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Theodor Fontane

Jung-Walter

Um Weihnacht wars, der Wind blies kalt,
Und die Tafelrunde begann,
Da kam an den Hof des Königs
Manch schottischer Reitersmann.

Der König und die Königin
Schauten nieder von ihrem Schloß:
Da sahen sie kommen Jung-Walter,
Junger-Walter hoch zu Roß.

Seine Läufer liefen vor ihm her,
Seine Reiter folgten ihm dicht,
Und sein Mantel wie von Golde
Blitzte im Sonnenlicht.

Und von Golde waren die Decken,
Und die Hufe von Silber hell,
Und das Roß, auf dem Jung-Walter ritt,
War wie der Wind so schnell.

Da sprach ein tückischer Höfling,
Der neben der Königin stand:
»Wer ist der schönste Ritter
In Hoch- und Niederland?«

»Ich habe gesehn viel Lords und Lairds,
Manch schönen Ritters Gesicht,
Einen schöneren als Jung-Walter
Sah ich mein Lebtag nicht.«

Das hörte der neidische König,
Seine Wange verfärbte sich:
»Und war er zweimal schöner,
Erst nennen mußtest du mich.«

»Du bist kein Lord, und du bist kein Laird,
Du bist König über sie all,
Da ist kein Ritter in Schottland,
Der nicht wäre dein Vasall.«

Die Königin sprach es bang und blaß,
Der König ward blutrot; –
Jung-Walter, daß so schön du bist,
Das bringt dir nun den Tod.

Sie haben ihn flugs ergriffen,
Ihn sicher eingehegt,
Sie haben Jung-Walter ergriffen
Und ihn in Ketten gelegt.

»Oft bin ich geritten durch Stirling
Bei Wetter und Regenguß,
Nie bin ich geritten durch Stirling
Mit Ketten an Hand und Fuß.

Oft bin ich geritten durch Stirling
Bei Regen und Windeswehn,
Nie bin ich geritten durch Stirling
Um's nimmer wieder zu sehn.«

Am Fuß des Hügels noch einmal
Sah er Wappen und Helm und Schwert,
Am Fuß des Hügels noch einmal
Sah er Sattel und Zaum und Pferd.

Am Fuß des Hügels noch einmal
Sah er seine Lady schön; –
Um das Wörtlein, das die Königin sprach,
Mußte sie ihn sterben sehn.


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