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Die Fahrt nach Karavela

Da Takr behauptete, daß man auf den großen Inseln Karavela und Karasch ein Idiom spreche, das er nur mit Mühe verstehen könne und das sich wesentlich von der Mundart auf Orango und Unyokum unterscheide, bestimmten wir Karavela als nächstes Ziel unserer Reise. Unser Lager wurde abgebrochen, das Gepäck an Bord verstaut und der Anker gelichtet. Beständig lotend, erreichten wir durch eine schmale Rinne, welche die beiden Inseln Unyokum trennt und sich zwischen zahllosen Untiefen und Klippen hindurchschlängelt, endlich das offene Meer. Doch auch hier verfärbte sich plötzlich das Wasser, riesige Felsen ragten bis nahe an die Oberfläche empor. Nur unser Lot schützte uns vor dem Auflaufen auf die Sandbänke; es wäre aber ein verfehltes Beginnen gewesen, auf die gleiche Weise den Klippen entrinnen zu wollen, da sich diese meist senkrecht aus der Tiefe erhoben. Wir wären aufgefahren, bevor wir noch hätten wenden können. Ich stellte daher Ilere und Takr wieder neben dem Bugspriet auf und befahl, jede verdächtige Verfärbung des Wassers zu melden. Anfangs hatte diese Maßnahme Erfolg, und unser Schiff schlüpfte geschickt wie ein Aal zwischen den Riffen hindurch. Unvermutet stießen wir aber auf eine Zone, wo Verfärbungen auftraten, die augenscheinlich nicht von Klippen verursacht wurden, sondern von Algen herrührten und die mit freiem Auge nicht von Untiefen zu unterscheiden waren. Anfangs hatten die Burschen gewissenhaft jede Verfärbung gemeldet, als sie aber die Erfahrung machten, daß sie des öfteren von Algen genarrt wurden, versäumten sie einmal die Meldung, und mir stockte der Atem, als ich im Kielwasser, nur wenige Spannen unter der Oberfläche, die rissige Zacke eines Riffes auftauchen sah. Wäre die brave »Binar« nur um ein Weniges stärker beladen gewesen, so hätten wir Muße gehabt, auf einem gescheiterten Boot über die Vergänglichkeit alles Irdischen nachzudenken. Mit viel, sogar sehr viel Glück kamen wir über die gefährlichen Stellen hinweg.

Diese Plätze schienen übrigens ganz besonders fischreich zu sein. Wir jagten ganze Scharen von fliegenden Fischen auf, einige mächtige Haie umkreisten uns in sicherer Entfernung, und hier und da ließ sich der Kopf einer Riesenschildkröte blicken, deren kleine Äuglein uns überrascht entgegenstarrten und die lautlos unter Wasser verschwand, sobald wir uns näherten.

 

So erreichten wir denn langsam die Nordwestküste von Karavela und fuhren an ihr entlang nach Nordosten, bis wir, nicht weit von einer Stelle, an der wir das größte Dorf der Insel vermuteten, vor Anker gingen. Eben waren wir dabei, unser Gepäck in das Beiboot zu verstauen, als wir am Strande eine größere Anzahl von Eingeborenen bei der Arbeit bemerkten. Wie erbarmungswürdig sahen diese Gestalten aus! An Stelle der netten Fransenröckchen trugen Mädchen und Frauen die mir besonders verhaßte europäische Fetzenkleidung, die Männer erinnerten in ihrer Kostümierung mehr an Affen eines Jahrmarktszirkus als an Eingeborene. Takr, der mein Entsetzen bemerkte, erzählte, daß auf der Insel ein schwarzer Beamter (wir erfuhren später, daß es sich um einen Cap-Verdianer handelte) eifrigst bemüht sei, eine portugiesische Verordnung durchzuführen, die den eingeborenen Männern und Frauen unter Androhung schwerer Geld- und Prügelstrafen ihre »unkeusche« Nacktheit zu verhüllen gebot. Was er mit seinen Bestrebungen für Erfolge erzielte, bewiesen die grotesken Gestalten am Strande zur Genüge. Da wir fürchten mußten, daß sich hier die Eingeborenen auch in anderer Beziehung nicht für ethnographische Untersuchungen eigneten, gab ich sogleich den Befehl zur Weiterfahrt.

Wir setzten unsere Fahrt gegen Nordosten fort, fuhren an Karavela vorbei und ankerten am späten Abend am Strande von Bitit, einem großen Dorf am Nordweststrande der Insel Karasch.


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