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Die Kerze losch

Die Kerze losch –
Das Stümpfchen Stearin zerfloß,
Der Docht ist weggebrannt.
Was ist nun nicht mehr?
Stearin ward Gas.
Der Docht ward Gas und etwas Asche.
Die Kerze ist nicht mehr.
Und auch das Licht nicht.
Die Kerze aber war, eh Flamme auf ihr stand.
Wir löschten auch das Licht,
Als noch die Kerze halb war, viertels,
Und zündetens wieder an.
Licht ward und Dunkelheit und wieder Licht.
Doch immer war noch Kerze.
Nun aber ist nicht Kerze mehr,
Kein Licht wird, lischt nicht.
So wars die Kerze?
So ist sie tot?
Wann lebte sie?
Doch nur, als Licht war.
Das lebte, starb, stand wieder auf und starb,
Und nun ists tot.
So lebte es, als Kerze starb
Langsames Todes
Stück um Stück.
Bis Kerze nicht mehr sterben konnte.
Am Nichtmehrsterben seiner Kerze starb das Licht dann.
Als die Kerze den Tod
Noch nicht begann,
War Licht noch nicht geboren,
Als aber vollendete
Den Tod die Kerze,
Da war das Licht gestorben.
Ein Licht gezündet
Ist Tod gepflanzt,
Der blüht sein Sterben,
Wie viele tausend Lichtergärten
Hat Tod wohl angepflanzt?
Denn Tod ist Gärtner
Und Grab und Leiche,
Tod zündet große Scheiterhaufen an.
Tausend Leichen übereinander
Geben ein großes, weithinleuchtendes Licht.
Tod zündet sich an beiden Enden an,
An Kopf und Füßen,
Und ist er aufgebrannt bis nah zur Mitte,
Dann ist die Glut am heißesten,
Hernach dann ist der Tod wohl tot;
Weil er doch nicht mehr weiter sterben kann.
Oh sagt mir, was geschieht dann in der Dunkelheit?
Empfangen aus Nichts ist die Flamme,
Geboren am Docht, gesäugt von der Kerze,
Und blüht ins Nichts
Ihren Weg des Todes.
Die Kerze vermag ihren Weg des Sterbens.
Wenn alle Welt nicht mehr sterben kann,
Was ist dann Nichts und Nichts?
Wie denn ist eingeklemmt
Zwischen Nichts und Nichts
Das Sterben?
Substanz ist Sterben.
Wenn alle Welt in einer großen Flamme stürb,
Was ist dann, das hernach geschieht
In der Dunkelheit, in beiden Nichts?
Wenn die Flamme lischt,
Wenn die Kerze schmilzt,
Wenn der Docht verkohlt ...
Wo ist dann das, was ich suche?
Sagt mir nicht: das Licht sei ohne Unterschied.
Oder sagts. Das aber such ich nicht.
Sagt mir nicht: es sei immer Lichtes oder der Kerze Zustand.
Oder sagts. Das aber such ich nicht.
Ich bin gewiß ein Zustand, ein Beisammen –
Nur, wenn Sterben zu ende getan,
Wenn erfüllt der Zustand,
Wenn gefüllt Beisammen,
(Wirkwende durchgesiebt)
Sagt mir: was vorher war,
Sagt mir: was nachher ist,
Und ...
Was war ich nicht.
Vielleicht ...
Ahndets mir etwas deß'
Was ich bin.
»Beisammen« – das bin nicht ich.
Zustand – das bin nicht ich.
Sterben – das will ich nicht,
Denn das vermag ich.
Das auch, was ohne
Den Unterschied ist,
Bin ich nicht, will ich nicht,
Kann ich nicht sein.
Zustand und Seele?
Die Seele weiß einst
All ihr Beisammen
Mit allem Zustand?
Wann sie es wissen wird,
Ist sie tot.
Eh sie es noch nicht weiß,
Ist sie nicht.
Nichtsein und Tod
Und alles Dazwischen
Bin doch nicht ich.
Wo bin ich, was bin ich,
Wann bin ich, wie?
Denn daß ich bin,
Das kann ich mir selber nicht
– Nie – widerlegen.
Kann mit mir denken,
Was alles ich nicht bin.
Immer das,
Was stirbt,
Weils Denken ist.
Immer das,
Was stirbt,
Weils tut.
Denken ist Tun,
Tun ist Sterben?
Aber der Tuende
Ist nicht denkend.
Also der Denkende
Ist sein Nichtsein?
Also der Tuende
Ist sein Sein nicht?
Also mein Sein bin nur ich?
Mein –
Sein –
Bin –
Nur –
Ich –
Fünffach identisch,
Tautologie.
Fünffache Anschauungsform
Rundherum.
Dies geb ich zu:
Alle Wege sind krumm.
Dies bestreit ich:
Ich sei nur mein Sein.
Ich will mein Werden.
Und darin mag sein:
Der anderen Michsein,
Mein Ichsein der anderen.
Doch darin auch ist
Der Unterschied.
Das Unterscheidende:
Mein Urselbsteines
Eigen im Alleins,
Das Nichtvergebliche,
Der Lohn,
Der Lohn!


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