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Heinrich Suso Waldeck

Die Legende vom Jäger und Jägerlein

Und Lux, der Jäger, erjagte sie nicht
Mit heißem Bettel und Schmeichelei,
Die Magd des Bauern im Jaudlingwald,
Die schöne, ach schöne Kathrey.

»Kann eines Manns nicht Mädel noch Weib,
Nur meinem Bauer zu Handen sein.
Der hat mich Findel manchs Jahr genährt
Um Gottes Lohn allein.«

Da lief der Grüne wie taub waldein
Und gottlos toll vor Traurigkeit.
Den Sauspieß stach er in Stein und Stamm
Und ließ von allem Gejaid.

Rief nachts den Bösen am Kreuzweg an,
Am Galgenbügel und Mördergrab.
Ihn lockte das gräuliche Hexenhaus
Zur Schlangenschlucht hinab.

Und Lux, der Jäger, erjagte sie nicht
Mit bösem Spruch und Zauberei,
Die Magd des Bauern im Jaudlingwald,
Die schöne, ach schöne Kathrey.

*

Zur Mette läuten die Glocken fern
In der seligen Nacht der Geburt des Herrn.
Da steigt der Bauer mit Weib und Kind
Und Ingesind durch Wald und Wind
Auf einem Streifen Laternenschein
Den Schnee nach Ranna weit hinein.
Die Stube hütet Kathrey allein.

Sie kniet beim flammenden Buchenspan
Und betet das Kindchen, das göttliche, an,
Summt auch ein herzliches Krippenlied.
Doch wie sie der Schlaf an der Nase zieht
Und streut mit Sand die Augen krank
Und träufelt ins Herz den träumrischen Trank,
Da schleicht sie schlafen zur Ofenbank.

Horch, bellt der Hund? Sie hört es nicht,
Noch fühlt sie im Fenster das Bartgesicht.
Der draußen streicht mit bösem Bedacht,
Dem brennt das Geblüt in der eisigen Nacht,
Kathrey, nach deinem Mund und Schoß –
Er findet ein Türchen, ein Riegel ist los,
Er steht in der Stube grün und groß.

Doch aber, da lischt der müde Span
Und hebt ein andres zu leuchten an:
Ein Häuptchen im Schoß der entschlafenen Magd,
Und Gliederchen, schön und unschuldig nackt.
Doch sieh, wie das Kindchen die Stirne verkraust
Und blitzend jäh aus der rosigen Faust
Ein winziger goldener Jagdspeer saust!

Den Jäger trifft das Jägerlein
Mit Schrecken und Reue ins Herz hinein.
Er bricht ins Knie, springt auf, entweicht
Und rennt nach Ranna zur heiligen Beicht.
Kathrey erwacht wohl aufgeräumt:
»So hab ich faul mein Beten versäumt,
Doch hat mir heilig und schön geträumt.«

*

Zu Ranna kniete am Kirchentor
Verfroren ein Büßer in frommem Weh.
Und als Kathrey zum Hochamt ging,
Da warf er sein Haupt in den Schnee.

»So höhnst du mich, Lukas, am heiligen Tag?«
»Nein, ach, mein Mut und Gelüst verfloß,
Denn erjagt hat mich nächtens der heilige Christ,
Und dir, dir saß er im Schoß.«

Sein Wunder rief er ins Volk hinein,
Daß ihre Demut tief erschrak:
»So war es geträumt und dennoch wahr,
Daß Gott in Armen mir lag?«

Der Bauer schwor: »Nicht nutz ich mehr,
Die Jesum gekostet, die selige Hand.«
Da wich die Begnadete still waldaus
Ins tiefe Donauland.

Es steckt ein Nönnchen im Kloster zu Krems,
In Einfalt dienend, froh dabei:
War einst eine Magd im Jaudlingwald
Und hieß die schöne Kathrey.


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