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VI

Nahar folgte dem seligen Ruf, sie ahnte die Freude der Berührung. Aus grünem Dunkel, aus dem Chaos der myriadenhaft wandernden Natur kam sie nachts endlich zur Wiederkehr, zur guten Begegnung: Tiger stiegen auf, mit Doppelblitzen funkelnde Augen, niederleuchtend aus feuerfarbigem, schwarz durchkettetem Antlitz. Weiße Lippen schnoberten den Boden entlang. In Nahars Fußspuren schlichen die Tiger, dann hoben sie langsam das Haupt, brüllten Ha-ub, den dröhnenden Hochzeitsgesang. Harzig heißer Atem wogte vor ihnen her, die in ihrem Sommer erglühten.

Je schwerer die Dämmerung, je tiefer die Nacht, desto dichter siedete der Regen durch die Bäume. Überallher erschienen im Heimatgelände fremde Männer. Sie warfen sich vom hohen Felsen weich herab, trabten vom Flußufer heran, kamen die gebahnte Straße vom Menschendorf, von allen Seiten Ha-ub brüllten sie ihr zu, schwollen an im brünstigen, aufwühlenden Schrei, bis die Erde erbebte. Über Nahars hingeducktem Leibe begegneten sie sich, denn sie stiegen mit ihren schweren Vorderpranken an ihr empor wie auf einer lebenden Treppe: Zischen und Fauchen über ihrem bebenden Nacken. Mit gezückten Pranken wie Ringkämpfer ineinander geschmiedet, wogten sie über ihr her, aber bald kollerte der kleinere besiegt, unterworfen herab, er lag auf dem Rücken, bot seine knabenhaft schwellende Brust dar, entblößt zitterte im Regen sein zartes Geschlecht. Während der Sieger, der ragende Mann, der große Vater in neuen Kämpfen sich umherschlug, schmiegte sich der kleine, der hilflose Bruder Nahar vor die Füße, er liebkoste mit demütiger Zunge ihren Leib, schmeichelte ihrem Schoß, aber schon brach wie ein krachend stürzender Strom der Gewaltige in seinem rauchenden Zorn zurück, er erraffte den schwachen Feind mit unbarmherziger Wut, er zerstampfte den kraftlosen Sohn unter sich.

Heulen und Brausen, Wirbel und Blut. Es hob sich der Mond breit und weiß über den gefiederten Baum, von dem die letzten Tropfen des Regengusses sich lösten. Am Grunde des Stammes, auf nackten, gewundenen Wurzeln, ruhte das Weib.

Mit düster blitzenden Lichtern raste rings im Kreise der Vater. Sein bleischwer geschleuderter Schweif riß Furchen in Erde und Laub, im Spiele peitschte er das ruhende, lockende Weib. Noch nahte er nicht, denn vom Felsen herab schmetterte ein neuer Feind, dem Vater gewachsen, ein mächtiges Urtier, furchtlos. Sie verbissen sich mit einem Schlag, hatten die furchtbaren Hauer wie Anker in die Halshaut gegraben. Sie begannen den wütenden Kampf, als wären sie nicht Tiere einer Art, sondern Büffel und Tiger, Feinde, Fraß, Beute.

Im Kampfe waren sie vereinigt, wie von einer Zange zusammengeschlagen zu einem brüllenden, bluttropfenden Koloß. Wilder Männerhauch dunstete wie Ölschwaden süßbitterlich aus der Schlucht ihrer Hinterpranken, auf acht Beinen stampften sie, zwei Köpfe mit weißen Hauern, mit rotem glühendem Maul klirrten aneinander wie Erz. So wälzten sie einander hinein in das krachende Dickicht. Ein ungeheurer Schmerzensschrei gellte und verklang in verzweifeltes Keuchen, bittendes Weinen.

In der Gewittersonne des stürmischen Aufgangs wogten die Schatten fahl und schwarz, schlugen die Wellen durchs krachende Unterholz.

Sie erhob sich, von Blutduft geblendet. Salziges Blut klebte am Boden, Bruderblut, Vaterblut. Nachschleichend der männlichen Spur, leckte Nahar das Blut.


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