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Im Lager von Bijante

Eines Tages näherten sich unserem Strande einige Einbäume mit voller Bemannung. Sie waren fast ebenso schön bemalt wie das Königsboot von Bubaque, das vor Bijante im Hafen lag, doch sie kamen von Kanyabak herüber. Wir freuten uns, einige der widerspenstigen Gesellen von der Insel kennenzulernen.

Kräftige, mit Ziegenfellen bekleidete Burschen mit schönen bunten Lehmfrisuren stiegen aus den Booten. Als ob sie unsere Anwesenheit gar nicht bemerkt hätten, ließen sie sich am Strande nieder und begannen eine laute Unterhaltung zu führen. Professor Struck richtete verschiedene Fragen an sie, die sie unbeantwortet ließen. Sie beschäftigten sich nach ihrem Belieben und trugen eine große Unverfrorenheit zur Schau. Es war wohl ihre Ansicht, daß es ihre Sache sei, Fragen zu stellen. Mit keck lächelnden Gesichtern verlangten sie zu wissen, was wir hier zu suchen und warum wir uns gerade bei Bijante niedergelassen hätten. Wie viele Weiße wir seien, wie wir hießen und was wir täten. Nicht nur das, einer trat an den Professor heran, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und sagte: »Wie alt bist du?« Als ihm der Professor antwortete, meinte er kopfschüttelnd: »Das glaube ich dir nicht. Wo hast du deine Frau? Hast du Kinder? Warum nur eines?« In dieser Tonart ging es weiter. Wir erfuhren aber später doch auch einiges, was sie betraf, zum Beispiel daß auf der Insel Kanyabak im letzten Kriege alle Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, daß aber bereits viele Häuser neu aufgebaut worden seien, und daß die Eingeborenen trotz allem ihren Widerstand nicht aufgegeben hätten. Über die Gründe ihrer Hartnäckigkeit ließen sie nichts verlauten. Sie zuckten nur mit den Achseln und sahen einander vielsagend an.

Ich hatte kurz zuvor mit dem Residenten von Bubaque ein langes Gespräch über die Zustände der Verwaltung auf den Inseln geführt. Es schien ihm nichts Neues zu sein, was ich an traurigen Beobachtungen berichtete, was aber sollte er tun? Man muß wirklich daran verzweifeln, daß sich heute noch, auch beim besten Willen, die völlige Vernichtung dieser Eingeborenen aufhalten läßt. An gutem Willen fehlt es der heutigen portugiesischen Verwaltung nicht. Gerade zur Zeit unseres Aufenthaltes auf den Inseln wurden einzelne unehrliche Beamte durch tüchtige Kräfte ersetzt. Man trug sich in Bolama auch mit dem Gedanken – leider um wenige Jahre zu spät! – alle schwarzen Postenkommandanten, denen die größte Schuld an den unglücklichen Verhältnissen zuzuschreiben ist, einzuziehen. Zur Zeit unserer Reise brach eine Revolution in der Kolonie aus, von der ich später noch erzähle; ihr Ende haben wir nicht mehr miterlebt. Ob die geplanten Reformen durchgeführt worden sind, entzieht sich meiner Kenntnis.

Während die Gäste aus Kanyabak noch in unserem Lager weilten, brach ein heftiger Streit aus. Nicht sie waren aber daran beteiligt, es waren Bubakr und Ilere, die sich mit einigen Eingeborenen aus Bijante auf der Erde umherrollten. Mit Mühe konnte ich die Leidenschaftlichen, die sich bissen und kratzten, auseinander bringen. Bubakr mit seinem schwachen Körper hatte tüchtig Prügel bekommen; hinkend kam er auf mich zu; noch immer außer Atem, erzählte er mir in seinem tadellosen Französisch, daß die anderen Burschen ins Lager gekommen seien, um uns Lebensmittel zu verkaufen. Der geschäftstüchtige Ilere aber hatte ihre Preise zu hoch befunden. Die Eingeborenen waren empört, daß unsere Burschen zu uns hielten und die Preise drückten, statt ihnen zu helfen. Ilere war nun überaus jähzornig, im Nu gab es Streit. Lange noch, nachdem ich die Streitenden getrennt hatte, saß Ilere auf der Erde, trotzig das Kinn in seine Hände gestützt, und murmelte nicht gerade liebenswürdige Worte vor sich hin, wütende Blicke gegen die Bidyogo sendend. Ich aber kaufte, ohne zu handeln, was wir gerade brauchen konnten und beförderte die Burschen dann liebenswürdig zum Lager hinaus.

Abu, der Koch, war zu feige, um sich an solchen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Er grinste schadenfroh seinen verwundeten Kameraden entgegen und entfernte mit einem Holzstäbchen Sandflöhe aus seinen Füßen.

Diese winzigen, aber nicht ungefährlichen Tiere verschonten auch uns nicht, obwohl wir nicht, wie die Eingeborenen, barfuß gingen. Entfernte man sie nicht rechtzeitig, so verursachten sie Entzündungen und Geschwüre, die dann operativ beseitigt werden mußten. Bei manchen Eingeborenen ist es der Brauch, täglich die Füße nach diesen Blutsaugern abzusuchen und sie mit einem spitzen Holzstäbchen zu entfernen. In Gegenden aber, wo die Leute nicht darauf achten, sieht man Geschwüre, ja sogar verstümmelte Zehen und Füße – das Werk dieser winzigen Parasiten!


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