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Volkslied

Graf und Nonne

Ich stund auf hohem Berge,
Schaut in das tiefe Tal,
Da sah ich ein Schifflein schweben,
Darin drei Grafen warn.

Der jüngste von den dreien,
Der in dem Schifflein saß,
Bot seiner Liebe zu trinken
Aus einem venedischen Glas.

»Was gibst mir lang zu trinken,
Was schenkst du mir lang ein?
Ich will jetzt in ein Kloster gehen,
Will Gottes Dienerin sein.«

»Willst du jetzt in ein Kloster gehen,
Willst Gottes Dien'rin sein,
So geh in Gottes Namen,
Deinsgleichen gibts noch mehr.«

Es stund wohl an ein Vierteljahr,
Dem jung Graf träumts gar schwer,
Als ob sein herzallerliebster Schatz
Ins Kloster gangen wär.

Der Graf, der kam geritten
Wohl vor des Klosters Tür;
Er fragt nach seinem Liebchen
Ob es darinnen wär.

Sie kam herausgeschritten
In einem schneeweißen Kleid,
Ihr Haar war abgeschnitten,
Zur Nonne war sie bereit.

Was hat sie in den Händen?
Von Gold ein Becherlein.
Er hat kaum ausgetrunken,
Sprang ihm sein Herz entzwei.

Mit ihren zarten Händen
Zog sie den Glockenstrang,
Mit ihrem roten Munde
Sang sie den Grabgesang.


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