Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Volkslied

Das Schloß in Österreich

Es liegt ein Schloß in Österreich, das ist gar wohl gebauet
Von Silber und von rotem Gold, mit Marmelstein gemauret.

Darinne liegt ein junger Knab auf seinen Hals gefangen,
Wohl vierzig Klafter tief unter der Erd bei Nattern und bei Schlangen.

Sein Vater kam von Rosenberg wohl für den Turn gegangen:
»Ach Sohne, liebster Sohne mein, wie hart liegst du gefangen!«

Sein Vater zu dem Herren ging, bat um des Sohnes Leben:
»Drei hundert Gülden hab ich daheim, die will ich für ihn geben.«

»Drei hundert Gülden helfen Euch nicht, der Knabe der muß sterben:
Er trägt von Gold ein Ketten am Hals, die bringt ihn um sein Leben.«

»Trägt er von Gold eine Ketten am Hals, die hat er nicht gestohlen,
Die hat ihm eine zarte Jungfrau verehrt, darbei hat sie ihn erzogen.«

Man bracht' den Knaben wohl aus dem Turn, man gab ihm das Sakramente:
»Hilf, reicher Christ vom Himmel hoch, es geht mir an mein Ende!«

Man bracht ihn zum Gericht hinaus, die Leiter mußt' er steigen:
»Ach, Meister, lieber Meister mein, laß mir ein kleine Weile!«

»Ein kleine Weile laß ich dir nicht, du möchtest sonst entrinnen.
Langt mir ein seiden Tüchlein her, daß ich sein Augen verbinde!«

»Ach meine Augen verbind mir nicht, ich muß die Welt anschauen,
Ich sehe sie heut und nimmermehr mit meinen schwarz-braunen Augen.«

Sein Vater beim Gerichte stund, sein Herz wollt ihm zerbrechen:
»Ach Sohne, liebster Sohne mein, deinen Tod den will ich rächen.«

»Ach Vater, liebster Vater mein, meinen Tod sollt Ihr nicht rächen!
Bringt meiner Seelen ein schwere Pein, um Unschuld will ich sterben.«

Es stund kaum an den dritten Tag, ein Engel kam vom Himmel:
Man sollt den Knaben nehmen ab, sonst würd die Stadt versinken.

Es stund kaum an ein halbes Jahr, der Tod der ward gerochen:
Es wurden mehr dann dreihundert Mann ums Knaben willen erstochen.

Wer ist es, der uns dies Liedlein erdacht, gesungen auch desgleichen?
Das haben getan drei Jungfräulein zu Wien in Österreiche.


 << zurück weiter >>