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Dies ist ein Zwang des Weiterdenkens

Dies ist ein Zwang des Weiterdenkens,
Zuendedenken nennen wirs,
Und nennens so: eh wir es je doch
Beendeten, wir stehen ab,
Und wo wirs stehen ließen, beginnen wirs
Von neuem, und nun meinen wir,
Das Ende müsse doch nun näher sein.
Ich schoß den Pfeil der graden Linie, nicht einmal, hundertmal, und sah
Ihm nach. Fliegt er mir wieder auf des Bogens Sehne,
Daß ich ihn schießen muß immer von neum?
Durchbohrt er Rücken mir und Brust, und dies der Schmerz,
Der mich durchzuckt, des Nichtablassens von der graden Linie?
Die aus Unendlichkeit mich doch ereilt, der ich hinschieße
Hinein den Pfeil. Dies ist der Zwang:
Die grade Linie »schließt nicht«,
Mein Denken aber vorwärts »schießt nicht«
Und steht nicht still, ich will
Das Immerweiter, aber will doch Ganzes,
Im »Ganzen« weiter, aber doch ihm jenseits
Wohin? Das weiß ich sicher und wahrhaftig nicht.
Man sagt mir: du sollst Grün nicht denken
Ins Gelbe, also nicht den Raum
Ins Fahrende. Was »ausgedehnt«, das ist ein Ganzes. Also Raum
Nur »ganz«, und weder endlich noch unendlich.
Dies ist der Pfeil. Er ist ein Pfeil,
Er fliegt nicht und er steht nicht still.
Dies Sagen aber ists, was mich durchbohrt,
Es sagend vorwärts, rückwärts mich durchbohrt,
Der »Widerspruch«, mich nagelnd, läßt mich nie mehr los,
Wie eine Wurzel in mir treibt er über mich
Des Bauens Baumkrone in ein Unerfüllbares.
Und wie die Wurzel unter sich, und ihre Baumkrone über sich
Das Atmen weitet, also denk ich, und mein Denken »Raum«.
Ihn weit ich, ob ihr sagt: ich denke,
Oder es schafft Raum, oder ob ihr sagt: »unendlich« heißt bei dir,
Daß du noch einmal denkst, und solange du denkst,
So oft du denkst, daß du
Kein Aufhörn denkst, aber wenn du nicht mehr denkst,
Dann »tust« du erst dein Nichtmehrdenken, dann erst
Ist Raumes Ende, also ist die Welt
Ein endlich Ganzes. Das nicht wiederkehrt? Wenn aber wiederkehrnd,
Dann ists ein Nochmal. So sagt ihr: dies ist Zeit, nicht Raum.
Ich aber bin nun wieder an dem Anfang.
Die Zeit, die nochmal ist, die ist nicht sie.
Der Pfeil, der fliegt und nicht fliegt, ist auch nicht der Pfeil.
Dies ist der Zwang: zu wissen, was ich nicht weiß; wenn ichs weiß,
Das ist ein andres, und schon hinter mir.
Und der, wer angebunden ist mit Stricken,
Prometheus, Wieland, Christ am Kreuz,
Hört nimmer auf, den Fels, den Erdball fortzurücken,
»Es ist vollbracht«, der »Zwang« ... getan.
Der Pfeil, der fliegt, und nicht fliegt, seine Bahn
Entgeht ihm nicht. Ob euer Widerdenken hält mit starken Händen
Mein Schiff, ihr sagt: nun stehts,
Ich sag euch: bitte haltet fest, seid treu,
So fährt mein Schiff mit mir, ihr schwimmt,
Das wißt ihr nicht, ihr haltet fest mein Schiff mit euren Händen,
Dessen lächle ich so froh. Ich hab euch gern.
Und einer kreist um mich, ruft laut: »er fährt ja falsch«,
Er rufts schon jahrlang, anderthalb Jahrzehnte,
Und ist noch immer, wo ich jetzt bin, früher rechts, jetzt links,
Mal vorn, mal hinten,
Er kann den Weg nicht wieder zu mir finden,
Und geht den Weg mit mir, wohin? Ich weiß es, er noch nicht.
Dies ist der Einsamen Denker Geschick:
Sie haben den unbeirrbaren Seefahrerblick,
Welle kommt, Welle geht, sie sehen über sich den Stern.
Nagelt ihr ihn an den Mastbaum an,
Leise fragt ihn der Steuermann:
Fahr ich recht? Er nickt. Neuem Denken seid ihr Untertan,
Wohl könnt ihr hängen Bleigewicht an meines Schiffes Bahn,
Nämlich euch selbst, das »Ziel« doch könnt ihr nicht verhängen.
Denn Ziel ist Zwang. Und ob auch tausend Jahre lang
Die Fahrt verlangsamt, so nimmt sie euch doch mit,
Auch Aristoteles, der große Wallfisch,
Umschwamm das Schiff, und meint es festzuankern,
Indem er Kreis um Kreis herumfuhr, und die Bahnen legte
Ums Schiff »Unendlichkeit«, die sieben Schalen,
Das Schifflein fuhr mit sieben Schalen, Wellenringen,
Als die sich glätteten, stand Bruno still am Steuerrad.
Der »Zwang«. Denn wer Unendlichkeit als Stern sieht, geh zu Aristoteles,
Da wird er staunend sehn: der große Wallfisch
Umschwamm ein Schiff, laßt uns steuern dieses Schiff, aber Ehre dem großen Aristoteles.


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