Christoph Martin Wieland
Krates und Hipparchia
Christoph Martin Wieland

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XXXVI.
Hipparchia an Krates

Du zweifelst, lieber Krates, ob ich mich nicht vielleicht täuschen könnte, wenn ich es für etwas so ganz gewisses nehme, daß die Liebe eines solchen Sonderlings, wie du, mich glücklich machen werde? Wie? ist denn das eine Sache, wobei es noch erst auf die Probe ankommt? Muß ich nicht am besten wissen, ob ich glücklich bin? Fordre, erwarte ich denn, daß du der Sorge für mein Glück das geringste Opfer bringen sollst? Oder hat von allen den Aufopferungen, die du mir zum Verdienst anzurechnen scheinst, auch nur Eine den mindesten Wert in meinen Augen? Verlange ich etwas anders, als mit dir und für dich zu leben, und dich glücklicher zu sehen, als du ohne mich wärest? Sei für mich unbekümmert! Mich macht die Befriedigung meines Herzens so glücklich, daß mir weder Gefühl für Entbehrungen, noch Wünsche für etwas Besseres, was ich nicht kenne, übrig bleiben.

Auf alle deine Fragen, die mit Kannst du anfangen – aber, sollte Krates diese Fragen in ganzem Ernst aufgeworfen haben? Sollt er wirklich noch ungewiß sein, wie ich sie beantworten werde? O! dann hätte mich der Gott in meinem Busen doch getäuscht! – Ich darf diesen Gedanken nicht aufkommen lassen, weg damit! – Auf deine Fragen also habe ich eine sehr kurze Antwort bereit. Alles was bei dir noch die Frage scheint, hab ich seit mehr als zwei Monaten schon ins Werk gesetzt. Ich wohne in der schlechtesten Kammer unsers Landhauses zu Marathon. Meine Kleidung ist zwar noch weiblich und ziemlich reinlich, aber so schlicht und zierlos, daß die Hausfrauen des weisen Sokrates und des tugendhaften Phocions in beiden Stücken schwerlich weniger tun konnten. An wohlriechendes Waschwasser, Rosenöl und kostbare Salben ist gar nicht zu denken. Ich weiß nicht, wie der weise Mann hieß, (oder warst du es etwa selbst?) der gesagt haben soll: ein Weib rieche immer gut, wenn es nach gar nichts rieche. Dieser Meinung bin ich auch.

Übrigens bediene ich mich, seit jener Zeit, in allem selbst, kleide mich selbst an und aus, und erlaube keiner dienstbaren Hand mich anzurühren. Alles, was an meinen Leib kommt, besorge ich selbst. Ich schlafe auf einer ziemlich harten Matratze, sechs bis sieben Stunden längstens, und bin gewöhnlich die Weckerin des ganzen Hauses. Alle Arten hausweiblicher Verrichtungen gehen mir flink von der Hand, und ich kenne keine so beschwerliche und niedrige, die nicht dadurch erleichtert und veredelt würde, daß man sie freiwillig und frohen Mutes verrichtet. Was meine Kost betrifft, so muß ich bekennen, daß alles was ich täglich zu mir nehme, nach hiesigen Preisen, leicht auf vier bis fünf Obolen kommen dürfte: du traust mir aber hoffentlich zu, daß ich, im Notfall, auch noch ein paar Obolen nachlassen kann; denn ich habe mir aus teuren Schüsseln und Leckerbissen nie viel gemacht. Auch schmeichle ich mir, du werdest, wenn du mich als Hipparchia zu sehen bekommst, an meiner stark ins Bräunliche schattierten Gesichtsfarbe, und an meinen derben rötlichen Armen deine Freude sehen. Sei also gutes Muts, lieber Krates, und verlaß dich darauf, daß ich nichts, was deiner Gattin würdig und anständig ist, für etwas halten werde, worüber ein edles Weib zu erröten hätte. Bist du nun mit mir zufrieden?

Den 3ten Boedromion.


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