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Und niemand hat der Scham gedacht

1.

Und als sie wieder nach Deutschland zogen
Infantrie und Artillerie –
Da hat uns niemand von Sieg gelogen,
Daß wir die Front »zurückgebogen« –
Nanzy, Vitry, Thierry,
Flandern und die Piccardie,
Denn nun warn wir am Rhein.

Und als sie über die Brücke gingen,
Da hörte man keinen Soldaten singen:
Wer will des Stromes Hüter sein.

Und als sie in die Quartiere kamen
Bei Magd und vornehmen deutschen Damen,
Da weinten sie? Ach nein, ach nein –

Das Vaterland muß kleiner sein,
Die Schande humpelt hinterdrein,
Das Heer das tanzt, jeden Abend, jede Nacht,
Und niemand hat der Scham gedacht.

2.

Haben sie nicht die Scham gekannt
Major und Hauptmann und Leutenant,
Feldwebel und Unteroffizier,
Gefreiter und der Grenadier?
Sie zogen nachhause über den Rhein,
Luden ihre Quartierfraun zum Tanzen ein.
In Köln stehn unsre Feinde schon,
Im deutschen Marschquartier das Grammophon
Klappert einen Walzer, und das deutsche Heer
Das tanzt, aber es kämpft nicht mehr.

3.

Waren sie des Mordens alle müd und krank?
Ach so hört nur ihren Bänkelgesang.

Deutschland über alles und die Wacht am Rhein
Quarrt das Grammophon und die Weiber schrein

Juh im Arm von Offizier und Mann –
Dies ist ein Heer, das feste tanzen kann.

4.

Sag mir nun niemand mehr vom Krieg, der hoch
Heilige die Helden; weder Sieg, Ruhm, noch

Die eilige Flucht; am Abend im Quartier
Freut sich des Lebens ein dem Tod entlaufenes Tier.


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