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Börries von Münchhausen

Graf Egisheim

Es ritt nach Krieg und Reisen
Ein Mann durch kahlen Buchenwald,
Der war in schwarzes Eisen
Vom Kinn bis zu den Knien geschnallt,
Wie eilig er wohl ritte,
Wenn nach ihm sah ein Krauskopf aus, –
Doch langsam sind die Schritte
Zu einem kinderleeren Haus.

In seinem Burghof lärmte
Ein Tatern-Schwarm beim Bettelmahl,
Da grüßte die verhärmte,
Die Gräfin leise den Gemahl,
Sie glomm in Glück und Staunen,
Zum Pallas zog sie sanft ihn hin, –
Er hörte lieber raunen
Wahrsagende Zigeunerin:

»Graf Egisheim, das Werdende
Ist schon im Seienden gebannt,
Das sich so laut Gebärdende
Liegt lautlos in dem Netz der Hand,
Dein Sohn, der spät geborene
Wird mächtiger als jemals du,
Es tritt einst der Geschorene
Dein Langhaar unter seinen Schuh!«

»Wird er zum Knecht geschoren
Als Sohn von freiem Edelmann,
So hat mein Stolz verloren,
Was meine Liebe kaum gewann,
Doch soll ich Gnade suchen
Auf Knien vor eines Sohnes Spruch ...!«
– Ein Kuß erstickt sein Fluchen,
Kein Kuß erstickt des Hauses Fluch!

Der Tater-Karrn mit Knarren
Schlich fern durchs Land im Winterdunst,
Dann schnarrt der Schnepfe Quarren
In Frühlingsnächten, voll von Brunst,
Dann Sommers Sonnensiege,
Und dann im Herbst des Hifthorns Ton, –
Da ging im Schloß die Wiege,
Und in der Wiege lag ein Sohn.

Es wuchs wie Rohr der Knabe,
Doch mit ihm wuchs des Vaters Groll,
Landfremder Hexe Gabe
Wie Gift in seiner Seele quoll,
Ach, Worte sind wie Saaten,
Zu Heil und Unheil Kern und Keim,
Aus Worten wuchsen Taten
Wie Bilsenkraut zu Egisheim.

Ein Jäger zog zu Walde
Und zog mit sich des Grafen Kind, ...
Wie einsam an der Halde
Der Bach in roten Wellen rinnt! ...
Heim kam des Jägers Junge, –
Was für ein blutig Ding er hat,
Wie eines Rehkitz' Zunge,
Gehüllt in harsches Brombeerblatt!

»Dies Zeugnis soll ich bringen,
Doch der es schickt, dient Euch nicht mehr,
Er floh, sich zu verdingen,
Nach Welschland zu des Kaisers Heer,
Mein Vater läßt Euch sagen
Ihr wäret Eurer Sorgen bloß,
Dafür hätt er zu tragen
Bis an sein End ein elend Los!« – –

Dann gingen fünfzig Jahre
Wie Räuber über Egisheim,
Die stahlen seinem Haare
Den blonden Schimmer insgeheim,
Die bohrten Tisch und Truhe
Mit tausend feinen Bohrern an,
Die raubten Rast und Ruhe
Dem kindesmordbeladnen Mann. –

Wer löst vom Netz des Bösen
Den Fisch, der sich darein verfing?
Nur eine Hand kann lösen,
Die trägt den heilgen Fischerring!
Zu ihr beginnt der greise
Die Fahrt, die jedem Frieden schenkt, –
Der fürchtet nicht die Reise,
Der schon an seine letzte denkt!

Und sind auch steil die Stege,
Und dräut der Berg und schäumt der Strom,
– Der kranken Seelen Wege
Gehn ja aus aller Welt nach Rom, –
Da sieht den Mann er thronen,
Dem Gott das Gnadenamt verlieh,
Vorm Glanze der drei Kronen
Wirft er sich fassungslos aufs Knie.

Da stürzen seine Tränen,
Da schluchzt die Seele sich zur Ruh,
Sein Haar in weißen Strähnen
Hängt auf den weißen Seiden-Schuh:
»Sei Retter mir und Rater,
Und gib mir das geweihte Brot,
Vergib mir, Heilger Vater,
Vor meinem Tod des Sohnes Tod!«

Des Papstes Wangen brennen,
Er steigt herab von weißem Thron:
»Du nennst mich Vater, – nennen
Darfst du mich deinen lieben Sohn!
Dir half die Mannentreue,
Die wunderlich aus Märchen tönt:
Dein Jäger hat in Reue
Mit Segen deinen Fluch gekrönt!

Wohl war ich frei geboren,
Doch gilt kein Stolz vor Petri Stuhl,
Ich ward zum Mönch geschoren
In Gangolfs Kloster fern zu Toul,
Der höchsten Priesterweihen
Bin ich mir heute ganz bewußt:
Ich durfte dir verzeihen! –
Komm, Vater, komm an meine Brust!«


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