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Werden wir nicht alt genug

Werden wir nicht alt genug auf der Erde?
[Eine Wiedergeburt die hülf uns nicht] –
Unsres Denkens Frucht ist zu früh und fällt
Zu früh vom Baum, also ist sie zu spät, und auch der Baum
Verdorrt, eh er sein Völliges erfüllt.
Wir müssen uns so beeilen, denn der Tod
Schneidet unsre Erdenmöglichkeit
Sinnlos ab, eh wir unsres Lebens Denkgestalt
Voll erschufen. Unsre »Reife« ermöglichen wir nicht.
Und zu fern sind wir, die Denkenden,
Den Menschen, die nur zwei Jahrzehnte
Jünger sind. Wir alle erreichen
Kein Alter, das reif ist und gleich macht,
Wo der Unterschied nicht Trennung mehr ist.
Wenn ein Zweihundertjähriger mit dem Hundertfünfzigjährigen
Redete, so war das voller Baum zu vollem Baum.
Aber unsre siebenzig Jahre, da sind zwanzig
Jahre eine fehlende Brücke schon von Mensch zu Mensch.
Und auch wir Denkenden, wenn wir ernst machen könnten,
Müssen wir hinweg. Unsres Gehirnes Unruh
Ist doch Stilgefühl für eine Mißlungenheit.
Die Lebensstrecken »stimmen« nicht zueinander –
Der Fünfzigjährige »weiß« tief unter ihm,
Daß nun vor ihm liegen müßte, wenn ein harmonisches
Entfalten seines Zurück gewollt wäre,
Noch dreimal und viermal sein Bisher der Zeit.
Seine Unruh, Unlust, Angst, Vergeblichkeit
Ist das Wissen, daß er bald genug
Sinnlos und vorzeitig abgebrochen wird.
Oh ihr täuscht euch, wenn dann des Siebzigjährigen Müdigkeit
Sattsein sei, sie ist – – Ressentiment.
»Reife« seiner Lebensbahn erlebt kein Mensch.


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