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Zuviel und viel

Zuviel und viel –
Des einen Viel
Wäre des andern zuviel,
Wo jedes Viel ein zuwenig ist ...
Wer aber, ein heimlicher König ist,
Ist im Wenigen viel,
Ist im Vielen auch nie zuviel;
Sein Vieles an ihm ein Eines ist,
Das keines andern, das seines ist;
Und wäre sein nur ein einziges Ein,
Das kann dann nie ein Zuwenig sein;
Und war ihm aus Viel ein ganzer Kranz,
Der ist rund, und solcher Kranz ist ganz.

Mythus

Was ist diesen Menschen ein Mythus?
Ihr Gott Feuerfresser und Degenschlucker,
Taschenspieler und Wunderprofet.
Was ist diesen Menschen ein Mythus?
Sie werfen ihn weg, wenn das Wunder nicht stimmt
Und lassen sich kitzeln im Kino.
Der Weltdetektiv, und die dreieckige Frau,
Und der Dreck am penis erectus.
Was ist diesen Menschen not um die Not?
Wir haben Hölle und Himmel zerbrochen,
Herum sind die Sterne, den Erdenball
Machen sie einen fliegenden Stall,
Viehtransport, das Futter fliegt mit,
Weichensteller Tod, Geburtsattest ist Fahrbillet.
Was ist diesen Menschen die Ewigkeit?
Viel zu viel Zeit. Unausfüllbarer Raum
Rückwärts und vorwärts; zwischengeklemmt
Leben, schaler Traum, Geburt und Tod.
Und kommen sie wieder, sind sie Gespenster,
Und spuken, und schreiben ein Buch vom Tod,
Bauen einen Kosmos ohne Gott,
Aber solcher Gott hat keinen Kosmos,
Und das Chaos stülpt sich um;
Ihrer Begrenztheit Griechentum
Drehen sie um und um – »ewige Wiederkehr«.
Welcher Mythus war Gestalt,
Wandert durch den Weltenwald,
Wächst, und wandelt, und ewig sich
Selber seiend erfüllt er sich
Anders; die Welt ist ewig weit,
Immer neue Ungestaltetheit
Legt als Weib dem Mythus sich und hegt
Ungeheure Sterne; oh Jahrtausend trägt
Welt ihr Christkind, aber Mühgott geht
Fern übers unerforschte Meer, und Mythus
Ist ein Steuer, und die Seele fährt im Schiff.
Mühgott der Mensch, und Mühgott der Mythus,
Moira die unerbittlich weibliche Welt.
Sterne zu säen; oh die Stirn schmerzt sehr,
Unerdenklich tönt ein Echo her.
Laut stöhnt das Weltweib »ich will schwanger von dir sein,
Aber sei mein Herr auch, und mach mich wie du.«
Also beschreite niemand unbeschrittne Bahn,
Ohne der Moira unerfüllten Spruch zu empfahn.
Also beschlafe niemand Moiras Weibesleib,
Ohne der Moira Spruch und Sprache zu verleihn.
Moira muß empfangen und gebären, und ihr Spruch
Steht auf ihrer Stirn, der ist ein unerforschter Stern.
Nur, immer nur die Moira weiß das Geheime;
Nur, immer nur der Mythus zwingt die Moira.
Unerbittlich ist die Moira, und ihr Spruch
Unerfüllbar, doch das sei dir nicht genug.
Stolzer denn Stern und Spruch stell deine Stirn,
Du sollst deinen Adel niemals verliern,
Mühgotts Majestät; das Schicksal soll sich sehnen,
Mythus von Golgatha, nach dir, nach dir.


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