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Zweites Kapitel.

Eine unangenehme Überraschung hatte die Heimkehrenden erwartet.

Als sie ihre Wohnung betraten, fanden sie wohl die beiden Mädchen vor, welche Isabel auf ihrer Durchreise durch Berlin vor fünf Wochen gemietet hatte, aber nicht Base Anna und nicht die Möbel, die in der Zwischenzeit von Schönau nach Berlin zu schaffen und in der Wohnung, wie Isabel es genau angeordnet, aufzustellen, Base Annas Auftrag gewesen war. Die erst vor ein paar Stunden eingetroffenen Mädchen wußten keinerlei Aufklärung zu geben. Sie hätten die Wohnung verschlossen gefunden und sich vom Portier aufschließen lassen müssen. Der Portier wurde herbeigerufen. Er hatte hinten in dem weitläufigen Garten zu thun gehabt und die Herrschaft nicht vorfahren hören, auch trotz der gegenteiligen Aussage der Mädchen nicht geglaubt, daß sie heute kommen würden, da Frau Krüger auf das Bestimmteste behauptet habe, sie würden noch eine Woche länger ausbleiben. Frau Krüger sei ausgegangen, käme aber gewiß bald zurück.

Base Anna kam nicht sobald zurück, und die Herrschaften hatten reichlich Zeit, sich nach dem Verbleib der Möbel zu erkundigen. Neues Staunen von seiten des Portiers. Frau Krüger habe ihm einen Brief der gnädigen Frau gezeigt, in welchem die gnädige Frau befohlen, daß die Möbel aufpoliert werden sollten. Isabel hatte vom Norderney aus wirklich Base Anna so geschrieben; aber es hatte sich nur um einige besondere Stücke gehandelt und sie geglaubt, daß die Arbeit in der Wohnung vorgenommen werden könne. Das letztere war auch die Ansicht des Portiers gewesen, und er hatte den Kopf geschüttelt, als Frau Krüger nach und nach so ziemlich alle Möbel aus dem Hause schickte; indessen die Herrschaften hätten ja über dergleichen manchmal ihre besonderen Ansichten? überdies habe Frau Krüger gemeint, daß die gnädige Frau sehr eigen sei, und die Sachen auf dem Transporte mancherlei Schäden erlitten hätten, die durchaus vor ihrer Ankunft entfernt werden müßten.

Ich will Dir was sagen, Herz, sagte Justus, Isabel beiseite ziehend: die vortreffliche Anna ist mit den Sachen einfach durchgebrannt.

Thorheit! sagte Isabel. Du kannst nun einmal die arme Person nicht leiden.

Aber als Stunde um Stunde verging, und die arme Person nicht wiederkam, fing auch Isabel an, die Sache verdächtig zu werden.

Was thun wir nun? sagte sie.

Justus mußte lachen. Er hatte ihr Gesicht noch nie verlegen gesehen, und jetzt sah es so kindisch verblüfft aus.

Zuerst fahren wir nach einem Hotel, erwiderte er, hier können wir nicht bleiben; und dann gehe ich auf die Polizei und setze sie in Bewegung.

Um Himmels willen, rief Isabel, das wirst Du nicht! Das giebt einen häßlichen Skandal und schließlich bekommen wir die Sachen doch nicht wieder.

Aber Justus blieb fest, brachte Isabel nach dem Bellevue-Hotel und ging auf die Polizei.

Ich fürchte, sagte der Lieutenant, es wird nicht viel zu machen sein. Die Person hat es offenbar sehr schlau angefangen und vierzehn Tage Zeit gehabt, die Sachen unterzubringen, die sicher jetzt schon in alle vier Winde zerstreut sind. Indessen, wir werden ja sehen. Ich lasse Ihnen morgen Bescheid sagen.

Das klang nicht eben tröstlich, und Justus überlegte auf dem Wege nach dem Hotel, wie er die Hiobspost Isabel möglichst schonend ausrichten könne, fand aber zu seinem Erstaunen, daß seiner Liebe Müh' in diesem Punkte vergeblich gewesen war. Isabel kam ihm lachend mit einem Kusse entgegen, ließ ihm kaum Zeit, seinen Bericht zu erstatten und sagte, ihn zu sich auf das Sofa ziehend:

Weißt Du, Schatz, je länger ich mir die dumme Geschichte überlege, desto mehr komme ich dahinter, daß Anna uns eigentlich einen rechten Gefallen erwiesen hat. Die Sachen waren zum Teil ganz stattlich, aber hatten schon mehreren Generationen gedient, das heißt sie waren alt, abgegriffen und noch dazu aus einer steifen, geschmacklosen Zeit. So bin ich ordentlich froh, daß ich sie los bin, abgesehen davon, daß ich sie jetzt, wenn sie, wie Du sagst, schon durch so und so viele Diebeshände gegangen sind, nicht mehr ansehen, geschweige denn anrühren möchte. Glücklicherweise habe ich den größten Teil meiner Wäsche und Garderobe, also das, worauf ich einzig Wert lege, in meinen Koffern mit mir geführt. Enfin: ich meine, wir verkaufen auch noch, was Base Anna uns übrig gelassen und richten uns vollständig neu ein. Das kann ja den Hals nicht kosten.

Den wohl nicht, erwiderte Justus nachdenklich; aber –

O, Du Mann des ewigen Aber! rief Isabel. Ich bin überzeugt, als Thackeray seinen berühmten Kommentar des ›But‹ – im Pendennis, glaube ich – schrieb, hat ihn dein Genius inspiriert. Und nun laß uns unten im Restaurant zu Abend essen! Hoffentlich hat Dich der Ärger so hungrig gemacht wie mich.

Isabel konnte sich nicht herzlicher freuen, die Möbel los zu sein, als Justus, und nicht inniger wünschen, als er, daß kein polizeilicher Scharfsinn sie jemals wieder entdecken möchte. Es war ihm ein häßlicher Gedanke gewesen, sich fortan zwischen Sachen bewegen zu sollen, die »schon mehreren Generationen gedient hatten«, und daß wenigstens das Schlafzimmer völlig neu einzurichten sei, hatte von vornherein als ausgemacht gegolten. Sollte auch der Rest, den Base Anna übrig gelassen, verkauft werden, er gab von Herzen seinen Segen dazu – es würde ihm dann eben nichts an den erinnern, dem alles einmal gehört hatte! Sein nachdenkliches »Aber« war aus einer anderen Quelle geflossen.

Die Honorarbedingungen, unter denen er den Roman, welchen er noch in Karlsbad vollendet hatte, an mehrere Zeitungen verkauft, waren ungewöhnlich günstige für ihn gewesen, und die Buchausgabe, die er zu Weihnachten vorbereitete, würde abermals ein ansehnliches Stück Geld in seine Kasse bringen. Das that auch not. Die Reise, der Aufenthalt an der See, der sich länger hingezogen, als ursprünglich geplant war, hatten eine Summe gekostet, befremdlich groß für ihn, der bisher nur stets für sein einzelnes einfaches Leben hatte zu sorgen brauchen. Er fand es sehr begreiflich, daß Isabel, durch deren kleine Hände in den letzten Jahren so viel Geld geglitten war, sein Befremden nicht teilte, und wie hätte er der Geliebten einen ihrer Wünsche versagen mögen! Auch auf einige Neuanschaffungen in ihrem Berliner Haushalte war er gefaßt gewesen. Nun handelte es sich um eine völlig neue Einrichtung, die, selbst wenn man dabei mit Vorsicht und Bescheidenheit zu Werke ging, zweifellos den Rest seines baren Geldes aufzehren würde. Da wollte es ihn denn manchmal bedünken, als ob sein Wunsch, die gestohlenen Sachen möchten von der Nacht der Unfindbarkeit bedeckt bleiben, doch etwas voreilig und vermessen gewesen sei.

Indessen der Wunsch ging in Erfüllung, nachdem Isabel und er mehrere Tage lang in der Stadt herumgehetzt waren, sich Sachen anzusehen, die, mochten sie immerhin gestohlen sein, nicht die ihnen gestohlenen waren. Einmal war ihnen freilich ein alter Schrank vorgestellt, den Isabel, trotzdem er wirklich einer der ihr gehörigen gewesen, hartnäckig verleugnete. – Ich will mit der Geschichte nichts mehr zu thun haben, sagte sie hinterher zu Justus, und ich bitte Dich, schreibe an die Polizei, daß sie uns künftig in Frieden läßt!

Justus brauchte es nicht zu schreiben. Die Polizei hielt dafür, daß sie eine Sache, die den Beteiligten selbst offenbar ein so geringes Interesse einflößte, ihrerseits nicht zu einer Haupt- und Staatsaffaire zu machen brauche, und behelligte die Herrschaften nicht weiter, die nun also ungestört an ihre Neueinrichtung gehen mochten.

So glichen denn Justus und Isabel für die nächsten Wochen einem jungen Finkenpärchen, das sein erstes Nest zusammenträgt. Es konnte nichts Vergnüglicheres geben. Als verständige Leute hatten sie zuerst den Rauminhalt ihrer Wohnung bis auf den Quadratzoll ausgemessen und dabei gefunden, daß nicht bloß einige Quadratzoll, sondern eine ganz erkleckliche Anzahl Quadratmeter an dem wünschenswerten Umfang fehlten. Das Haus, dessen Nummer sie teilten, war freilich sehr groß und zeichnete sich durch seine vornehme Fassade und den herrlichen, mit exotischen Bäumen und Prachtblumen geschmückten Vorgarten selbst unter den anderen vornehmen Häusern des Quartiers aus; aber die Wohnung des jungen Paares, zu der man aus einem an dem Seitenflügel des Hauptgebäudes vorüberführenden asphaltierten Gange gelangte, war nur eine Dépendance des großen Hauses, eigentlich eine Gartenwohnung, die aus einem Halbsouterrain bestand, in welchem die Wirtschaftsräume lagen, einem Stock, das drei oder vier Zimmerchen, und einem Turm, der unten gärtnerischen Zwecken diente, und oben ein, glücklicherweise großes Zimmer nebst daran stoßender Kammer enthielt. Daß dies Zimmer das Schlafgemach sein mußte, lag auf der Hand, obgleich es voraussichtlich im Winter etwas kalt sein würde und mit der übrigen Wohnung nur durch eine eiserne Wendeltreppe verbunden war, deren quetschende Enge das Hinauftransportieren der Möbel unter der Bedingung zuließ, daß man sie zuvor in alle ihre auffindbaren Teile zerlegt hatte.

Setzte so, zu Justus' heimlicher Genugthuung, die Enge des disponiblen Raumes der Anschaffung des Mobiliars gemessene Schranken, sah Isabel darin einen Grund mehr, daß jedes einzelne Stück, wenn auch durchaus nicht kostbar, so doch möglichst elegant und geschmackvoll sein müßte. Justus war ganz ihrer Meinung und legte bei dem Aussuchen ein nach dieser Richtung ungeschultes, aber lebhaftes und starkes Gefühl für schöne und gefällige Formen an den Tag, welches Isabels Bewunderung erregte und ihm das schmeichelhafteste Lob von ihren geliebten Lippen eintrug. Nur, daß dabei ein leidiger Umstand unvermeidlich schien: jene eleganten, geschmackvollen Stücke waren regelmäßig auch die teuersten. Aber man hatte sich nun einmal für sie erwärmt, enthusiasmiert, entschieden; der Händler seinen Leuten bereits einen Wink gegeben, den betreffenden Tisch, Schrank, Spiegel, oder was es war, beiseite zu stellen, – man konnte, oder wollte den beinahe abgeschlossenen Handel nicht wieder rückgängig machen.

Und dann, weißt Du, Schatz, sagte Isabel, wenn man sich an solchen Sachen, wie man ja doch einmal thut, satt gesehen hat und sie los sein will, findet man immer einen Abnehmer, während das geschmacklose Zeug gar keinen Marktwert hat. Das ist ein immenser Vorteil.

Ja, das ist ein immenser Vorteil, bestätigte Justus, im stillen überlegend, wie lange es wohl dauern möchte, bis sich ihre schönen Augen an den Dingen satt gesehen, deren Ankauf bald sein letztes Geld verschlungen haben würde.

Diese Unterredung aber fand statt im Restaurant des Hotel Bellevue, wo sie, seitdem sie zu »wirtschaften« angefangen, täglich ein spätes Mittagsmahl eingenommen hatten. Denn wenn auch heute mit dem Ankauf eines allerliebsten Boule-Schreibtisches für Isabel die übrige Einrichtung als vollständig gelten durfte – bis auf einen schönen Kelim, den sie heute morgen erst bei Gerson entdeckt hatten und der für Isabels Chaiselongue nicht unbedingt notwendig, aber doch sehr wünschenswert schien – so war für die Küche bisher noch nichts geschehen. In der That hätte auch die besteingerichtete Küche ohne Köchin nicht viel geholfen, und das für den Küchendienst engagierte Mädchen war bereits am zweiten Tage von Isabel weggeschickt worden, nachdem es sich in tragischem Ton die melancholische Frage erlaubt hatte, was sie denn eigentlich in einer Küche solle, in der es weder Topf noch Teller gebe, und der Ofen so schlecht sei, daß man nicht einmal das Kaffeewasser darauf zum Sieden bringen könne? Eine zweite Person aber, die hoffnungsfroher gewesen wäre als die erste, oder so resigniert, wie das Stubenmädchen, welches vom Fensterputzen und Staubwischen leben zu können schien, hatte sich bis heute noch nicht finden lassen wollen.

Ich weiß auch nicht, Sonntagskind, sagte Isabel, sich mit großer Sorgfalt einen Dessertapfel schälend, ob wir nicht besser thäten, die Küche- und Köchinnenfrage definitiv aufzugeben und uns hier auf das Restaurant zu verlassen, das höchstens zehn Minuten von unserer Wohnung entfernt, also selbst bei schlechtem Wetter, oder im Winter mit einer Droschke unschwer zu erreichen ist, und wo man so gut kocht, wie es nur eine sogenannte perfekte Köchin könnte. Die beiden Leute, die wir dann noch brauchten, bekämen Kostgeld und würden schon sehen, wie sie fertig werden.

Die beiden Leute? sagte Justus. Du denkst an eine Aufwartefrau für die gröberen Arbeiten?

Die werden wir freilich ebenfalls nicht entbehren können, erwiderte Isabel. Wenn ich »die beiden Leute« sage, so meine ich das Mädchen, das wir bereits haben und den Diener, den wir unbedingt noch haben müssen.

Justus, der eben Kaffee eingoß, blickte erstaunt auf: an einen Diener hatte seine Seele noch nicht gedacht, geschweige denn an dessen unbedingte Notwendigkeit.

Du wirst übergießen, sagte Isabel.

Sollten wir nicht ohne den fertig werden? fragte er.

Ich habe die Sache hin und her überlegt, erwiderte Isabel, aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Das Mädchen wird genug mit mir und meiner Garderobe zu thun haben: Du erinnerst Dich, daß zwischen einer Nähnadel und mir nun ein für allemal kein Bund zu schließen ist. Und dann ist es gewiß viel schicklicher für einen Herrn, sich von einem männlichen Individuum bedienen zu lassen. Ich begreife nicht, wie Du bisher immer ohne Diener ausgekommen bist. Freilich ihr Herren geht in das Restaurant, wo so und so viele Kellner auf euren Wink warten. Die hat man aber im Hause nicht; und nun braucht man nur ein paar Menschen bei sich zu sehen, so verliert so ein armes Mädchen, wenn es aufwarten soll, gleich den Kopf, oder man muß sich in die Hände des ersten besten Lohndieners geben, und, lieber Himmel, wie oft in was für Hände! Dann gehst Du eines Abends in deinen Klub, oder sonst in eine Herrengesellschaft, oder meinetwegen auch allein ins Theater, oder Gott weiß wohin, und ich mache unterdessen eine Visite bei irgend einer Bekanntin – wie unangenehm ist es da, sich von einem Mädchen abholen lassen zu sollen, das kümmerlich auf der Stuhlkante im Flur hockt und einem nicht einmal bis zur nächsten Droschke – da wir vorläufig noch keine Equipage haben – einen Schutz gewährt. Und vielleicht ist keine Droschke da, und Du wirst doch Deine arme kleine Isabel nicht mit einem dummen Ding von Mädchen durch die gräßlichen Berliner Straßen irren lassen wollen! Siehst Du, Schatz, ich habe wirklich an alles gedacht, und nun sei mein gutes Sonntagskind und komme nicht wieder mit einem griesgrämigen Thackerayschen Aber!

Justus hatte, während Isabel so plauderte, bei sich erwogen, was den größeren Mut erfordere, sich in den Pulverdampf einer feindlichen Batterie zu stürzen, oder auf dem süßlächelnden Gesicht der Geliebten eine Wolke des Unmutes heraufzubeschwören, und sich dafür entschieden, daß das letztere das weitaus Schwerere sei; ein Mann aber, wenn es Pflicht und Ehre erheischten, auch dies Schwerere auf sich nehmen müsse. So sagte er denn, als Isabel jetzt schwieg:

Du hast ganz Recht, Herz, für einen Mann, wenn er nicht zufällig eine indianische Rothaut ist, hat es immer etwas Peinliches, sich von einem weiblichen Wesen bedienen zu lassen. Daran hat man sich ja nun leider gewöhnen müssen. Ich kenne etwas, woran ich mich nie gewöhnen könnte; das ist: von dem Gelde seiner Frau zu leben.

Isabel blickte ihn mit ihren großen Augen verwundert an.

Von dem Gelde seiner Frau? sagte sie. Ja, das thust Du doch nicht. Du hast ja nie erlauben wollen, daß ich nur ein Zwanzigmarkstück für mich wechselte. Ich habe zuletzt mein Portemonnaie in Deiner Gegenwart gar nicht mehr aufzumachen gewagt.

Und doch müßtest Du es aufmachen und sogar sehr weit, erwiderte Justus, wollten wir auf diesem Fuße weiter leben.

Auf welchem Fuße? fragte Isabel mit noch wachsendem Erstaunen; wir sind doch bis jetzt die Bescheidenheit selbst gewesen.

Bescheidenheit, sagte Justus, ist in ökonomischem Sinne ein sehr relativer Begriff, der sich nach dem Gelde richtet, das man auszugeben hat. Ich fürchte, ich bin mit dem meinen zu Ende, so gut wie zu Ende; und Romane, mit denen man Geld verdient, schreiben sich nicht von einem Tag zum anderen.

Auf Isabels holdem Gesicht zeigte sich die Wolke, die Justus so gefürchtet hatte, aber es war eine der Trauer viel mehr als des Unmuts. Sie schwieg ein paar Minuten; dann sagte sie leise.

Es ist wahr, Sonntagskind, Du hast diese ganze Zeit und nun gar in den letzten Tagen schrecklich viele Ausgaben gehabt. Es ist sehr unrecht von mir, daß ich nicht daran gedacht habe. Oder ich habe wohl auch daran gedacht, aber gemeint, wenn er mit seinem Gelde zu Ende ist, wird er es doch sagen, und dann bin ich ja da. Und, Herz, bin ich es denn nicht? Gehöre ich nicht Dir und alles, was ich habe?

Du, ja, geliebte Seele, erwiderte Justus, und dafür möchte ich Gott fortwährend auf den Knien danken; aber der Himmel bewahre mich davor, daß ich je an Dein Vermögen rühren müßte, es sei denn, daß ich bei Dir eine Anleihe machte, die seiner Zeit zurückzuzahlen ich völlig sicher bin.

Laß uns gehen, sagte Isabel, die Leute fangen schon an aufmerksam auf uns zu werden, weil wir so die Köpfe zusammenstecken. Sie denken, wir flüstern von Liebe, und ahnen nicht, daß wir uns zanken.

Sie brachen auf und gingen langsam die Bellevuestraße hinauf dem Thiergarten zu, geraume Zeit schweigend, bis Isabel von neuem begann:

Weißt Du, Sonntagskind, was Du da vorhin gesagt hast, daß Du nicht von einem Tag zum andern so viel Geld verdienen kannst, geht mir sehr durch den Kopf. So einen langen Roman zu schreiben, ist gewiß eine grausame Arbeit – ein Galeerensklave, glaube ich, hat es besser – und es ist mir ein schrecklicher Gedanke, daß mein geliebtes Sonntagskind sein süßes Leben in solcher Sklaverei verbringen soll. Ich wollte von ganzem Herzen, Du setztest keine Feder wieder an.

Und wäre ein unglücklicher Mensch.

Auch wenn Du mich liebst?

Auch wenn ich dich liebe.

Und hättest mich nur kurze, ganz kurze Zeit zum lieben? Möchtest du da nicht während dieser kurzen Zeit mir ganz gehören? mir ganz allein? und nicht der schrecklichen Arbeit, die Dir ja bleibt, wenn ich gestorben bin? ja, in die Du Dich dann stürzen mußt, nicht, um mich zu vergessen – das wirst Du nie! – nur, um das Leben zu ertragen, das Du mit Deiner Maiennacht nicht mehr teilen kannst?

Das sind hypochondrische Grillen, sagte Justus, die sich für eine Feenprinzessin ganz und gar nicht schicken. Du darfst sie durchaus nicht mit in die Wohnung nehmen. Bedenke, daß sie heute nacht zum erstenmale wirklich unser Heim ist.

Er hatte die Thür aufgeschlossen, behielt aber den Drücker in der Hand und sagte lächelnd:

Willst Du sie draußen lassen, wenn ich Dir verspreche, daß übermorgen mittag spätestens Johann oder Friedrich sich der gnädigen Frau vorstellt und gehorsamst nach ihren Befehlen fragt?

O, Du ganz verrücktes, liebes, geliebtes Sonntagskind! rief Isabel. Mach' schnell die Thür auf, daß ich Dir drinnen einen Kuß geben kann!


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