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Sechzehntes Kapitel.

Im Auftrage seiner Hoheit, meines gnädigsten Herrn, beehre ich mich die folgenden Zeilen an Ew. Hochwohlgeboren zu richten.

Se. Hoheit haben Ihre, immerhin noch kurze, aber desto rühmlichere schriftstellerische und dichterische Laufbahn mit dem größten Interesse und stets wachsender Befriedigung verfolgt. Ihr erster Roman, Ihre Gedichte, die dann folgenden Novellen sind nach der Auffassung Sr. Hoheit ebenso viele Etappen auf dieser Bahn zu einem Ziele, das Sie sich hoch gesteckt haben, aber zweifellos erreichen werden. Se. Hoheit wissen nicht, ob Sie von Seinen eigenen dichterischen Versuchen – ipsissima verba Serenissmini – je Notiz genommen; meinen aber, daß ein gewisser kongenialer Zug in jenen und Ihren Produktionen unverkennbar sei. In dieser Ansicht haben Se. Hoheit auch die Anfechtungen nicht erschüttert, die Ihr letzter Roman: »Tagelöhner und Poet« erfahren hat. Se. Hoheit befehlen mir, Sie des letzteren noch ganz besonders zu versichern, und daß Sie der Hoffnung leben, es werde noch immer Richter in Berlin geben.

Aber ob dies nun der Fall, oder nicht, Se. Hoheit wünschten Sie daran erinnert zu wissen, daß Ihre Lande stets ein Asyl für die freie Wissenschaft und Kunst gewesen sind. Se. Hoheit möchten sich aber nicht auf diese bloße Erinnerung beschränken, sondern der Aufforderung zu derselben einen bestimmten Ausdruck geben und geruhen zu diesem Zwecke und in dieser Absicht, Ew. Hochwohlgeboren das Amt eines obersten herzoglichen Bibliothekars mit dem Titel »Hofrat«, freier Wohnung in dem hiesigen Bibliothekgebäude und einer Renumeration anzutragen, über deren Höhe Se. Hoheit Ihre etwaigen Vorschläge gern entgegennehmen werden. Es würde nicht nötig sein, meinten Se. Hoheit, daß Ew. Hochwohlgeboren Ihre ganze Zeit dem in der That nicht lästigen Amte widmeten; hoffen und wünschen vielmehr, es werde Ihnen aus diesem Arrangement für Ihre poetischen Arbeiten eine reichlichere Muße zuwachsen, als über welche Ew. Hochwohlgeboren jetzt verfügen.

Se. Hoheit erwarten Ew. Hochwohlgeboren freudige Zustimmung zu den obigen Propositionen mit um so größerer Zuversicht, als diese Zustimmung von einem Landeskinde erhofft wird, dessen Vater bereits in Diensten Sr. Hoheit gestanden hat und jedenfalls noch stehen würde, hätten ihn nicht Umstände, die Se. Hoheit nachträglich tief beklagen, in die Fremde getrieben. Schließlich haben Hoheit mir befohlen, als ein besonderes Zeichen Ihrer Gnade und Huld, Ihre Photographie mit höchst eigenhändiger Unterschrift diesem Schreiben beizufügen.

Ew. Hochwohlgeboren               
ganz ergebenster          
Schneckeberg,     
Geheimer Kabinettsrat.«

Justus fand diesen Brief vor, als er von dem Besuch bei Sibylle nach Hause kam. Noch den Klang von Sibylles weltentsagenden Worten im Ohr, wollten ihm die Zumutungen, die hier an ihn gestellt wurden, als die reine Ironie erscheinen, und so sagte er zu Eberhard, der eben von oben aus dem Krankenzimmer kommend, bei ihm eintrat. Eberhard überlas den Brief mit großer Aufmerksamkeit und sagte:

Ich verstehe nicht, lieber Justus, wo hier die Ironie stecken soll. Will Komtesse Sibylle durchaus schon auf Erden eine Heilige werden, mag sie das in Gottes Namen; aber ich wüßte nicht, wie Sie es abhalten kann, etwas anzunehmen, das Ihnen mit so viel Delikatesse geboten wird, und wonach jeder andere mit beiden Händen greifen würde. Und geht Ihnen wirklich die Sache, wie ich ja von Ihrem Standpunkt begreife, ein wenig gegen den Strich – denken Sie an Ihre Frau, um derenwillen ein Mann wohl ein Stückchen seiner Überzeugung opfern darf, wenn er ihr damit die größte Freude bereitet. Von dem letzteren bin ich überzeugt. Sind Sie es nicht?

Ganz gewiß bin ich es, sagte Justus; aber jetzt dürfen wir ihr sicher nicht mit solchen Dingen kommen.

Umgekehrt, erwiderte Eberhard. Eine freudige Aufregung kann ihr nur gutthun. Ihr immer geschäftiger Geist braucht stets neue Nahrung, und diese ist wahrlich besser, als die Grillen, die jemand, der schon wochenlang das Bett hütet, nur zu leicht fängt.

Und die sehr deutliche Anspielung auf meinen Preßprozeß, von dem sie bis jetzt keine Ahnung hat? fragte Justus.

Auch das geniert mich nicht, entgegnete Eberhard. Einmal ist die Anspielung gar nicht sehr deutlich, sondern so diskret, daß Ihre Frau sie kaum verstehen dürfte. Und versteht sie sie, so kann es eine schicklichere Vorbereitung auf eine Mitteilung, die ihr möglicher- und wahrscheinlicherweise doch gemacht werden muß, nicht geben. Oder wie könnte die Pille besser versilbert werden? Hören wir Marthes Meinung!

Marthe, die Eberhard noch etwas fragen wollte, kam gerade durch den Salon, zu dem die Thür offen stand. Justus bat sie einzutreten und trug ihr den Fall vor. Sie antwortete ohne Besinnen:

Ich bin entschieden dagegen. Ich spreche es ungern in der Gegenwart des Herrn Doktors aus, aber ich muß es jetzt: ich kann mich nicht davon überzeugen, daß Isabels Kräfte in beständigem Wachsen sind. Es ist ein paar Tage lang der Fall gewesen, seit vorvorgestern nicht mehr. Es wäre lächerlich, wenn ich mich gegen die Autorität des Herrn Doktors auflehnen wollte, ich kann nur meine Überzeugung aussprechen: ich möchte die Verantwortung nicht auf mich nehmen.

Also dann auf meine Verantwortung! sagte Eberhard etwas gereizt.

Justus war Eberhards Ansicht. Er wußte bestimmt, daß der Brief Isabel große Freude machen würde, und von der Sorte, welche tötet, war diese doch gewiß nicht.

So las er Isabel denn, nach einer scherzhaften Einleitung, das Schreiben vor und bereute es, sobald er es gethan. Eine lebhafte Röte war in ihren Wangen aufgeflammt, und ihre großen Augen glänzten wieder wie im Fieber.

Aber das ist ja köstlich, Sonntagskind, rief sie, das ist ja magnifique! Ich bin schon immer in Verzweiflung, daß Du nicht wenigstens Doktor bist; aber Hofrat ist in meinen Augen hundertmal besser. Du wirst einen prächtigen Hofrat abgeben mit Deinen siebenundzwanzig Jahren! Und einen Hofmann! Laß mich nur machen! Um mich brauchst Du nicht zu sorgen. Feen gehören in den Mondscheinwald, oder in fürstliche Säle. Und Mondscheinwälder giebt es da unten in dem schönen grünen Lande auch. Ach, Sonntagskind, wir werden so glücklich sein!

Ihre Aufregung war nur noch gewachsen; Justus war in Verzweiflung; aber zurück konnte er nicht mehr. Er konnte nichts, als zu allem, was das holde Geschöpf so phantasierte, ja sagen.

Und nun hatte sie gar die Photographie, die er mit dem Briefe heraufgebracht, zur Hand genommen und rief:

Sonntagskind, Sonntagskind! Das ist ja Dein Vater, wie er leibte und lebte! Bei Gott! Denke Dir den Herzog in der grünen Jägerjoppe Deines Vaters, und der Förster ist fertig; Deinen Vater in dem Frack hier mit der Rosenknospe im Knopfloch, so ist es der Herzog. Sonntagskind, es ist, wie ich immer gesagt habe, und Du nie hast glauben wollen. Ja, mein Prinz, machen Sie Ihre großen Augen auf, so weit Sie wollen! Sie sehen Ihrem Herrn Großvater dann nur noch um so ähnlicher. Ich möchte den Herrn Großvater küssen und ich werde ihn küssen, so wahr ich Isabel heiße. So, Großpapa, werde ich sagen, zum Lohn dafür, daß Sie sich endlich auf Ihre Pflicht besonnen haben, wie sich für einen Großpapa schickt, zumal wenn er Herzog ist, und einen Enkel, und der Enkel die kleine Isabel zur Frau hat. Sie ist sehr bescheiden, die kleine Isabel, aber unter einem Grafen für ihr Sonntagskind und dem obligaten Schloß kann sie's wirklich nicht thun, wenn sie selbst auch bei der Gelegenheit zur Frau Gräfin und Schloßherrin werden sollte. Also nur keine langen Umstände, Großpapa Herzog! nur heraus mit dem Grafenbrief, den Sie da in der Fracktasche haben, und dem Schloß, das da hinter dem Berge liegt! Wie sagten Hoheit, daß das Schloß heiße: Feenburg? Sehr gut! Graf Justus und Gräfin Isabel auf und zu Feenburg. Sehr schön! Hoheit Großpapa, ich bin mit Ihnen zufrieden.

Und immer tiefer röteten sich die Wangen und immer heller glänzten die großen Augen. Justus dankte Gott, als jetzt Marthe wieder hereintrat, in deren Gegenwart Isabel doch ihre Phantasien nicht weiter spinnen konnte.

Wirklich wich auch die Röte von ihren Wangen, in ihren Augen erlosch der Fieberglanz. Aber ein Lächeln schwebte noch um ihre Lippen, als sie, in das Kissen zurücksinkend, murmelte: das war eine glückliche Stunde.


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