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Sie sagen: eine Art anzuschauen

Sie sagen: eine Art anzuschaun
Sei weder das Ding noch die Welt.
So sagen sie: ob Zeit und Raum
Da sein, dies nicht enthält
Das Ding, die Welt, das Geschehn.
Aber das Anschaun enthält das Sehn?
Ein Ding, und zwei Ding, und immer so fort
Wechsel von Objekt, Zeit, und Ort?
Gewiß: es könnte das Subjekt sein
Immer ein andres, und ein Objekt.
Eins dann (das Subjekt) wär nicht allein,
Und nur das Objekt zu vielen gestreckt.
Gewiß: die Zeit und die Zahl sind vom Raum
Funktion, dazu doch gehört das Ding,
Oder das Vielsubjekt, welches flink
Von Ort zu Ort das Einding weiß zu schaun,
Oder von Art zu Art. Dann war
Der Raum eine Vielform. Das Subjekt dann,
Vielerart Anschauns, ob es kann
Mit Form sich vervielfachen gar so sehr,
Daß übrig bleibt: Es, und das ist Jongleur?
Und einmal jongliert Es nicht mehr?
Wann? Ist das Frage der Zeit?
Die aber war doch schon ganz, ganz weit
Wegjongliert? Und war überdies
Garnichts; denn was so hieß,
Hatte mit Ding und Raum zu tun,
Wo kommen die her, was wollen die nun
(Einmal wegjongliert) beim Kontoabschluß
Des großen, einzigen Es-Zirkus?
Der dreht sich. So nehmen wir neu den Raum
Als Wirkliches? Oder Art anzuschaun?
Sei es ein klein oder groß Karussell,
Dreh ich das langsam, dreh ich das schnell,
Eh ich nicht fertig mit Einsammeln bin,
Weiß ich nicht, was in der Kasse drin.
Eh ich nicht wandre von Raum zu Raum,
Nenn ich sie Ding, oder Zahl, oder Ort,
Subjekt, Objekt, Art anzuschaun,
(Es ist ja kein Streit um Begriff oder Wort)
Sondern mit großer Geduld zu tun
(Ohne Aufhörn, wohl aber mit Ausruhn)
Raum zu erforschen aus Raum in Raum,
Und nicht zu wechseln die Art anzuschaun.
Solange meine Säge hält,
Kann ich zerschneiden alle Bretter der Welt.
Also wandr ich in unendlichen Raum,
Ihn zu erforschen und meine Art ihn anzuschaun.
Ob beide einmal auseinander gehn,
Das werde ich oder werde ich nicht sehn.
Dann werde ich in einer Welt oder keiner Welt stehn.
Ob eine Welt oder keine Welt ist,
Daß jede von beiden unendlich ist,
Ob ein Raum oder kein Raum ist,
Das jeder von beiden unendlich ist,
Ob eine Art anzuschaun, ich muß vertraun:
Daß ich diese Art ihrer Art gemäß
Tu, daß sie für eine Unendlichkeit ein so fassend unendliches Gefäß.
So viel wie in ein großes Faß Wein
Gehe nicht in einen Becher hinein?
Ist nur Geduld, zerbricht der Becher nicht ehr,
Schöpf ich die Welt mit dem Becher leer.
Aber es gebe außer dem Raum
Viele Art und viele Welt anzuschaun.
Ganz gewiß. Tasten, Schmecken, Riechen, Hören, Sehn,
Ist jedes andre Welt, könnt jede ohne jede vielleicht bestehn.
Würd ich doch jeden Weg zu ende gehn.
Bis Tod mir nimmt Auge und Ohr
Und das andre, dann geh ich durch dieses Tor
Vielleicht in eine sechste Welt.
Auch weiß ich nicht, ob das fünffache Anschaun nicht anhält
In der sechsten, ein Fernrohr sieht weiter als ein Auge,
Vielleicht; daß in der sechsten Welt etwas tauge
Mehr als Auge und Fernrohr zu sehn,
Zu »sehn«, denn mein Auge kann sein
Instrument des Sehns, nicht aber das Sehn.
Wer weiß das! Eines Blinden Instrument ist kaputt,
Vielleicht erfinden wir eins zum vollkommenen Ersatz
Schon hier. Denn nicht ebenso gut
Geht mir ein: Auge sei Sehens Platz,
Mit verlorenem Platz sei Sehens kein Raum,
Dies ist nicht meine Art anzuschaun.
Wohl Relation. So sehen wir ja mit allen Instrumenten nur Fläche.
Anders schon ist Sehn gewiß, wenn rund um unsern Kopf
Auge war. Panorama. Wohl immer noch Fläche, aber breche
Durch, schreite, was dann gleite, ist schon anders, kein Wiedehopf
Verdreht seinen Hals so, wir könnens nicht ausprobieren,
Auch will ich nicht meinen Weg verlieren,
Den Weg durch die Welt des Raumanschauns,
Oder seiner Form, ist sie ein Instrument,
Dessen Funktionen man allzu genau kennt,
Und das einmal zerbricht,
So weiß ich nicht,
Ob ein Instrument sei sein eigen Instrument,
Oder meins, auch Gottes, der Welt, oder weß,
Instrument ist eine Methode,
Die steht mir unermüdlich zu Gebote,
Während mein Messer stumpft, wart ich, indeß
Dreh ich den Schleifstein, mein Messer wieder scharf,
Dies ich auch vom Raum oder der Anschauensform seiner oder der Welt hoffen darf.
Und wenn mein Denken am Reimseil geht,
Meine Gedanken kommen doch nicht zu spät.
Und wenn ich mich wag in unendlichen Raum,
Ist mir not, mich umzuschaun
Nach Brücken und Bohlen,
Und muß ich mir vieles Werkzeug holen.
Mein feinstes und stärkstes Instrument Geduld
Ist wohl an keinem Irrtum schuld,
Sondern räumt ihn weg, ihr sagt: er reimt seinen Weg,
Der sei und der Irrtum ein trügerischer Brückensteg.
Ich weiß doch nicht. Dies ist mein Stern:
Unendlichkeit, dahinter Gott ganz fern,
Dahinter Anschaun, dahinter eine Form,
Dahinter, dahinter, ihr sucht eine Norm,
Ich suche Geduld, und die Schöpfertat,
Dies das einzige Gebet, das meine Seele hat.
Erhörung ist fern. Wie Jakob mit Gott
Ring ich mit Raum und Unendlichkeit.
Und ich weiß: Graun ist da, aber kein Spott,
Sondern eines Vogels Tüo und ein weißes Kleid,
Kind an der Mutterbrust, Maria, Maria.
Mutter deine Arme tun sich mir auf,
Raum, heiligste Empfängniß, Schooß, der Sterne Lauf
Und das Auge des Raums ist so tief, so tief,
Mutter, dein Kind, das dir im Arme schlief,
Wacht auf und wandert, der Raum empfängt
Bild meiner Sohle, das sinkt, aber hängt
Schon gespannt mir die Brücke über bodenlosen Grund,
Das Gebet, die Erhörung, so fern, so fern,
Unendlichkeit, das große, große Auge, aller Räume rund,
Wo ich nichts mehr, noch nichts sehe, unendlich weit vom Weltenherrn,
Das große Auge sieht mich, das große Auge ist nicht blind,
Und Menschen die vom Sehen sind, sind Sehen, sie sehen,
Einmal werd ich den Raum durchwehen,
Eine Luft, sehender Wind,
Ein Auseinanderrollen aller Sichtbarkeit,
Sichtbar sehend, gesehn von mir,
Es ist ein Raum, aber wir sind vier,
Form und Anschaun, Raum und ich,
Meine Geduld ist unendlich.


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