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Die Verständigung zwischen den drei Burschen von ganz verschiedenen Stämmen ging besser vonstatten, als zu erwarten war, denn jeder einzelne beherrschte Kreolportugiesisch. Das »Kreol«, wie es kurz genannt wird, ist eine selbständige Sprache, die man nicht mit Portugiesisch verwechseln darf. Portugiesische Worte bilden zwar den Grundstock, doch besteht diese Sprache vor allem aus zahlreichen Ausdrücken der verschiedensten Negeridiome. Wortstellung und Satzbildung ähneln ebenfalls denen der Negersprachen, so daß das Kreol ein ideales Verständigungsmittel für die verschiedenen Eingeborenenstämme der Kolonie darstellt. Dem haben auch die französischen Missionsstationen in der benachbarten Kolonie Rechnung getragen, indem sie den Katechismus ins Kreol übersetzten und die Zöglinge ihrer Schulen in dieser Sprache unterrichteten, im Gegensatz zu den französischen Kolonialbehörden, deren Ehrgeiz es ist, den Eingeborenen vor allem das Französische beizubringen.
Das Kreol hat, zum Unterschied von anderen Verkehrssprachen Afrikas, wie zum Beispiel dem Vulgärarabischen, den Vorteil, daß es abstrakte Dinge zum Ausdruck zu bringen vermag und leicht von den Eingeborenen erlernt wird, wobei diesen allerdings ihr angeborenes Sprachentalent sehr zustatten kommt. Es hat nur einen Nachteil, daß es nämlich nicht von den Portugiesen verstanden wird. Diese verwechseln nur allzu oft Kreol mit schlechtem Portugiesisch, und es belustigte mich stets, wenn ein Beamter sich vergeblich bemühte, seinen Untergebenen etwas klarzumachen, obwohl er vorher großzügig erklärt hatte, eine Verständigung mit den Eingeborenen verursache ihm nicht die geringsten Schwierigkeiten.
Weitverbreitet ist die Meinung, daß sich »alle Schwarzen« ähnlich sähen und daß alle den gleichen Charakter hätten. Wenn schon die Ansicht von der »Ähnlichkeit« sich als ein arger Irrtum erweist, so ist, was den Charakter anlangt, gerade das Gegenteil der Fall. Jeder Europäer, der viel mit Eingeborenen zu tun hat, ist von der Vielfältigkeit der Charaktere überrascht. Ich möchte sogar behaupten, daß das Leben der Primitiven besonders geeignet ist, die Persönlichkeit zu entwickeln. Inmitten der gewaltigen, oft grausamen Natur kommt es unvergleichlich mehr auf die schnelle Entschlußfähigkeit des einzelnen, auf seine Ausdauer und Geschicklichkeit an als bei uns, wo die Maschine das Individuum zum schablonenhaften Massenmenschen herabgedrückt hat.
Schon in unserem kleinen Kreise waren die verschiedensten Charaktere vertreten. Bubakr hatte sich stets vorzüglich als Dolmetsch bewährt. Durch seine Intelligenz und vielfachen Sprachkenntnisse eignete er sich besonders für diese Tätigkeit, die er bei uns zum erstenmal ausübte. Das hatte seine Vorteile, denn es fehlte ihm jede Oberflächlichkeit und Ungenauigkeit, die bei berufsmäßigen Dolmetschern in Afrika fast immer zu finden sind. Seit aber auch Takr in unseren Diensten stand, war er des öfteren widerspenstig und schlechter Laune. Ich mußte ihn nicht nur einmal zurechtweisen, was sein Betragen aber stets nur für kurze Zeit besserte. Eine wütende Eifersucht nagte an ihm. Er konnte es nicht verwinden, daß ich, und vor allem meine Frau, scheinbar Takr den Vorzug gaben. Dieser war ein auffallend hübscher Bursche von großer, ebenmäßiger Gestalt und feinen Gesichtszügen, und seine dunklen Augen strahlten eine durch nichts zu trübende kindliche Heiterkeit aus. Takr war immer guter Dinge, tat lachend seine Arbeit, erzählte lachend von den vielen jungen Mädchen, die ihm ihre Gunst geschenkt hatten, und streckte sich, noch immer mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen, abends auf seiner Matte aus, wo er unschuldig wie ein Kind einen sorgenfreien Schlaf genoß.
Wenn Takr im Verkehr mit den Eingeborenen deren Reden übersetzte, war er mit eifriger Fröhlichkeit bei der Sache, und sein vertrauenerweckendes Gehaben blieb nicht ohne guten Einfluß auf die oft sehr zurückhaltenden Dorfbewohner. Man konnte deutlich erkennen, daß ihm die Eingeborenen offener entgegenkamen als dem mürrischen Bubakr.
Dieser suchte seine Eifersucht zu verbergen, bis ich ihn eines Tages völlig niederschlug, indem ich ihm Takr als gutes Beispiel vorhielt. Seine Eitelkeit war aufs tiefste verletzt, mit giftigen Blicken schleuderte er mir die Worte ins Gesicht: »Nun, Takr macht alles gut und ich alles schlecht! Das ist nicht wahr, dir gefällt er nur besser, weil er ein schönes Gesicht hat und ich häßlich bin. Und Madame mag mich schon gar nicht leiden, weil ich krumme Beine habe, Takr aber natürlich, der ist schön wie ein Gott!«
Überrascht sah ich ihn an. Sein Schmerz schien echt. Ich hielt ihm eine lange Rede, während der sein Mienenspiel die Wandlung seines Inneren aufs lebhafteste widerspiegelte. Seine vor Zorn bebenden wulstigen Lippen und Nüstern beruhigten sich allmählich, seine starr auf den Boden gerichteten, schmerzerfüllten Augen erhoben sich langsam, und seine Blicke senkten sich dankbar in die meinen. Endlich gelang es mir, ihn davon zu überzeugen, daß ich nicht Verdienste nach dem Äußeren zu beurteilen gewohnt sei, daß es mir nur darauf ankomme, Freude an der Arbeit zu sehen. Daß ich seine geistigen Fähigkeiten überaus schätze, daß er es aber selbst bemerken müsse, mit wieviel größerem Eifer Takr sich seiner Arbeit hingebe. Auch müsse er mir zugeben, daß ich stets allen Gerechtigkeit hätte widerfahren lassen.
Mein vertrauliches Gespräch mit ihm, von dem die anderen ausgeschlossen waren und das sie nur von weitem mit Interesse verfolgten, schmeichelte ihm und tröstete ihn sichtlich. Und es hatte besseren Erfolg, als aller Tadel und lautes Schelten gehabt hätten. Er war wieder der alte bei der Arbeit; den immer lächelnden Takr würdigte er freilich nur selten eines Blickes.
Der lange, hagere Ilere, unser Zeltbursche, war ein Häuptlingssohn der Pepel aus Antula, von wo wir ihn mit uns nahmen, ohne daß er jemals zuvor in europäischen Diensten gestanden hatte. Mit unerwarteter Geschicklichkeit, Aufnahmsfähigkeit und Klugheit aber hatte er in wenigen Tagen alles erlernt, was wir von ihm verlangten. Er war absolut verläßlich und fleißig. Jedoch, kein Mensch ist ohne Fehler! Sein Jähzorn konnte ungeahnte Formen annehmen, und auch seine Streitsucht machte uns viel zu schaffen. Solange wir uns auf unserer schwankenden »Binar« befanden, herrschte allerdings ein idyllisches Einvernehmen unter unseren Gehilfen; denn Ilere war bei dem geringsten Anlaß seekrank und still wie ein Lamm. Das Meer war sein Feind, er haßte es mit seiner ganzen leidenschaftlichen Seele.
Auch Abu, der Koch, war kein Seemann, er war aber schlau und wußte genau, wie und wo er den Unbilden der Seekrankheit zuvorkommen konnte. Er legte sich still aufs Deck, sowie Gefahr im Anzuge war, und überließ das Kochen jemand anderem. Den kleinsten unserer Mandyakomatrosen, einen vierzehnjährigen, gutmütigen Knaben, hatte er sich als Küchenjungen abgerichtet, und mit bedeutungsvollen Gebärden erteilte er ihm wie ein Feldherr seine Befehle. Am Land jedoch half ihm seine strategische Begabung wenig. Da mußte er selbst die Süßkartoffeln schälen, die Hühner rupfen und Wasser holen. Auch unsere Wäsche mußte er waschen, wobei er den Ehrgeiz hatte, möglichst wenig Wasser, aber um so mehr Seife zu verwenden.
Abu legte aufrichtiges Interesse an unserer Arbeit an den Tag. Kein Gespräch mit unseren Gewährsmännern entging seinen wachsamen, stets ungewaschenen Ohren, und abends fühlte er das Bedürfnis, uns seine persönliche Ansicht über die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen kundzutun. Sein »Wieso«, »Warum« und »Weshalb« in bezug auf unser eigenes Leben nahm oft phantastische Formen an; es machte uns aber Freude, zu sehen, daß neben Faulheit und Schläue noch so viel Raum für Wissensdurst hinter seiner niedrigen Stirn verborgen war.
Die Behandlung der eingeborenen Diener ist übrigens auf Expeditionen oft ein schwieriges Problem. Bei ihrer ausgezeichneten Beobachtungsgabe und ihrer Intelligenz haben sie meist rasch die Schwächen ihrer Herren erkannt und nützen sie nach bestem Vermögen aus.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man auf keinen Fall die Überzeugung von ihrer Unentbehrlichkeit bei ihnen aufkommen lassen darf, sondern sie möglichst früh eines Besseren belehren muß. Dagegen ist es geraten, kurze Befehle, deren Sinn sie nicht begreifen, tunlichst zu vermeiden; Gehorsam in unserem militärischen Sinne ist dem Eingeborenen unverständlich. Mit den einfachsten Erklärungen und Begründungen aber von seiten des Herrn geben sie sich gern zufrieden. Allzu große Güte und Nachsicht jedoch, die oft nur dem Wunsche entspringen, sich Unannehmlichkeiten zu ersparen, rächen sich fast immer aufs bitterste. Ich konnte beobachten, daß dann meist die anfangs geübte Nachsicht nach kurzer Zeit einem heftigen und berechtigten Mißvergnügen Platz machte, das sich im gegebenen Moment in Zornausbrüchen äußerte. Dabei kann es leicht zu Mißhandlungen von Eingeborenen kommen, die je nach der Anlage oder den Stammesbegriffen zu offenen Widersetzlichkeiten führen müssen. In diesem Falle ist meist der Europäer der schuldige Teil. Ich selbst bin im Verlaufe meiner Expeditionen nie in die Lage gekommen, einen Eingeborenen züchtigen zu müssen, dagegen konnte ich mit Güte die besten Erfolge erzielen. Bei der großen Eitelkeit fast aller Eingeborenen erreichte ich die größte Wirkung, wenn ich einen bei seinem Ehrgeiz packte, oder wenn es mir gelang, ihn zur Strafe lächerlich zu machen.
Ich befleißigte mich im Verkehr mit Eingeborenen stets der größten Höflichkeit und erinnere mich noch an das Erstaunen eines Europäers, dem es unliebsam auffiel, daß ich mich an den Burschen mit der Bitte wandte, einen Teller zu holen, statt ihm den Befehl dazu zu erteilen.
Ganz besonders ausgeprägt ist bei der schwarzen Dienerschaft der Sinn für Gerechtigkeit. Wer nicht Herr seiner Gefühle und Stimmungen sein kann, wird immer peinliche Erfahrungen machen.
Der Weiße sollte stets bedenken, daß seinem schwarzen Diener, falls er noch nicht im Dienste anderer Europäer gestanden hat, die Bedürfnisse zivilisierter Menschen unbekannt sind und vielfach unverständlich sein müssen. Da darf er sich die Mühe nicht verdrießen lassen, dem Burschen gleich anfangs jeden Handgriff so oft zu zeigen und zu erklären, bis er verstanden hat, worauf es ankommt, denn damit ist der Grund gelegt zu einem späteren reibungslosen Zusammenarbeiten, von dem der Weiße in der Wildnis doch völlig abhängig ist.
Dem Umstande, daß es mir bisher stets gelang, ein gutes Einvernehmen mit meinen schwarzen Begleitern zu erzielen, habe ich sicher einen guten Teil des Gelingens meiner Expeditionen zu verdanken.