunderten, daß dieser sich nicht scheute, mir dergleichen zu berichten. Doch Nákbè machte eine beruhigende Bewegung mit seiner langen schmalen Hand und sagte: »Er darf es wissen, er ist anders als die übrigen Weißen, er will uns nicht belehren, nicht bestrafen, will auch nichts von uns haben, er versteht uns!«

Ich war sehr geschmeichelt durch diese Anerkennung und bewunderte Nákbès Menschenkenntnis.

Die Männer, die uns umstanden, waren offenbar eben vom Palmweinzapfen gekommen. Nur der Geist des Palmweins konnte dieses Strahlen der Gesichter, dieses Glänzen der Augen hervorbringen. Die Männer trugen die Kletterreifen, Stöcke, an denen gefüllte Kalebassen hingen, über den Schultern, lange Spieße in den Händen. Kleine Tabakshörnchen steckten im Lendentuch. Ein alter Mann nahm aus dem seinen ein wenig gestampften Tabak zwischen seine zittrigen Finger und schnupfte mit Genuß. Jeder hatte ein Trinkhorn aus Rindergehörn bei sich. Auch der König trug ein solches, das aus dem riesigen Horn einer in Westafrika nicht vorkommenden Rindergattung hergestellt und mit hübschen eingeschnitzten Mustern verziert war.


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