Emil Zola
Die Sünde des Abbé Mouret
Emil Zola

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Drittes Buch

1

Nach dem Vaterunser verneigte sich der Abbé Mouret vor dem Altar und ging zur Epistelseite herüber. Dann stieg er herunter, schlug das Kreuz über dem langen Fortunat und der Rosalie, die Seite an Seite vor der Estrade knieten.

»Ego conjugo vos in matrimonium, in nomine Patris, et filii et spiritus sancti

»Amen,« antwortete Vinzenz, der die Messe bediente und voll Neugier von der Seite das Gesicht seines Bruders beobachtete.

Fortunat und Rosalie senkten doch in einiger Rührung das Kinn, trotzdem sie sich mit den Ellbogen angestoßen hatten beim Niederknien, um sich gegenseitig zum Lachen zu bringen. Indessen holte Vinzenz die Schale und den Weihwasserwedel. Fortunat legte den Ring in die Schale, einen schwerfälligen, ganz glatten Silberring. Nachdem der Priester ihn durch Besprengen in Kreuzform geweiht hatte, übergab er ihn dem Fortunat, und dieser schob ihn Rosalie an den Ringfinger, deren Hand immer noch grün schimmerte von Grasflecken, die keine Seife hatte entfernen können.

»In nomine Patris, et filii, et spiritus sancti,« murmelte der Abbé Mouret wiederum und erteilte ihnen ein letztes Mal den Segen.

»Amen,« gab Vinzenz die Antwort.

Es war früher Morgen. Die Sonne schien noch nicht durch die großen Kirchenfenster. Draußen in den Zweigen der Eberesche, deren Astwerk anscheinend die Scheiben eingestoßen hatte, vernahm man das lärmende Erwachen der Spatzen. Die Teusin, die noch nicht dazu gekommen war, das Hauswesen des lieben Gottes zu ordnen, staubte die Altäre ab, reckte sich auf ihrem gesunden Bein, um die Füße des gelb und rot bepinselten Christus abzuwischen, schob so leise als möglich die Stühle zurecht, verbeugte sich, bekreuzte sich, schlug sich an die Brust, folgte dem Verlauf der Messe, alles, ohne auch nur einen Augenblick ihren Flederwisch zu vernachlässigen.

Einige Schritte entfernt von dem Hochzeitspaar, am Fuß der Kanzel, saß die Mutter Brichet als einsamer Hochzeitsgast; ihre Art zu beten war übertrieben; sie kniete unaufhörlich unter so lebhaftem Gemurmel, daß es schien, als kreise ein Hummelschwarm im Schiff. Auf der anderen Seite, am Beichtstuhl, hielt Katharina ein Wickelkind auf dem Arm; weil das Kind zu weinen begonnen hatte, mußte sie dem Altar den Rücken zukehren und es auf dem Arm tanzen lassen, ihm mit dem Glockenstrang, der gerade vor seiner Nase baumelte, die Zeit vertreiben.

»Dominus vobiscum,« sprach der Priester und wandte sich mit ausgebreiteten Armen.

»Et cum spiritu tuo,« antwortete Vinzenz.

In diesem Augenblick traten drei große Mädchen ein. Sie stießen einander, um besser sehen zu können, doch ohne sich zu weit vorzuwagen. Drei Freundinnen der Rosalie waren es, die auf dem Wege zur Feldarbeit sich hergestohlen hatten, um zu hören, was wohl der Herr Pfarrer den Vermählten zu sagen hätte. Große Scheren baumelten ihnen am Gürtel. Sie versteckten sich endlich hinter dem Taufbecken, kniffen sich, warfen sich nichtsnutzig hin und wieder und unterdrückten ihre Lachausbrüche unter geballten Fäusten.

»Eins ist wenigstens gut,« bemerkte halblaut die Fuchsige, ein kupferhaariges, kupferhäutiges Prachtmädel, »wenn es aus ist, wird man sich nicht drängeln.«

»Vater Bambousse hat Wohl recht,« flüsterte die zierliche schwarze Lisa mit den Funkelaugen; »hat man Weinstöcke, muß man sie pflegen ... da der Herr Pfarrer die Rosalie durchaus unter die Haube bringen wollte, kann er das ja allein tun.«

Babet, die dritte, verwachsen und sehr grobknochig, kicherte.

»Die Mutter Brichet bleibt ihm ja,« sagte sie, »die ist fromm für die ganze Familie ... Ho! Hört doch nur, wie sie surrt! Das wird sich schon bezahlt machen. Sie wird schon wissen wofür.«

»Orgeln tut sie,« fing die Fuchsige wieder an. Und sie brachen alle drei in Gelächter aus. Die Teufin drohte ihnen von weitem mit dem Federbesen. Der Abbé Mouret am Altar kommunizierte. Als er nach der Epistelseite schritt, um sich von Vinzenz auf Daumen und Zeigefinger Wein und Wasser der Waschung gießen zu lassen, sagte Lisa etwas leiser:

»Es ist bald aus. Gleich wird er zu ihnen reden. Dann kann der lange Fortunat noch auf sein Feld hinaus.«

»Und die Rosalie hat keinen Tag der Weinlese verloren,« äußerte die Fuchsige, »es ist bequem, sich früh trauen zu lassen ... Blöd sieht er aus, der lange Fortunat.«

»Potztausend,« flüsterte Babet, »dem Bengel ist es eklig, so lange knien zu müssen. Das ist ihm sicher seit seiner ersten Kommunion nicht mehr vorgekommen.«

Doch wurden sie abgelenkt durch den Knirps, mit dem Katharina spielte. Er verlangte nach dem Glockenstrang, streckte wutblau die Arme aus und schrie sich die Kehle heiser.

»Ei, das Kleine ist auch da,« sagte die Fuchsige.

Das Kindchen heulte weiter und gebärdete sich teuflisch.

»Leg' ihn auf den Bauch und gib ihm einen Schnuller,« riet flüsternd Babet der Katharina.

»Das mag ich nicht,« sagte diese und schüttelte das Kind. »Still, du kleines Ferkel! ... Die Schwester hat es mir auf die Knie geschmissen.«

»Selbstverständlich,« begann Babet böse. »Sie konnte es denn doch nicht dem Herrn Pfarrer zum Halten geben, oder?«

Diesmal riß es die Fuchsige fast hintenüber, so mußte sie lachen. Sie ließ sich gegen die Mauer fallen, stemmte die Fäuste in die Seiten und wollte vor Lachen platzen. Lisa hatte sich an sie gepreßt und suchte sich dadurch Luft zu machen, daß sie sie an Schultern und rückwärts zwickte. Babet lachte wie die Buckligen, sensenscharf drang es ihr aus zusammengepreßten Lippen.

»Gäb' es den Kleinen nicht, könnte der Herr Pfarrer sein Weihwasser sparen ... Vater Bambousse hatte die Rosalie dem jungen Lorenz aus der Feigerei zugedacht.«

»Ja,« sagte die Fuchsige zwischen zwei Ausbrüchen, »wißt ihr, was er tat, der alte Bambousse? Er warf der Rosalie Erdstücke auf den Rücken, damit das Kleine steckenbliebe.«

»Trotz allem ist es ein netter Dicksack,« flüsterte Lisa. »Die Erdklöße sind ihm gut bekommen.«

In einem erneuten Heiterkeitsanfall bissen die drei sich die Lippen, als die Teufe wild hinkend auf sie zukam. Sie hatte ihren Besen hinter dem Altar aufgelesen. Die großen Mädchen bekamen Angst, wichen zurück und nahmen sich zusammen.

»Ihr Pack,« krächzte die Teufin, »wieder kommt ihr her mit euren Schweinereien ... Schämst du dich nicht, Fuchsige! Da drüben gehörtest du hin, auf die Knie vor den Altar, wie die Rosalie ... Ich werfe euch hinaus, wenn ihr euch mausig macht, versteht ihr?«

Die kupferigen Wangen der Fuchsigen färbten sich etwas tiefer, während Babet hohnlächelnd ihre Gestalt musterte.

»Und du,« fuhr die Teufin fort, sich nach Katharina umdrehend, »wirst du wohl das Kind in Ruhe lassen. Du kneifst es, damit es schreit. Lüge nicht ... Gib es her!«

Sie griff es auf, wiegte es einen Augenblick, legte es auf einen Stuhl, wo es engelhaft friedlich einschlief. Die Kirche verfiel wieder ihrer trüben Ruhe, die nur vom Gezwitscher der Spatzen in der Eberesche unterbrochen wurde. Am Altar hatte Vinzenz das Meßbuch nach rechts zurückgebracht, der Abbé Mouret faltete eben das Corporale und ließ es in den Beutel gleiten; er sprach die Endgebete in strenger Sammlung; weder das Weinen des Kindes noch die lachenden Mädchen vermochten ihn zu stören. Er schien taub für alles zu sein, ganz in den Wünschen aufzugehen, die er zum Himmel schickte für das Glück des von ihm getrauten Paares. An diesem Tage blieb der Himmel überwölkt von staubigen Hitzwellen, in denen die Sonne verdämmerte. Durch die zerborstenen Scheiben drang nur ein rötlicher Schimmer, der einen gewitterschwülen Tag ankündete.

Die grellbemalten Bilder des Kreuzweges an den Wänden zeigten überdüstert ihr Gelb, Blau und Rot. Im Hintergrund des Schiffes krachte das trockene Holzwerk der Tribüne; während das ins Kraut geschossene Gras des Vorplatzes unter der großen Pforte langreife Halme durchschob, auf denen es sich regte von kleinen braunen Heuschrecken. Durch die Uhr im Holzgehäuse ging ein Schnurren, als wollte sie sich räuspern; dann schlug sie dumpf halb sieben.

»Ite missa est«, sagte der Priester, der Kirche zugewandt.

»Deo gratias,« antwortete Vinzenz. Nachdem er dann den Altar geküßt hatte, wendete der Abbé Mouret sich wieder und sprach leise über den gebeugten Nacken der Getrauten das Endgebet:

»Deus Abraham, deus Isaac, et deus Jacob vobiscum sit...«

Seine Stimme verlor sich in sanfter Eintönigkeit.

»So, jetzt wird er zu ihnen reden,« flüsterte Babet ihren Freundinnen zu.

»Wie blaß er ist,« ließ sich Lisa vernehmen. »Nicht wie Herr Caffin, dessen dickes Gesicht immer lachte ... Rose, mein Schwesterchen, hat mir erzählt, daß sie nicht den Mut hat, beim Beichten den Mund aufzutun.«

»Wie dem auch sei,« munkelte die Fuchsige, »ein hübscher Mann ist er. Seit der Krankheit sieht er etwas älter aus, aber es steht ihm gut. Seine Augen sind größer geworden, und am Mund hat er zwei Falten bekommen, die ihm ein männliches Ansehen geben... Vor dem Fieber war er zu sehr wie ein Mädchen.«

»Er hat einen Kummer, will mir scheinen,« fing die Babet wieder an. »Es ist, als ob er sich innerlich verzehrt. Sein Gesicht sieht wie abgestorben aus, nur die Augen glänzen, und wie! Seht doch, wenn er so die Lider langsam senkt, wie um die Augen auszulöschen.«

Die Teufin schwenkte ihren Besen.

»Scht,« machte sie so nachdrücklich, daß ein Windstoß sich in die Kirche verirrt zu haben schien.

Der Abbé Mouret hatte sich gesammelt. Fast unhörbar begann er:

»Mein lieber Bruder, meine liebe Schwester, ihr seid in Jesu verbunden. Die Ehe ist das Sinnbild der geheiligten Einung Jesu und seiner Kirche. Sie ist eine unzerreißbare Bindung, von Gott zur Ewigkeit bestimmt, und der Mensch soll nicht trennen, was der Himmel zusammentat. Indem er euch Bein von einem Bein werden ließ, hat Gott euch dazu bestimmt, Seit' an Seite zu ziehen als treues Paar, auf den Wegen, die seine Allmacht euch bereitet. Und ihr müßt euch lieben in der göttlichen Liebe selbst. Die kleinste Bitterkeit zwischen euch wäre ein Ungehorsam gegen den Schöpfer, der euch zu einem Leibe schuf. Bleibt also einig immerdar, zum Gleichnis der Kirche, der Jesus sich vertraute, als er uns sein Fleisch, sein Blut gab.«

Der lange Fortunat und die Rosalie hörten mit neugierig erhobenen Nasen zu.

»Was sagt er?« fragte Lisa, die nicht recht verstand.

»Gott, er sagt, was eben immer gesagt wird,« gab die Fuchsige zur Antwort. »Er hat eine geschickte Zunge, wie alle Pfarrer.«

Währenddem fuhr der Abbé Mouret fort, seinen Spruch zu sagen und über die Köpfe der Hochzeiter in einen Winkel der Kirche zu starren. Nach und nach wurde seine Stimme weich; in die ehemals aus einem Handbuch für junge Vikare erlernten Worte stieg Rührung. Er hatte sich etwas zu Rosalie gewendet, fügte bewegte Sätze hinzu, wenn das Gedächtnis ihn im Stich ließ, und sagte:

»Meine liebe Schwester, sei Untertan deinem Gatten, wie die Kirche Jesus Untertan ist. Präge dir ein, alles mußt du aufgeben, um ihm nachzufolgen als treue Dienerin. Du wirst Vater und Mutter verlassen und deinem Gatten anhangen, du wirst ihm gehorsam sein, auf daß du Gott selber gehorsam seiest. Und dein Joch sei ein Liebesjoch, ein Friedensjoch. Sei seine Ruhestatt, seine Glückseligkeit, der Duft seiner guten Werke, das Heil seiner schweren Stunden. Er finde dich immer an seiner Seite wie eine Gnadengabe. Er muß die Hand nur auszustrecken brauchen, um die deine ergreifen zu können. Solcherart werdet ihr zu zweit wandeln, ohne jemals irre zu gehen, und ihr werdet das Glück finden in der Erfüllung göttlicher Gesetze. O teure Schwester, liebe Tochter, deine Unterwerfung wird eine Fülle sanfter Früchte tragen; sie wird häusliche Tugenden in dir erwecken, die Herdfreuden, Wohlstand frommer Familien. Sei zugetan deinem Gatten mit der Zärtlichkeit Rahels, der Weisheit Rebekkas, der langen Treue Saras. Sage dir, daß ein reines Leben zu allem Guten führt. Bitte Gott allmorgendlich um die Kraft, als pflichtgetreue Frau zu leben; die Strafe würde entsetzlich sein, du würdest deiner Liebe verlustig gehen. Oh, ohne Liebe zu leben, Fleisch vom Fleisch zu reißen, nicht mehr dem anzugehören, der die Hälfte ist deiner selbst, hinzusterben fern von dem einstmals Geliebten! Du streckst die Arme aus, und er wendet sich ab von dir! Du würdest nach Freuden ausspähen und nur Scham finden auf dem Grund deines Herzens. Höre auf mich, meine Tochter, in dir, in deiner Reinheit, deiner Liebe hat Gott begründet die Kraft eurer Verbindung.«

Hier vernahm man vom anderen Ende der Kirche her ein Gelächter. Das Kind war auf dem Stuhl erwacht, dort, wo die Teufin es gebettet hatte. Aber nicht mehr unartig war es; es belustigte sich ganz für sich, nach Durchstrampeln der Windeln, aus denen kleine rosa Füße sich streckten und in der Luft zappelten. Und über diese Füßchen mußte es lachen.

Rosalie, gelangweilt von der priesterlichen Anrede, wandte schnell den Kopf und lächelte dem Kind zu. Als sie es aber auf dem Stuhl zappeln sah, bekam sie Angst. Sie warf Katharina einen grimmigen Blick zu.

»Guck' mich nur an,« knurrte diese. »Ich nehme es nicht noch einmal ... damit es wieder losbrüllt.«

Und sie begab sich unter die Empore, um ein Ameisenloch in einer eingestoßenen Bodenplatte zu belauern.

»Herr Caffin machte es kürzer,« sagte die Fuchsige. »Als er die schöne Mieze traute, gab er ihr nur zwei Kläpse auf die Backe und ermahnte sie, brav zu sein.«

»Mein lieber Bruder,« fuhr der Abbé Mouret fort, halb dem langen Fortunat zugewandt. »Gott gibt dir heute eine Gefährtin; denn es ist nicht sein Wille, daß der Mensch allein sei. Hat er aber bestimmt, sie solle dir Untertan sein, so verlangt er von dir, daß du ihr ein gütevoller, liebevoller Herr seiest. Liebe sie; sie ist Fleisch von deinem Fleisch, Blut von deinem Blut, Bein von deinem Bein. Du sollst sie beschützen, weil Gott deine Arme stark sein ließ, auf daß du sie halten könntest über ihrem Haupt in der Stunde der Gefahr. Sei eingedenk, daß sie dir anvertraut ist; sie ist die Ergebung und Schwäche, die du nicht mißbrauchen kannst, ohne dich zu versündigen! O mein lieber Bruder, wie stolz und glücklich mußt du sein! In Zukunft wirst du nicht mehr in einsamer Selbstsucht leben. Allstündlich gibt es eine anbetungswürdige Pflicht für dich. Nichts Besseres gibt es als Liebe, nichts Erhabeneres, als die Geliebten zu schützen. Dein Herz wird sich erheben, deine Manneskraft wird sich verhundertfachen. O stützen zu dürfen, Zärtlichkeit anvertraut zu bekommen, zu erleben, daß eine Jungfrau ganz aufgeht in dir und spricht: ›Nimm mich hin, mach' mit mir, was du willst, ich vertraue deiner Ehrlichkeit!‹ Und verdammt sollst du sein, wenn du sie jemals verläßt! Die feigste Nichtachtung wäre das, die Gott zu strafen hätte. Vom Augenblick, da sie sich dir schenkte, ist sie dein für immer. Trage sie auf Händen, laß sie nicht zur Erde gleiten, bis daß du nicht sicher, daß ihr Fuß nicht strauchelt. Kehre dich ab von allem, mein lieber Bruder ...«

Die Stimme des Abbé Mouret klang ganz verändert; man vernahm nur noch undeutliches Raunen. Seine Lider bedeckten die Augen vollständig, das Antlitz war tief erblaßt; er sprach in so schmerzlicher Ergriffenheit, daß sogar der lange Fortunat, ohne zu wissen warum, zu weinen begann.

»Er hat sich noch nicht erholt,« sagte Lisa, »er sollte sich noch nicht ermüden ... Sieh einer an, der Fortunat heult!« »Die Mannsleute«, schnurrte Babet, »sind weichherziger als die Frauenzimmer...«

»Schön hat er geredet, trotz allem,« sagte die Fuchsige abschließend, »diesen Pfaffen fallen tausenderlei Dinge ein, auf die nie jemand anderes kommen würde.«

»Scht,« fauchte die Teufin, die sich schon daran machte, die Kerzen auszulöschen.

Der Abbé Mouret stotterte weiter und suchte nach einem Abschluß.

»Dieserhalb, teurer Bruder, teure Schwester, müßt ihr leben im katholischen Glauben; er allein vermag dem Frieden eures Heimes Dauer zu verleihen. Eure Familie hat euch sicher in der Liebe zu Gott erzogen, euch angehalten, ihn morgens und abends anzubeten, auf nichts anderes zu vertrauen als auf die Gaben seiner Barmherzigkeit...«

Er sprach nicht zu Ende, wandte sich zum Altar und nahm den Kelch, den er gesenkten Hauptes nach der Sakristei trug, Vinzenz voran, der um ein Haar die Kannen und Tücher fallen ließ, um herauszubekommen, was Katharina hinten in der Kirche wohl unternähme.

»Oh, das Rabenherz!« sagte Rosalie, ließ ihren Mann stehen und lief zu ihrem Kind und riß es an sich.

Das Kind lachte; sie ordnete seine Windeln und drohte Katharina mit der Faust.

»Wäre es gefallen, hätte ich dir ein paar heruntergehauen.«

Der lange Fortunat schlenderte herbei. Die drei Mädchen verzogen spöttisch die Lippen.

»Jetzt kann er stolz sein,« zischte Babet den anderen ins Ohr, »der Lump! Die Taler des alten Bambousse hat er sich im Heu verdient hinter der Mühle ... Alle Abend sah ich ihn sich mit Rosalie davonmachen, an der kleinen Mauer entlang, auf allen Vieren.«

Sie lachten höhnisch. Der lange Fortunat blieb vor ihnen stehen und lachte noch lauter. Er zwickte die Fuchsige, ließ sich von Lisa Dummkopf schelten. Ein handfester Bursche war er, der auf die Meinung der Welt pfiff. Der Pfarrer hatte ihn verlegen gemacht.

»Hoppla, Mutter,« rief er mit seiner lauten Stimme. Die alte Brichet bettelte an der Sakristeitüre. Dürr und voller Wehleidigkeit stand sie da vor der Teusin, die ihr Eier in die Schürzentaschen schob. Fortunat schämte sich in keiner Weise. Er zwinkerte mit den Augen und sagte:

»Gerissen ist sie, die Mutter! ... Potzdonner! Wenn der Pfarrer schon Leute in der Kirche sehen will!«

Mittlerweile hatte Rosalie sich beruhigt. Vor dem Aufbruch fragte sie Fortunat, ob er den Herrn Pfarrer gebeten hätte, am Abend zu ihnen zu kommen, um das Zimmer zu segnen nach Ortssitte. So lief denn Fortunat nach der Sakristei, durchmaß das Schiff auf Poltersohlen, nicht anders, als liefe er über eine Wiese, kam wieder zum Vorschein und rief, der Pfarrer käme. Entrüstet über das Gelärm dieser Leute, die sich wie auf der Landstraße aufführten, schlug die Teuse leicht in die Hände und schob sie nach der Türe.

»Aus ist's,« sagte sie, »macht euch fort, geht an die Arbeit.« Als sie annahm, alle seien draußen, erblickte sie Katharina, zu der Vinzenz zurückgefunden hatte. Beide beugten sich besorgt über das Ameisenloch. Katharina stocherte mit einem langen Halm in der Höhlung, so eifrig, daß eine Flut erschreckter Ameisen sich über die Fliesen ergoß. Vinzenz meinte, man müßte bis auf den Grund kommen, um die Königin zu fangen.

»Ah, ihr Räuber,« rief die Teusin, »was macht ihr denn da? Wollt ihr die Tiere wohl in Ruhe lassen! ... Fräulein Desideratas Ameisenloch ist das. Wütend wird sie sein, wenn sie euch auf die Sprünge kommt!«

Die Kinder verschwanden eilends.


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