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Börries von Münchhausen

Das Heilandsblut

Mit klirrendem Froste sprang der Wintertag
Aus Nebelgewölk, darüber die Sonne lag.

Im Rieseln des Rauhreifs, der an den Bäumen hing,
Durch knirschenden Schnee der Priester von Romsdal ging.

Das Glöcklein bebte in froststarrer Knabenhand,
Hoch stäubte der Schnee am schwarzen Priestergewand.

Lars Lornsens Hauswand war eines Schoners Bug,
Und als der Priester gegen die Luke schlug,

Trat Lornsens Weib aus der niedren Tür heraus:
»Ihr kommt zur Zeit, Lars Lornsens Fahrt ist aus.«

Von seinen fiebernden Schläfen so ängstlich geschwind
Der Todesschweiß in emsigen Tropfen rinnt.

Die rissige Seemannsfaust sich krampfend schmiegt
Ins dürre Strandgras, darüber das Laken liegt,

Und seine Ohren hören schon für und für
Die Schritte der Totenträger hinter der Tür.

Der Priester hebt den Deckel vom Kelche leis, –
Da ward im Nordlandswinter der Wein zu Eis!

Das Weib sinkt schluchzend hin an der Krankenstatt,
Lars Lornsens Atem röchelt rauh und matt ...

Da bricht aus des Kelches Gold der Priester das Eis
Und legt es auf die Stirne feucht und heiß,

Und von den fiebernden Schläfen gespenstig geschwind
Das Heilandsblut in emsigen Tropfen rinnt.

Tief auf der Kranke atmet, er hebt den Blick,
Der Tod tritt von Lars Lornsens Lager zurück. – –

Im Rieseln des Rauhreifs, der von den Bäumen weht,
Durch knirschenden Schnee der Priester heimwärts geht,

Und hebt die Hände zum Himmel auf und spricht:
»Du Krankenheiland, ich weiß, du zürnst mir nicht!

Du Nebelwinter, graudüsterer Norderstrand,
Vielleicht verflucht mich der im italischen Land,

Doch deine herbe Hoheit spricht mich frei,
Christus, mein Christus, und du standst mir bei!«


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