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Große Vögel, in blau schimmerndem Glanz zwischen regenschwarz quellenden Blättern, Flügelfedern mit Gold bestreut im dämmernden Wald: Pfauen nickten vorbei, schüttelten die Kronen, die grauen winzigen Fächer, nahe am Lager der träumend versunkenen Tiger.

Im Halbschlaf hörte Nahar, wie sie vorübertrippelten, wie sie ihren rauhen Laut hingurrten. Schon erwachte sie, erhob sich, um ihnen zu folgen, die winkten und nickten mit den schlangengleich schillernden Hälsen, mit ihren fächerförmigen Krönchen.

Mitten unter den Schwarm schlich es lautlos, das winzige Tier, durch Blätter gedeckt. Noch war Nahar umdunstet vom Duft des eigenen Leibes im Schlaf, süß schmeckte ihr Mund, noch gefüllt vom gestrigen Blut und vom nächtlichen Kuß. Der rauhe Liebesruf der balzenden Vögel umraunte sie von allen Seiten. Sie beugte den Kopf unter rosenfarbene Zweige, das Flügelschlagen der Pfauen scheuchte Blüte auf Blüte, die Enden der munter wippenden Pfauenfächer streiften ihr den lauernden Nacken, aber noch hielt sie sich, noch rührte sie sich nicht; nichts rührte sie: ruhige Wonne, die Jagdbeute in Scharen unzählig um sich zu fühlen, in ihrer Mitte zu schreiten, unsichtbar die Waldwiese im Kreise zu durchgleiten.

Am Saume des blaudämmernden Hains wimmelte das Rudel von Pfauen, gespreizt schleppten sie ihren prangenden Spiegel, versprühend ein goldenes Gewölk. Ohne Grenzen war die Welt gefüllt mit Nahars Speise.

Im Spiel faßte sie zu, packte die Klaue eines Vogels, wie sie war, mit Schuppen gedeckt, mit Nägeln gepanzert. Mitten in dem mißtönenden Schrei riß sie den Pfau an sich, erwürgte ihn schnell. Laut schrien die erschrockenen Prachtvögel, Nahar hörte es nicht. Sie sank nieder an der großen Beute. Zartes Geriesel der Federn, tönende Tropfen von Blut auf dem Boden. Mit langhin spielender Zunge schlürfte sie die Tropfen ein, die noch an ihrem Fell klebten. In Verwirrung flatterten kreischend die Pfauen empor, in niedrig zuckendem Fluge.

Ungesättigt warf sich Nahar mitten in den buntfarbigen Knäuel, so leicht war ihr Sprung, so zart ihre Last, daß ein Vogel sie einen Flügelschlag weit mit sich emporführte hoch in die Luft des tropischen Haines, die durchblühte, von Insekten glitzernd durchschwirrte. Den Kopf auf das zitternde Polster des Flügels gelehnt, eingebissen in die heiße Höhle seiner Achsel, so glitt der Tiger mit dem Pfau durch krachende Zweige zurück auf den strotzenden dunklen Boden.

Stürmisch wogte das Gefieder, Wind erhob sich, rauschende Kühlung wehte von oben auf das junge Tigertier, das im Grunde geballt dalag. Des Vogels kleine Hirnschale knackte Nahar, seinen weggekrampften Hals zerbiß sie, durch das feuchte Federgewimmel strömte ihr Blut in den Mund, heißer als das Rattenblut, ein glühender Quell. Noch wehte der Wind der verzweifelten Schläge des Fittichs, da rissen Nahars Zähne lange Furchen in den Leib, durch die Furchen vergrub sie ihr Haupt, mitten in den aufgerissenen Tierleib tauchte sie unter und versank geblendet.

Ohne Besinnung, ohne Bewegung, unbeseelt, selig.


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