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Die Stiere brüllten in der Nähe, die Pfauen schrien ihren mißtönigen Laut, bunt wandelnd auf dem bunten Teppich, ferne heulten die wilden Hunde, wie Menschen lachten Hyänen. Aber Nahar erkannte das Land: zurück in die Heimat der Freude, in den einstigen Tag kehrte das verstümmelte Tier.

In der geliebten alten Höhle, die breiten, gelb und schwarz geringelten Tatzen auf einen mächtigen Haufen zerfleischten Gebeins gelagert, mit weit vorgestrecktem Halse, funkelnd aus düster blitzenden Lichtern, ruhte der ewige Mann, der unverloren lebende Geliebte, der Vater.

Gebückt nahte Nahar, mit Mühe schritt sie dahin, um den hinkenden, hüpfenden Schritt zu verbergen, in den Schatten der ragenden Bäume preßte sie sich, das elende, büschelig bewachsene Fell zu verdecken, zu verhüllen die graue Veralterung des Jahres.

Sie rief ihn mit dem alten, lockenden Ruf, schon hob er sich, dehnte den edel gegliederten Leib, höhlte gähnend den Kiel des langgestreckten Rückens. Sie aber, ganz in ein kleines Bündel geklammert, hatte sich verengt, zitternd wie im Frost erwartete sie ihn demütig in der Stille: schon war er ihr nahe – selige Entzückung durchrieselte sie wie einst –, mit ihren Krallen fuhr sie wie durch zischendes Wasser ihm durch sein hohes knisterndes Fell, die schwarzen Streifen entlang, sie glitt dahin an den Rinnen seiner federnden Rippen.

Rote Wolken wogten um Nahar, die plötzlich hinsinkend, hinküssend noch einmal sich verlor in den süßbitter schwebenden Duft. Die Seele der schweißgebadeten Männer brach ihr entgegen aus seinen hell bebuschten Achseln, berauschend schwelte es aus der Bucht der Hinterpranken an ihr empor.

Langen rufenden Laut, heiser klagenden Gesang strömte ihre Kehle aus, wonnevoll erzitterte ihre Brust, grau durchsträhnt unter seinem golden kreisenden Blick. Vor dem Manne brach sie nieder in Lust, in der atemlosen Minute sog sie die kommende Umarmung tief ein bis zur Kehle.

Getröstet, wiederaufgenommen, auf gesommert noch einmal: Unbeschreibliches durchrann sie, im Takte hart und neu geschwellt, umfaßt war sie, begriffen, ergriffen. Nahar von einst, Nahar von jetzt, selig verzaubertes Tier.

Sie ruhte auf ihren niederen Pranken, glatt die schweren Knie, unerschütterlich. In Frieden. Nie verwundet. Nie zerfetzt und von Fliegen gepeinigt. Nie von Würmern gemartert. In Mädchenfreude schlug ihr Herz, als wäre es nie in nächtlicher Qual, eine gepeinigte Mutter, gekreist um den am blutigen Pfahle kreisenden Leib des geliebtesten Kindes, das in der finsteren Höhle des Aases jammervoll wehklagte.

In der bebenden Lust der schmerzeröffneten Jungfrau seufzte sie aus, als hätte sie nie die arme Erstgeburt wie ein gewichtloses Blatt zwischen ihren Zähnen zurückgetragen zur Höhle, wo sie jetzt die Umarmung des Mannes erwartete.

Wie selig, sich zu beugen unter die steinschwere Last seines Körpers!

Wie hold, sein Herz in ihrer Achsel zu fühlen. Wie weich war die Bürde, der bebende Himmel war niedergegossen auf sie. Herrlichste Wiederkehr ins Paradies der Tiere. Fernher dämmerte der Mensch, er aber war nah. Des Vatertiers holde Männerpranken schwebten mit festem Griff, um nie zu ermatten, an ihrer Lende. Über ihrem Haupte glimmerte das große Licht seiner runden Augen, die ruhig wandelnden Sterne, nie zu verlöschen.

Er, der große rettende Gott, hob sie aus dem Wolkenschatten des bösen Erinnerns zu sich. Sein Atem hauchte ihr zu. Vertraut, ohne Worte, ein Tier unter Tiere gelagert.

In der Heimathöhle war sie, im guten gesegneten Haus. Jetzt kam er, in ihr Inneres hinein schlang sich sein Mantel, in ihre verzauberte Seele glühte noch einmal seine Glut, in ihrem Blick spiegelte sein Auge.

Sie wandte ihm ihr ausgebreitetes Antlitz zu in sanft geneigter Biegung nach oben, sie zeigte sich ihm ganz nah, ob er sie erkenne. Mit sehnsüchtig geschlossenem Munde saugte sie das überschwere Fleisch seiner Brust, ob er das Streicheln ihrer Zunge noch wisse.

Er war es, der Ewige, der über ihr lastete, sie war es, die Ewige, die unter ihn sich schmiegte im Sehnen.

Eingemauert stand sie, in braunschimmerndes Gold gehüllt, zwischen den vier Säulen seiner niedrig gequaderten Glieder, stumm bot sie ihm ihren Schoß. Sein steinernes Geschlecht drang nieder in sie.

Heiß in rauschende Umarmung gestürzt, die schweifenden Tiere, die blutdürstenden Herzen, ein einziger Leib. Nahars in höchster Lust zuckender Kopf, ihre brechenden Glieder, ihre sinkenden Augen, alles vereinigt mit ihm, grenzenlos. Ein hoher, gleichströmender Schrei, so wogten ihre Stimmen, so pochte ihr Blut. Sie verschwand sich selbst.

Nicht mehr verlorene Mutter, nicht mehr verkrüppeltes Tier. Tief verzauberte Seele im letzten Rausch: so lebte sie in Liebe. In Strahlen brach es aus ihr: er aber, in purpurnem Schweigen, beglückte sie bis zur Vernichtung.

Feuriger Regen der tropischen Sonne. Glitzernde Funken. Grüngoldiger Schatten ergoß sich aus dem weiten gütigen Himmel über ihre letzte Vereinigung.

Die Tiere des Abends umschritten sie leise.


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