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Ich fürcht, ich bin auf bösen Wegen

Ich fürcht, ich bin auf bösen Wegen,
Nämlich ein System zu legen –
Es paßt zwar keines nicht bei keinem,
Sonst braucht' mans garnicht erst zu einen –
Aber ich muß mich oft ertappen
Bei schämigem Aneinanderpappen.
Auch kuck ich in so manches Buch,
Als sei es mir nicht mehr genug
An Denkens Tat und Kampfaufreckung,
Als sucht' ich ängstlich Rückendeckung –
Wie hat doch jeder dasselbe gesagt,
Aber ein andres System draus gemacht!
Es ist zum Lachen, und auch ein wenig zum Schimpfen –
Ein Kartenspiel mit lauter Trümpfen,
Jeder gewinnt, denn jede Partie
Endet wie Hindenburg – nicht remis.
Von Aristoteles bis Kant
Hab ich die Philosophie am Windelband.
Das Apeiron des Anaximanders
Auf Spinozistisch klingts schon anders,
Da ists schon mehr Parmenides,
Bloß – daß ders »endlich« meint, indeß
Die Endlichkeit bei Nietzsche »wiederkehren« will,
Da steht so wie bei Herakleitos nichts mehr still.
Aber im Fluß der Philosophen fahren Schiffe
(Du machst oder machst dir keine Begriffe)
Ein jedes karamboliert mit einem andern Schiffe –
Flott kriegts der Steuermann mit einem Kniffe.
Bin ich erst hinter ihre Kniffe gekommen,
Ist das System schon fortgeschwommen.
Der Kniff mich innerst interessiert –
Ich wünsch mir die ganze Philosophie katalogisiert
Nach einem vollständigen Kniffealphabet.
Das schönste doch bei Herbart steht:
Das psychologische Calcül –
Pythagoras wirds dabei schwül,
Der war ein beßrer Mathematiker
Als dieser verkniffene Psychopathiker –
Er haut der Einfalt auf den Hintern
Und ist ein Heiliger bei Pädagogen und Kindern.
Ein Dummkopf kann nicht Tugend leisten –
Ob Herbart Tugend hat, das interessiert mich noch am meisten.


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