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VIII

Gesättigt vom Menschenblut, gekühlt vom Regen, umduftet vom schweren Sandelholzduft, ruhte Nahar im weichen Gezweig, sie schlief, bis der Sturm verrauschte, bis der brausende Tag niedersank in die klare Nacht.

Gleißender Mondschein. Totenstille Wildnis, auf Beute lauerte das Tier. Fernher kam Musik, tiefes Singen der Luft. Trommeln dröhnten dumpf vom Boden her. Menschen schritten mit Fackeln, Trompeten bliesen. Kupferklang. Zimbeln klirrten, breite Hände, aus Kupfer geschmiedet, paukend aneinandergerissen.

Nahar fürchtete den Menschen nicht mehr. Menschenfleisch lag in den Winkeln ihrer Zähne, zwischen den Höckern des zermalmenden Gebisses, in der beruhigten Kehle haftete noch der gute Duft, in ihrem ruhig schlagenden Herzen war der Mensch gespiegelt.

Das Licht der Fackeln stieg aus der rußenden Flamme, es wehte rotdüster aus dem hitzekrachenden Holz. Silber träufelte herab vom hochwandernden Mond der klaren Nacht.

Vor Nahars großem Antlitz gingen die Menschen, schulterbeglänzt, weichen Schimmer um die feuchten Lippen.

Nahar lauerte auf die große, gespenstische Gestalt, den Fürsten inmitten seiner Schar, aber nirgends leuchteten seine weißen Geschwüre, nirgends erschien sein bleicher, weißer Blick.

Furchtlos warf sie sich jetzt unter die Herde. Wie zum Spiel, um das Rudel auseinanderzuscheuchen, um das Gewimmel der Menschen zu zerfegen, jagte sie vor aus dem aufzischenden Dickicht, schon erscholl ihr ins glückselig bebende Ohr der hohe, süß lockende Menschenschrei, zwischen den Bäumen verrannen die Fackeln, in kleinen Haufen stäubten die Gejagten dahin, gebückt unter Zweige und Dornen. Nahar, in gewaltigen schiefen Sprüngen, ein hoch hinschnellender Bogen, setzte in lautlosem Flug hinter ihnen allen her.

Ein blühendes Mädchen blieb zurück, verfangen im Gewirr. Die schlanken Schenkel glimmerten, mit glimmernden roten Tüchern war die schwellende Hüfte wulstig umschlungen, an ihren feinen Knien rann Blut schwarz herab.

Wie es auch keuchte aus gesenktem Kopfe, die niedrige, glänzende Stirn vorwärtsstieß, die mit einem heiligen Kreis weiß gezeichnet war, wie es mit den kleinen, weichen, dunklen Händen weiter vorwärts sich krampfte, es konnte sich nicht retten, die Nägel, licht wachsend aus dem bräunlichen Fleisch, glitzerten zwischen den Zweigen, von den letzten Funken der verschwindenden Fackeln wie vergoldet.

Nahar setzte in herrlichem Tiersprung ab von der Erde. Hoch gespannt, zwitschernd in silbernem Laut, überflog sie den Körper des Menschen. Als sie in seliger Ruhe herabschwebte, zog sie das bebende Mädchen ganz unter sich. Mit allen Pranken zwängte sie die dunkle warme Gestalt an ihr graues Fell.

Es glühten die großen Augen des Mädchens, feurig im schwarzen Flusse wie Teer. Zusammengekrampft der kleine himbeerfarbene Mund, heraufgerissen in vielen Falten die niedrige Stirn an das metallisch funkelnde Haupthaar. Starr vor Schrecken, stumm, fast entseelt. Noch atmete es, streichelte Nahars struppiges Gehänge mit seinen ausgereckten Fingern, verloren seufzte es hin, niedergeworfen unter der ungeheuren Last.

Weit krümmte sich die Jungfrau auseinander. Die Brüste, die festen dunklen Hügel, reckten sich, glühend in Angst. Ihre zarten Knie raffte sie, verzweifelt sich schützend, eng an sich, dem Tiger streichelten sie die Kehle. Ihre zitternden Zehen, dunkle Knospen, verfingen sich in dem weißen Nebelhof, der um die breiten Wangen der Tigerin lohte. Im Wirbel wand sich das schwellende Geschöpf unter dem hageren Leibe des Raubtiers. Endlich ruhte es still: aufgerissen hielt das Mädchen die tierhaft finsteren Augen, die ohne Grund und Ufer in Schwärze versanken. Gerunzelt die vollen, himbeerfarbenen Lippen: ohne Furchen war jetzt die breite ebene Stirn. Auf ihrem langen dichten Haar ruhte sie wie auf schwarzem Kissen. Der Kreis auf der Stirn, der blendende Kalk, die fein gezeichnete Rune verging noch nicht: weiß eingegraben im Mondschein.

Mit einem Prankenschlag riß die Tigerin dem Mädchen den starren Kopf in eine einzige klaffende Wunde, dann warf sie, ein schnellendes Spiel, den Körper vor sich hin, es bauschte sich die rote Seide, süß raschelnd um die weichen Hüften des Mädchens, schon jagte Nahar ihm nach, lockte es mit hoher Stimme, aber die auf zuckenden Glieder bedeckte sie bleischwer mit ihrem Leib, jede Regung erstickte sie mit tiefem Knurren, unter dem die Erde erbebte.

Ferne riefen sie Stimmen in menschlichem Flehen: aus dem Munde kam heiseres Stöhnen. Nahar schlug eine neue Wunde. Sie brach dem schon regungslosen Mädchen die kernige Brust fort, als wäre es ein Stein über einem rauschenden Quell.

Schon war das Auge des Mädchens erstarrt zu schwarzem Kristall, fortgeronnen war jetzt der weiße heilige Kreis von der niedrigen Stirne, das Gesicht fiel nieder: ein in Zerrissenheit ruhendes Gebirge. Weiß blinkten die durchfurchten Schluchten im letzten Odem, im letzten Gebet. Die schweren Arme hielt der Mensch ausgebreitet, weit geflügelt.

Aber aus den zertrümmerten Rippen hervor pochte noch steigend und fallend ein Herz.

Stumm das Tier, auf die schwellenden Schenkel des Mädchens gelagert, von roter Seide gestreichelt, vom Blute warm unterströmt. Stumm das Mädchen, an dem das Herz allein noch lebte. Ohne Sprache der Mund, ohne Atem die üppige Kehle. Der rote Glanz innen im rauschenden Dunkel der Brust hob sich ohne Ermüden, schlug weich an die Wände.

Tiefe Nacht. Frösche quakten, laut tönte das Trillern der Zikaden. Die hohen Halme des Alang-Alanggrases zitterten. Durch die Nacht jagte Kalong, der Vogel mit Fledermausflügeln. Die Nachtvögel tönten dumpf von den Wipfeln der Bäume. Schwer wehte warme Luft, von Feuchtigkeit gesättigt. Der Mond ging auf.

Als im sinkenden Mond schimmernde Nebel aufstiegen aus dem Sandelholzwalde, wehende Grundwolken vom leise ziehenden Flusse sich hoben, am Rande durchhaucht vom blau dämmernden Licht, da riß der Tiger das zerfetzte Tuch von der Hüfte des Mädchens. Aus der nackten Lende, die in holder Rundung schwebte, saugte Nahars Zunge erst den Schildkrötengeschmack des salbenden Öles, dann aber das herrliche Blut.


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