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Wenn die Sonne durch die Blätter scheint

Wenn die Sonne durch die Blätter scheint –
An den Trauben hängen wie Tropfen die Beeren.
Luft, Licht, Wasser sind eins, und vereint
Aufbau des Lebens und des Leichten und Schweren.

Hier lern ich, wie Dasselbe sich
Mit Selbst paart und Dasselbe wird,
Sodaß das Eine sicherlich
Nicht tot ist noch sich selbst verliert.

Und jede Seel ist Gott und Welt –
Doch in sich selbst in Sünde,
So sie nicht selbst zusammenhält
Sich, daß sie das Ganze finde.

Die Traube, und wer die Traube ißt,
Und die Reblaus, die wir töten –
Und mein Kaninchen, das Weinlaub frißt,
Wenn ich dich füttre, muß ich erröten

Vor meiner Seel (das ist vor dir)
Du nimmst von mir, was ich dir gebe –
Ich täusche dich, du liebes Tier,
Mein Geben heißts stirb! und heißt nicht: lebe!

Wo wohl in uns das Eine ist,
Das dich und mich in Frieden bettet,
Das unsrer Erfüllung nicht vergißt,
Ganzheit im Selbst, Selbst in der Ganzheit rettet?

Unentrinnbar ist Schuld in der Hölle,
Schon daß ich lebe ist Mord, den ich tu.
Tot ich mich, so wird meine Stelle
Nicht frei, keine Tür des Tods schließ ich zu.

Wo ist der Hölle Selbst in dem Einen,
Wo wird die Hölle gut in der Ganzheit?
Wo ist das Glück im verborgenen Weinen,
Wo ist Licht ohne Schatten, eine in sich einige Glanzzeit?

Hölle, Hölle ist fürchterlich –
Und Helle tötet Helle. Ist dies
Ersatz, weil Hölle mit Hölle sich
Ausbläst? Auf Asche blüht kein Paradies.

Daß aber die Sonne durchs Weinlaub scheint,
Ist Glück. Und das ist so Not wie not,
Zu leben. Was im Verborgenen weint,
Ist wohl noch tiefer als Glück und Tod.

Ist wohl noch eine Notwendigkeit,
Ob Not das Wendende oder gewendet,
Einmal ergreift uns unsre Heiligkeit –
Dann ist wahr, was klar ohne Erklärung sich vollendet.

Dann ist Selbst bei sich, dann ist All bei allen,
Dann ist Eins und Ganzheit, kein Umfangendes wischt
Das Umfangene weg, kein Zusammenballen,
Und kein Zerfallen, auch dann nicht, wann die Hölle erlischt.

Dann ist möglich und vermag auch, daß das Wirkende
Nicht sein Gesetz, Notwendigkeit nicht Not
Doch Wende, statt Zwang das Verbürgende,
Einmal beten wir zu uns, dann erst und am tiefsten ... zu Gott.


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