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VIII

In Ruhe lagerten sich Nahar und der Vater. Lange leckten sie einander die Köpfe, die Zähne berührten sich in silbernem Klirren. Verschlungen zu einer Umarmung glühten sie in der weiten Ebene, von Sonne gefüllt, am himmlischen Hochzeitstag.

Jetzt badete er in weichem Sommersand, er streckte die Pranken von sich, über seine großen Augen hielt er seine rosa schimmernden Lider gebreitet. Er schlief. Von der Seite faßte ihn Nahar im Scherz, spielend nahm sie ein Polster seines ohnmächtig schlaffen Fußes ins Maul, nun schleppte sie ihn wie einst den zerfleischten Büffel, den rücklings liegenden Leichnam nach ihrem Willen über den sandknisternden Hügel. Aber jäh glitt seine Pranke aus ihrem Mund. Mit einem Satz erhob sich der Mann. Er schwang sich durch die Luft in jauchzendem Sprung, ein schwarzgoldener Bogen schnellte gegen den Wald, von krachendem Buschwerk umgrünt, so entschwand er ihr.

Wie sie ihn suchte, wie sie ihn lockte, hold und weh streifte der zitternde Laut ihre kleine Kehle. Abends kam er zurück, mit Speise, mit Freude beladen für beide. Sie zogen dann langsam zum Wasser, beugten den Kopf in die blau gleitende Flut.

Antilopenherden schwebten in der Ferne, auf Mondwiesen weideten sie.

Still tranken die Tiger, die ruhenden Seelen, im Wasser gespiegelt.

Ebene und Berg, dürrer Knistersand, feuchte Niederung, schilfreiches Ufer, vorüberwandelnde Welt, alles rauschte vorüber an ihrer festen Vereinigung: kein Allein mehr, Nacht für Nacht, Tag für Tag. Der Mensch weilte weit hinter ihr, die hineinschritt in die hundert Tage der aufgehenden Mutter.

Endloses Leben. Geliebtes Haupt mit weißflaumiger Wange, unter breit gefiedertem Bart, wie oft zitterte sein Haar, sein Mund in die nackte Muschel ihres lauschend aufgerichteten Ohres! Nackt war sie ganz. Alles war Geschlecht. Eben war die Blume ihres Schoßes aufgeblüht, noch war sie durchdrungen von seiner hochpochenden Umarmung, nackt war ihre Brust, die seine schweren Pranken umklammerten, um sich, zu einem Ring geschmiedet, wieder zu begegnen an ihren Eutern.

Hundert Tage des Sommers: regenlose Glut, segensreich quellende Liebe, tragende Mutter. Nächte, in unendlicher Begattung vereint, ohne Schlaf, ohne Traum, ohne Töten, ohne Tod. Morgen, das Licht nach dem Dunkel, die Wanderung der jagenden Tiere nach dem Ruhen im Hause, dem nie vergessenen. Allmählich entsommerte die blühende Natur. Die ersten Wolken bedrückten den schweigenden Himmel. Schwer folgte Nahar dem Manne aus der gesegneten Höhle ins freie Feld. Süßbitter schwelte der Duft des Männerschweißes vor ihr her. Lastend schleppte ihr Leib nahe dem Boden, gebeugt wanderte das Tier, ermüdet am Morgen, geblendet vom schwülen, blassen Glanz.

Auf den nickenden vertrockneten Gräsern sah sie weiße Tropfen, aus ihrer Brust regnete in Reihen Milch herab. Sie leckte die Tropfen, langsam kehrte sie zurück den Pfad unter den zitternden Alang-Alanggräsern in der ausgestorben schweigenden Hitze. Fern blinkte des Mannes mächtiger Leib, der Schatten goldbraun und schwarz, die silberne Wange, gehoben über die Dornen, immer auf der Jagd nach fliehendem Wild.

Sie aber dämmerte, still wie ein Baum. Tief im Schlaf. Ihre Adern waren alle gesänftigt. In ihrem Leibe pochten die Glieder der Brut.

Nahar, schwellend befruchtetes Leben.

Unaussprechbares Staunen. Atemlose Beseligung. Nahar, im Erwachen, eine erwachende Mutter.


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