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II

Auf den schwarzen Augen des Büffels sammelten sich, wie Vögel auf einem nächtlichen Sumpf, Myriaden von raunenden Fliegen. Hoch auf starrte sein verrenktes Haupt in die morgendlich silberne Luft. Aus blauer Höhe senkten sich gelbe Geier, breitgeflügelt schwebten sie nieder in lautlosem Fluge, eine dämmrige Wolke. Der Tag war verfinstert, das helle Rot des Blutes, ausfließend aus dem zerrissenen Stierhals, war dunkel, begraben.

Fern am Saume des Waldes flohen Rudel von Antilopen, eine braun- und milchgesprenkelte Herde, schnellend in lautlosem Galopp über die Wiese, in grünem Gebüsch bald zu versinken.

Stumm, feuerfarben, gerollt um sich selbst, ruhte der Tiger.

Die gierigen Geier beschatteten nicht die unzerstörbare Glut seiner seligen Kraft, die fliehenden Rudel der Rehe lockten ihn nicht von seinem Platz. Das kleine Tier umschlich den Leichnam, den hochgetürmten schwarzen Berg.

Gewaltiger war Nahar als der Gewaltige, durch nichts zu besiegen. Ohne Furcht, ohne Beben.

Um ganz das Tote zu besitzen, um sich völlig zu sättigen an der bergehoch getürmten Speise, schleppte sie den Büffel fort. Angespannt hielt sie ihre kurzen, eisernen Muskelstränge, wie mit Erz panzerten sich ihr die gekrampften Lenden, die aufgestemmten Hinterkeulen. Aber am zerfleischten Vorderkörper fand sie keinen Halt, an den Hinterkeulen packte sie sicherer an. In die Gegend der Scham bohrte sie sich fest, in die Aderngestränge verflocht sie sich, die wie Äste starrten. Schon gab ihr der Berg nach, schon folgte er, schwer schwankend, ihrem eisernen Zug. Durch eine Lücke des Gebüsches schleppte sie die Last, leichter mit jedem Augenblick. Die Hufe des Büffels legten sich nach innen, auf dem Rücken lag der Geendete, die Schenkel gelöst, schlaff der Hals, gestürzt zu liegender Ohnmacht, umstreichelt von Zweigen, so schleifte er hinter ihr her. Sein verrenktes Haupt sank zurück, als letztes folgte es der feuerfarbenen Kette. Die schwarzen Augen spiegelten den Himmel, wie auf ebener Bahn glitt der Büffel ins offene Land, umwirbelt vom Schatten der gelben Geier, Fliegengeschmeiß umschwirrte ihn dicht. Feuriger Regen der tropischen Sonne. Blitzende Funken. Grüngoldiger Schatten rieselte nieder auf die schwarze Leiche und auf das goldene Raubtier. Schon war der Büffel in Nahars Heimatgebüsch, nahe dem guten Heimatbaum, der ruhenden Stätte der Kindheit.

Mit den Tatzen zerlegte der Tiger den Hinterleib der Beute. Er wich nicht von der Grube, die seine Zähne gegraben, Schicht um Schicht, zähnetief und tiefer gelagert, eine Grube von Süße, eine Höhle von Fleisch, uferlos, ohne Ende. Jetzt war Nahar gesättigt, aber um sich auch satt zu fühlen am zermalmten Raub, um ihn noch mehr in sich zu empfinden, preßte sie ihn wilder an sich, in den hohlen Raum zwischen ihren Pranken, in den hohlen Raum zwischen dem Gebiß, in den hohlen, hungrigen Raum zwischen dem Geschlecht, das sie im Reitsitz aufgepreßt hatte auf den wollüstig erbebenden Nacken des ungeheuren Mannes: noch jetzt fühlte sie ihre Lende beleckt von der demütigen, todesermatteten Zunge. Noch glitt sie selbst hin über den Hügel von Tod, sie strich hin über das Innere, das, von Blutquellen überrieselt, in der Sonne vertrocknete, machte es glänzen, scheuchte die Fliegen, stieß es an, machte es leben, um es nochmals zu töten: furchtbar riß sie an dem Blut ausdünstenden Berg, schleuderte Stücke heraus. Nicht für sich. Die Geier rauschten herab, mit den krummen Schnäbeln, mit den raffenden Krallen nahmen sie die schwarzen Trümmer auf. Durch die Luft wurden Stücke des toten Stieres getragen.

Die Vögel stritten miteinander, schlugen einander mit wütendem Geschrei, während sie die Brocken zu kleinen Fetzen zerhackten. Ruhevoll stand das Tigerweib, ins letzte gesättigt. Nur Durst erfüllte Nahar. Nicht nach Blut. Sie hatte ihre Lust bis zum letzten gestillt. Mit schwebendem Schritt ging sie durch den vergilbt gleißenden Morgen zum Fluß.

Blau spannte sich das gleitende Gezelt, mild flutete es um die Tigerin, eine Heimathöhle von Labung, eine Kühlung ohne Ende. Mit der Schaufel ihrer Zunge schöpfte sie sich Wasser in den Mund, gurgelte es in der kleinen Kehle, die unter dem weißen Flaus ihres Halsfelles zitterte. Der Durst war gelöscht. Bis zu Ende getrunken die Labung. Den runden Kopf schmiegte Nahar zum Wasser, die Augen schloß sie ohne Angst, die Unbesiegliche, tief in den Strom tauchte sie das runde Haupt, in zeitlosem Ziehen rauschte an ihr Ohr die Welle. Sanftes Streicheln, zwitschernder Flug, Finsternis, Ruhe. Dienend ihr zu Füßen der Strom.


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