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Der Palmwein

Zwischen unserem Lager und dem Dorf Etikoka wuchsen einige Ölpalmen. Eines Morgens konnte ich beobachten, wie die Bidyogo den über alles geliebten Palmwein ernteten. Ein Mann fügte aus festen und elastischen Streifen von Palmblätterstielen einen weiten, ovalen Kletterreifen zusammen. Mit diesem Reifen umschloß er zugleich den Stamm und die Mitte seines Körpers und stieg, weit hinausgestemmt, mit den bloßen Füßen an dem rauhen Stamm empor. Ruckweise schob er den Reifen an der Palme in die Höhe, um nicht kopfüber nach hinten abzustürzen.

Oben angekommen, schnitt er mit einem kleinen Messer am Ansatz der Blätterkrone kleine Löcher in den Stamm, in die er aus Palmblättern geflochtene Trichter einfügte. Unter jedem Trichter wurde eine Kürbisflasche angebracht, in der sich nun der Saft der Palme sammelte. Diese Flaschen werden einmal, in der günstigen Jahreszeit auch zweimal im Tage geleert. Man bedenke, wie schön es wäre, wenn wir Bäume besäßen, die, angezapft, tagaus, tagein köstliches Bier spenden würden! Eine andere Frage ist es freilich, wie sich unsere Bierliebhaber verhalten würden, wenn sie gezwungen wären, täglich in den Kronen hoher Bäume zu ernten!

Der frisch gewonnene Palmwein hat den Geschmack leicht angegorenen Traubenmostes. Schon einen Tag nach seiner Gewinnung aber bekommt er einen üblen Beigeschmack, der ihn dem Gaumen eines Europäers wenig verführerisch erscheinen läßt. In frischem Zustande ist der Gehalt an reinem Alkohol gering, etwas gegoren aber wirkt der Palmwein stark berauschend.

Er ist das Lebenselixier der Eingeborenen, der Spender und Begleiter jeder Lebensfreude. Auch als Ernährungsmittel ist er jedoch nicht zu unterschätzen; in manchen Gegenden dient er den Männern tagsüber im Busch als fast ausschließliche Nahrung. Ohne Palmwein gibt es kein Fest, kein Totenmahl, keinen Gesang, keine Freude. Er wird dem Fetisch geopfert, und er wird dem großen Gott gespendet, damit man sich dessen Hilfe sichere.

Der Geist des Palmweines wirkt sich bei den verschiedenen Stämmen sehr verschieden aus. Unter den Bidyogo sahen wir nur selten Betrunkene. Wenn sie abends mit vollen Kalebassen heimkehrten, sangen sie fröhlich vor sich hin, führten laute, lustige Gespräche miteinander, nur hie und da aber verriet der schwankende Schritt eines Mannes die Spuren allzu reichlichen Genusses.

Wie anders benahmen sich dagegen die Balante, der mächtige Stamm auf dem Festlande, bei dem wir längere Zeit verweilt hatten! Da war die Mäßigkeit eine seltene Sache, schwer betrunken taumelten die Männer oft des Abends in unser Lager. Aus irren Gesichtern schossen wilde Blicke, und sinnlose Worte quollen aus verzerrten Mündern.


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