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VIII

Zur glücklichen Wiederkehr drängte sich die Mutter durch das buntfarbige windgeschüttelte Gebüsch. Wie Gesang, im Jagen verklingend, raste um sie, die ruhig stehende, der Kehllaut der gurrenden Kinder, die bald näherkamen, um mit freudigem Schnauben sie zu umwittern. Zwischen die winzigen, gold und schwarz geströmten Körper bohrte die Mutter, selig über ihre Wiederkehr, ihre großen, feuchten Nüstern. Sie rieb die Geschwister ab mit den Barthaaren, die ihr dicht die schmalen weißen Lippen umkränzten.

Zwischen die ragenden Säulen ihrer vier Glieder nahm sie die Jungen, sie baute sie ein in den Untergrund ihres königlich strahlenden Lebens, bot ihnen die Brust, die sie gierig schmatzend, eifrig einsogen, in gleichmäßig pochendem Zuge, gleichzuckend in dreifach einklingendem Takt mit ihrem Herzen, dem mütterlich strahlenden.

Im stehenden Glänze der hochragenden Sonne sanken sie zu dritt, gesättigt.

Trockener Laut flüsterte aus dem Busch: blitzschnell wandte die alte Tigerin ihr Haupt hin, schon schlug sie zu mit lässig massiger Pranke, in der Umklammerung ihrer schillernden Krallen drehte sich eine graue Ratte, in wütenden Schlägen ringelte sich, ein ohnmächtig sich windender Erdwurm, der dünne Rattenschweif um die ehern getriebenen Tigerklauen. Aus weißgezähntem spitzigem Maule jammerte an der Erde ein hochklagender Laut. In ihrer furchtbaren Angst, von Blut bespritzt, drängte die Ratte den Kopf vor, im Kreise rasten zwei schwarzglimmernde Augen, rings umgittert von den geschlossenen Krallen, gedeckt von der Kuppel der riesigen Tigerpranke.

Jetzt wandte sich das Auge der Mutter zum Kind: lockend löste die Alte die Tatze von der Ratte. Nahar erbebte: sich ganz auf das graue Tier zu stürzen, es zu zermalmen; Wonne weitete ihr die Mundwinkel aus, lebendig das graue Tier darin zu verschlingen, aus ihren Tatzen schlüpften Krallen: noch waren sie eingeankert in den toten Boden, zielsichernd starrte sie: sich ganz zu klammern in den Leib der fliehenden Ratte.

Hoch hob sich die Tatze der Mutter, erlöst entglitt das kleine Tier, befreit war es von der Gefangenschaft, kaum geritzt war der graue Samt des Felles, unzerbrochen die Knöchelchen, so fein. So fein zog die Ratte ihr Körperchen dahin, immer noch im Schatten der unbewegten Königstiere, in eilig trippelndem Lauf. Aber wie es auch raste, wie flink es die Gräser durchschnitt und als graugezückter Schatten dahinhuschte, dem grauen Schatten setzte Nahar nach, die junge Tigerin, feuerfunkelnd in lautlosem Sprung. In eiligster Flucht jagte sie; schon hatte sie es, schon krallte sie das Tier, versank in die atemlose Wonne der unentrinnbar ergriffenen Welt, der gegriffenen Beute. Mit den Pranken sie fest zu umarmen, wie vorhin den spielenden Bruder. Aber nicht spielenden Bruderlaut entließ sie jetzt aus der zitternden Kehle, sondern dumpfes Vaterdröhnen und Wut der beseligten Jagd.

Das Maul, die Zunge, der Bauch, eben noch mit Milch getränkt, mit Frieden gesättigt, dorrten jetzt, gepeinigt vom Durste nach Blut.

Bluttropfen zitterten auf den nickenden Gräsern, die Nahar mit ihren dunkel glühenden Augen erfaßte, während an ihrer Brust die Ratte unter unzerreißbarer Umarmung sich krümmte.

Still blickte die Mutter, ein unbewegter Berg.

An die schnell pochende Kehle der Ratte schmeichelten sich Nahars Zähne, glätteten sich an dem gleitenden samtenen Fell.

Still jubelnd, im Blutzauber beseligt, biß sie zu nach der grau zuckenden Frucht, riß die Zähne mit Mühe nur los, fühlte noch Leben in der Beute, schlug zum zweitenmal tiefer, löste sich ab im bebenden Schweigen, unter winkenden Zweigen. Und nun, im äußersten Krampf der Lust, zum Rasen erregt, die kleine Brust zum Bersten geschwellt, stumm warf sie sich hinein in die Tiefe des Körpers, um der Ratte die Lunge, das Herz zu zerfleischen: Leben zu töten. Blut und Luft in wonnevollem Wirbel wogten auf, Blut und Luft ihr ins Auge, das rot umblitzte, Blut und Luft ihr ins nackte, kühl aufgerichtete Ohr, Rauschen und Toben wie stürmendes Meer. Über der sterbenden Ratte, in allen Gliedern gelöst, ruhte schwer das blutselige Tier. Durch Nahars eng geschlossene Lippen bohrte sich der Blutquell, eine neue, herrlich streichelnde Zunge, von außen zwang sich nach innen die Wollust. Die sterbend zuckenden Muskeln schlugen ihr Herz, ihren Bauch, ihr aufbebendes Geschlecht.

Wie ein Liebesweib ruhte sie auf dem zerfleischten Tier. Weithin blickte sie, zwei Welten in einer zu genießen.

Aber schon erkaltete die Ratte, grau erstarrte ihr Fleisch, zu eisigem Schleim verhärtete sich das Blut.

Unter große Blätter, in den Schatten saftquellender Farne, über die Stiegen bunt gespannter Winden, jenseits von Mutter und Bruder, jenseits des feuchtschattenden Heimatbaumes, in eine eigene Höhle, sich selbst zur dunklen Freude, sich selbst zu letzter Sättigung schleppte Nahar ihre Beute. Mit den Krallen grub sie ein Loch in die Erde, die Ratte hier zu lagern, sich selbst darauf zu türmen. Dumpf knurrte sie, kochend in tiefster Lust.

Noch zitterte der tropische Hain, durch das Dunkel der weichgefiederten Farne brach Licht, des Nachmittags blendend hinabgegossene Sonne. Glimmernde Feuerflecken auf dem grell getigerten Fell: so ruhte sie auf dem Grabe des getöteten Tieres, ein Liebesweib auf blutigem Lager.

Schnell trocknete die Haut, die von Blut und Geifer der Ratte dunkel benetzt war. Die Nacht brach ein. Schwarz lag in der Schwärze des Bodens der Leichnam, lau erwärmt von ihr selbst. Wie ein Stück Erde ließ Nahar das Aas hinter sich, als sie im Trommeln des schweren Regens zur Mutter zurückglitt und zum schlafenden Bruder.


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