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Wohl mit Erkenntniß machst du viel

Wohl mit Erkenntniß machst du viel,
Sie ist ein Müssen, kein freies Spiel,
Kein frevler Hochmut, kein Drübersein;
Sie ist ein Drinnensein, wenn Untertan
Der Seele; sie mildert dein Schrein
Der Schmerzen; zerreißt den Wahn
Törichter Furcht; und läßt dich erkennen
Die Grenzen, das Gitter; du weißt zu trennen
Die Schuld von den Sachen; den Schmerz vom Geschehn;
Du siehst ein Drittes zwischen Schmerz und Schmerzerreger stehn.
Das brennende Feuer, du weißt, du begreifst:
Sich trennende Welten vereinen sich neu.
Nur ... wenn du von ungefähr dazwischen greifst,
Verbrennt dein Leib, oder deine Seel
Brennt schmerzhaft; beidemal sei
Ein Feuer; einmal nur innen;
Wenn außen, ist dann eins innen auch dabei?
Wie käms sonst zu Schmerz? Wo zu gewinnen
Die Ufer jenseits der Leiden,
Jenseits der Schmerzen Seel und Körper beiden?
Aber unser Leib brennt immer, immer.
Brennt sich auch krank, dann ist lohdernder Kampf.
Unsre Seele in einem brennenden Zimmer –
Müht sie, zu löschen? Liegt sie im hülflosen Krampf?
Zwischen unsrer Seele und den Leibeswänden,
Zwischen »Es« und den Nervenenden
Im Hirn ist ein Drittes; sie nennens den Strom,
Das Fließen des Stroms, Tatsache des Leitens ...
So mög es von Atom zu Atom
Geschehen. Ja. Doch Tatsache des Leidens
Ist auch da. Und Leid ist zwischen uns und dem Fließenden.
So ist »Es« das Feste? Das kann nicht so sein.
Denn leidend am Schmerzübergießenden
Ist es ein Wandelbares. Was zwischen Strom und Seele
Sich klemmt, das Dritte, ist das fest?
Oder zu schmelzen? Ein schlackiger Rest
Eines Unverbrannten? Eine brüchige Stelle
Im restlosen Kontakt? Erkenntniß sucht.
Was sucht Erkenntniß? Und was tut »Es« dabei?
Wer hilft einander? Und werden beide frei?
Oder einmal beide eins? Und dann nicht mehr
Die Seele so leidend und so einsam war.
Und dann? Wenn das sollt glücken,
Daß lückenlose Brücken
Gebaut sein zwischen »Es« und den Ufern der ewigen Welt
Mit Sonnen und Atomen, wär dann ein Zelt
Über allem und Es? Was wär dann vor der Tür?
Was aber im Es wär, ist auch unbekannt.
Und ahnend erschauerts der Seel, daß sie von neuem schür
Neue Feuer mit unvorsichtiger Hand
Und neues Leid aus noch ferne schwälendem Brand.
»Prinzip der Wiederholung« idiotisch angewandt?
Ist dies Prinzip der Rest? Oder das Schmelzen des Rests?
Oder beides? Der Rost im Rest,
Auf dem das zu Schmelzende überm Feuer liegt?
Was ist das Feuer? Was das zu Schmelzende?
Und der Rost solch ein Gitter. Was wird mit ihm?
Wenn alles geschmolzen, wer schmilzt das Gitter?
Oh Fragen süß, oh Klagen bitter!
Was aber treibt mich? Doch nicht nur Leid.
Denk ich doch am seligsten, wenn vom Leid befreit.
Wohl Denken befreit von manchem Leid, das wie ein schmerzend Kleid
Dann abfällt. Aber die selige Seele
Denkt wohl seliger, wohl weiter, wenn heiter
Ein weiter Ausblick auf Möglichkeiten frei liegt,
Wenn nicht mehr Schmerzbefreiung allernächst dabei liegt,
Wenn Seele sich träumt einen adeligem Auftrieb und Leitstern,
Befreit von der Peitsche des Schmerz und dem Leid fern.


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