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Eine »Insel, die wir nicht erreichten«

Der neue Ankerplatz hatte übrigens einen Vorteil. Wir waren durch seine Wahl einem lang ersehnten Ziel nähergerückt. Dieses Ziel bestand in einer kleinen, unbewohnten, auffallend schön bewachsenen Insel, die wir schon auf der Fahrt nach Orango Grande gern hatten besuchen wollen, was uns aber wegen ungünstiger Wasserverhältnisse mißlungen war. Jetzt lag diese »Insel, die wir nicht erreichten« (so hatten wir sie bereits getauft) nur wenige Kilometer im vollen Reiz ihrer geheimnisvollen Ruhe vor uns. Unzählige Vögel hatten sich auf dem Sandstrande niedergelassen, wir erhofften uns eine interessante photographische Ausbeute. Die Insel erschien uns so nahe und so verheißungsvoll, daß wir der Verlockung zu einem nochmaligen Versuch, sie zu erobern, nicht widerstehen konnten. Meine Frau und ich, in Begleitung von Bubakr, stiegen ins Beiboot, um die grüne Insel rudernd zu erreichen. Plötzlich saß unser Boot auf einer Sandbank fest. Obwohl die Flut schon eingesetzt hatte, wäre viel Zeit vergangen, bis wir die Sandbank hätten überschiffen können; ihrer Breite wegen konnten wir sie nicht umfahren. So nahmen wir wieder einmal zum Waten unsere Zuflucht, in der sicheren Erwartung, auf diese Weise bis zum festen Strand der Insel vordringen zu können.

Schon waren wir nahe an sie herangekommen, als sich auf einmal das Wasser vor uns verfärbte und seine intensive Bläue große Tiefe vermuten ließ. Hätten wir nun diese Stelle durchschwimmen sollen? Wir hätten es wohl wagen können, denn Haifische halten sich selten zwischen Sandbänken auf; aber niemals wären auf diese Weise die schweren Photoapparate trocken über das Wasser zu bringen gewesen. Es mußte also dabei bleiben, daß die grüne Insel den Namen, den wir ihr gegeben hatten, weiter trug. Der Verzicht fiel uns schwer, aber die Vernunft blieb Siegerin. Es wäre doch eine unverantwortliche Verschwendung gewesen, einer romantischen Idee noch mehr Zeit zu opfern. So kehrten wir um, ohne das liebliche Eiland, das vielleicht noch keines Menschen Fuß betreten hat, und das nur schönen freien Vögeln als sichere Wohnstätte dient, kennengelernt zu haben.

An Bord der »Binar« angelangt, steuerten wir mit gutem Wind Une entgegen, während unsere Urwaldinsel langsam den Blicken entschwand.


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