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Ein Fest in Bitit auf Karasch

In Bitit hatten wir Gelegenheit, einem großen Fest beizuwohnen. Es wurde von den jungen, bereits in den Stamm aufgenommenen Männern und Frauen veranstaltet. Außer den üblichen Zuschauern fanden sich zahlreiche Christons ein, die sich hier ebenso wie auf den Inseln Unyokum und Orango Grande als Händler angesiedelt haben. Die Musik bestritten Schlitztrommeln und in die Hände klatschende Frauen, die unter einem schattigen Baum Aufstellung genommen hatten.

Zwei Tänzer in Stiermasken leiteten das Fest ein. Ihre Masken waren aber nicht in der üblichen Größe aus Holz geschnitzt, sondern bestanden nur aus einem kleinen hölzernen Kopfaufputz, an dem Rinderhörner befestigt waren. Das Gesicht verdeckten Blätterbüschel. Die Körper der Tänzer zeigten eine wirkungsvolle Bemalung mit Linien in roter und weißer Farbe, vom Rücken bis auf den Boden herab fielen Stoffstreifen, mit bunten Glasperlen reich bestickt, welche wie Rinderschwänze hin und her baumelten.

Unter begeisterten Rufen der Zuschauer bemühten sich nun die Burschen, sich wie wilde Stiere zu gebärden. Es gelang ihnen vortrefflich, ihre Darstellungskunst war überraschend. Auf Händen und Füßen vollführten sie gewagte Sprünge, schlugen aus wie gereizte Tiere, stießen, mit den Hörnern kämpfend, aneinander und griffen selbst die Zuschauer an, die mit lautem Geschrei auseinanderstoben. Dichte Staubwolken hüllten die Schauspieler von Zeit zu Zeit vollständig ein. Plötzlich löste sich die Gestalt eines Tänzers aus dem tobenden Gewirr; er stieß, wie ein liebestoller Stier, ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, auf das alle anwesenden Kinder in Tönen antworteten, die so tierisch klangen, daß man kaum begriff, wie sie diesen zarten Kehlen entspringen konnten.

Andere Masken strömten herbei. Ein Bursche trug eine holzgeschnitzte Flußpferdmaske auf dem Kopf und klapperte mit dem beweglichen Unterkiefer. Eine ältere Frau lief, von einer anderen an einem Seil geführt, in den Kreis, gefolgt von einer Schar von Weibern, die gellende Laute ausstießen. Sie verspotteten die Männer, indem sie deren Tun in lächerlicher Weise nachahmten. Die Frau am Leitseil war als Mann maskiert und trug ein Paar alte Rinderhörner an der Stirn und einen zerrissenen Lederschurz um die Hüften. Sie sprang vor den Trommeln hin und her und verrenkte den welken Körper in grotesken Bewegungen. Schließlich näherte sich ihr einer der maskierten Tänzer und klammerte sich unter dem Beifallsjubel der Zuschauer auf ihrem Rücken fest. Dies war der Auftakt zu einer Szene von elementarer Wildheit. Die Tänzer umkreisten die Frauen mit werbenden Gebärden, schmiegten sich an sie und wiederholten zum Schluß des Tanzes, indem sie den Frauen auf den Rücken sprangen, das Gebaren des ersten Maskentänzers.

Der Mann mit der Nilpferdmaske aber verschmähte die Frauen gänzlich und erwies seine Liebesbezeugungen dem männlichen Träger einer Stiermaske.

Als dieser Tanz mit seiner urwüchsigen Erotik einige Stunden lang gewährt hatte, sanken alle Teilnehmer erschöpft zur Erde nieder. Palmwein näßte ihre ausgetrockneten verstaubten Kehlen, und unsere reichliche Tabakspende erfreute die Ermatteten.

Ich vermutete, daß die Aufführungen, deren Zeuge wir waren, in profaner Weise einen Teil jener kultischen Vorgänge widerspiegelten, die zur Zeit der Jugendweihe die Buschzöglinge mitmachen. Dies wurde mir später von mehreren Alten bestätigt. Wahrscheinlich werden die jungen Leute bei dieser Weihe auch in die Mysterien der Liebe eingeweiht.


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