Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel.

Wochen folgten, für Justus so wonnesam schön, daß er manchmal meinte, es sei ja alles nur ein seliger Traum, aus dem er wieder zur gemeinen Wirklichkeit der Dinge erwachen müsse. Die Natur selbst schien die halkyonischen Tage mit ihm feiern zu wollen – die ältesten Karlsbader Kurgäste – und es gab deren alte, sehr alte in nicht kleiner Anzahl – versicherten, einen so schönen Juni im Tepelthal noch nicht erlebt zu haben. Die Schwalbe ob seinem Fenster, wenn ihre meteorologischen Beobachtungen auch nicht bis zu den Zeiten Goethes zurückdatierten – war offenbar derselben Ansicht, denn süß und süßer sang sie jeden Morgen in die Dämmerung hinein der Sonne entgegen, die dann in strahlender Herrlichkeit über dem Kreuzberg aufging, ihren leuchtenden Bogen über das gesegnete Thal zog, um im vollen Glanz hinter den Waldbergen im Westen unterzugehen. Nächtliche Gewitter von kurzer Dauer sorgten dafür, daß die Hitze unten im Thal nicht zu drückend wurde; und wurde sie es doch einmal, erquickte den Wanderer, so er nur ein paar hundert Fuß die Berge hinaufstieg, die mildeste, von Tannen- und Buchenatem durchwürzte Luft.

Zwischen Justus und seiner Braut waren alle nötigen Verabredungen getroffen, die sich zu beider größtem Vergnügen durch ihre Einfachheit vor ähnlichen der Art auszeichneten. In den ersten Tagen des Juli war Isabels Trauerjahr um, und dann wollten sie hier in Karlsbad selbst sich trauen lassen. Justus versäumte nichts, wenn er, trotzdem seine Kur jetzt zu Ende ging, in Karlsbad blieb – er konnte zu seinem Roman hier so gut wie anderswo die letzten Kapitel schreiben. Ein vorteilhafter Abschluß, den er mit den Feuilletons mehrerer angesehener Zeitungen getroffen, die den Druck bereits am ersten Juli beginnen sollten, ließ ihn mit Gelassenheit auf die letzten Hundertmarkscheine in seiner Brieftasche und mit Ruhe in die nächste Zukunft blicken, für die zu sorgen er für seine unabweisliche Pflicht erklärte, während Isabel behauptete, ein Poet habe sich um solche Bagatelle nicht zu kümmern, die ein für allemal Frauen- respektive ihre Sache seien. Sie hatte Justus von dem Stand ihres Vermögens unterrichtet. Von den drei großen Schimarischen Gütern war, als der Baron starb, nur noch das eine in seinem Besitz gewesen, freilich auch schon so stark verschuldet, daß Isabel, die ihres Gatten Universalerbin war, sich genötigt gesehen hatte, es zu verkaufen. Der Verkauf hatte unter nicht eben günstigen Bedingungen stattgefunden; indessen war doch so viel für sie übrig geblieben, daß sie, wenn auch nicht auf einem großen Fuße, standesgemäß davon hätte leben können.

Isabel hatte diesen Ausdruck im Verlauf solcher Auseinandersetzungen einmal gebraucht und dadurch ein stark ironisches Lächeln um Justus' Lippen hervorgerufen.

Worüber lachst Du, Du schlechtes Sonntagskind? sagte sie.

Du weißt es, erwiderte Justus.

Freilich weiß ich es, sagte sie, und ich finde es gar nicht artig, daß Du von Deiner zufälligen Kenntnis meiner Herkunft und Vergangenheit einen so illoyalen Gebrauch machst.

Ich weiß von Deiner Herkunft und Vergangenheit weiter nichts, erwiderte Justus, als daß Du eine geborene Fee und sogar Feenprinzessin bist.

Die sehr bedauert, entgegnete Isabel schnell, daß Du Deine prinzliche Abstammung, die mir jetzt ungeheuer gelegen käme, so hartnäckig verleugnest.

Und Du glaubst wirklich an das Märchen, mit dem sich mein Vater über die Misere seines Försterlebens in Graf Waldburgschen Diensten wegzutäuschen suchte?

Festiglich! aber nicht, weil es Dein Vater meinem – nun gut! – meinem Vater in meiner Gegenwart, oder doch Gehörsweite hundertmal erzählt hat, sondern weil jeder, der nur Augen im Kopfe hat, sehen konnte, daß der schöne, stattliche Mann mit dem stolz erhobenen Kopf so sicher ein Fürstensohn war, wie –

– ich ein armer Försterjunge bin, schloß Justus das Intermezzo lachend, trotzdem ihm in dem Augenblick ernst genug zu Sinn war. Würde der jähe Abstieg von der gesellschaftlichen Höhe, auf der sie sich alle diese Jahre bewegt hatte, in das obskure Leben eines deutschen Schriftstellers Isabel, trotz ihrer Liebe, nicht doch Schmerzen verursachen, die er ihr so gern erspart hätte? Und die er ihr nun doch auf keine Weise ersparen konnte, er hätte denn sich selbst, seinen Beruf, seine Überzeugungen aufgeben und ein nichtsbedeutendes, nichtsnutziges Anhängsel seiner schönen Frau, der verwitweten Baronin, werden müssen, wofür sich in alle Zukunft sorgsam zu bewahren sein selbstverständlicher heiliger Beschluß war.

Es wollte ihm daher auch wenig gefallen, daß Isabel auf der kurzen Durchreise durch Berlin in ihrer sicherstelligen Weise in einer der vornehmen Straßen des Tiergartenviertels eine Wohnung auf mehrere Jahre gemietet hatte, die, als der Neuanbau eines größeren Hauses, freistand und zum ersten Juli bereits bezogen werden konnte.

Nicht, daß das unsere Absicht ist, Schatz, sagte Isabel, denn wir werden erst einmal, wie es sich schickt, auf ein paar Wochen in die Schweiz oder an die See gehen. Derweilen kann unser Nest ordentlich austrocknen, daß sich mein Sonntagskind keinen Rheumatismus darin holt.

Was sollte Justus thun? Rückgängig zu machen war die Sache nicht; irgendwo mußten sie doch wohnen, und auch über den Kostenpunkt wußte ihn Isabel zu beruhigen. In der That war der Mietzins nicht viel höher als der Ansatz, den Justus in seinen geheimen Kalkulationen für ihr gemeinschaftliches Heim gemacht hatte. Dafür war das Quartier um so kleiner, ja so klein, daß es den Namen eines Puppenheims, den Isabel ihm gegeben, während sie einen von ihrer Hand in möglichst falschen Dimensionen entworfenen Grundriß eifrig studierten, in vollstem Maße verdiente. Was dann Isabel für einen ganz unbezahlbaren Vorteil erklärte, da sie so gezwungen wären, in traulichster Nähe miteinander zu hausen, und sich, wenn sie sich gezankt hätten, alsbald wieder vertragen müßten, da keines trotz allen Suchens einen separaten Schmollwinkel für sich finden würde.

Indessen dergleichen kleine Meinungsverschiedenheiten würden nur den Zauber ihres Beisammenseins erhöht haben, wenn das für Justus noch denkbar gewesen wäre. Keine Möglichkeit, an der Seite der holden Zauberin nur einen leeren Augenblick zu finden, auch wenn dem ewigen Thema: Ich liebe dich! – liebst du mich? trotz alles aufgewandten Scharfsinns keine neue Variation mehr zu entlocken war. Aus ihrem langen, vielgestaltigen Reiseleben wußte Isabel eine unerschöpfliche Fundgrube von Anekdoten und Erlebnissen zu machen, deren Erzählung von der durchdringenden Schärfe ihrer Beobachtung und ihrem köstlichen Humor den glänzendsten Beweis lieferte. Dabei berichtete sie von den Huldigungen, die sie auf Tritt und Schritt verfolgt hatten, von den flirtations, auf die sich gelegentlich eingelassen, mit einer naiven Offenherzigkeit, die Justus überzeugte, daß sie, wie sie nichts verschwieg, auch nichts zu verschweigen hatte.

Du siehst, Sonntagskind, sagte sie: ich habe in Blumen und Blumenduft geschwelgt, aber vor den giftigen stets einen instinktiven Abscheu gehabt, was ich denn wohl, ebenso wie die Blumenliebe selbst, meiner bekannten Feenabstammung zu verdanken habe. Der und der närrischen, völlig unbegreiflichen Liebe zu Dir, Sonntagskind, die mich überall hin begleitet hat und mir ein Talisman gewesen ist, wie dem italienischen Bauer die Kreuze und Amulette, die er sich um seinen braunen Hals hängt. Es ist nur dummes Zeug und eitel Blech, aber es hilft dem Burschen doch aus mancher Gefährde, die sonst über seinem Krauskopf zusammenschlagen würde.

Nur auf eines kam Isabel nach jenem ersten Abend nicht wieder, oder doch nur, wenn es völlig unvermeidlich war, und auch dann nur mit den kürzesten Worten zu sprechen: auf ihr vergangenes eheliches Leben. Es war ein Buch, das für sie geschlossen war. Justus seinerseits verspürte keine Neigung, es wieder geöffnet zu sehen. Der Gedanke, sein geliebtes Mädchen habe schon einem anderen Manne gehört, erschien ihm abscheulich, ja, so wahnsinnig, daß er ihn nicht zu fassen vermochte. Er pries sich glücklich, daß kein Kind da war, welches ihn durch seine Gegenwart an eine Vergangenheit, die er zu vergessen sich so eifrig bemühte, beständig erinnert hätte, und an die ihn sonst nichts mahnte, als ein gewisser herber Zug, der um ihren reizenden Mund gelegentlich hervortrat, und die Brillantringe, die sie allerdings beständig trug. Aber den ersteren hoffte er ihr noch wegzuküssen, und daß sie die letzteren ablegen würde, wenn er sie darum bäte. Bis jetzt hatte er dazu noch nicht den Mut und den rechten Augenblick gefunden:

Schwieg Isabel so über gewisse Partien ihres Lebens, sollte sein Leben der Jahre, während derer sie getrennt gewesen waren, bis in die kleinste Einzelheit klar vor ihren Augen liegen.

Und da er jeden Schwur darauf geleistet hätte, daß sie nichts vor ihm geheim hielt, durfte auch er vor ihr keine Geheimnisse haben. Es war da auch so wenig, das sich der Mühe des Verschweigens, oder auch nur Vertuschens verlohnte. Seine Schilderung der Schreckensnacht, in der er aus dem Schloß entflohen war, versetzte sie in große Aufregung.

Ich hatte ja immer die Überzeugung, sagte sie, daß Du mit Deiner Ehrlichkeit nicht unter diese verlogenen Menschen gehörtest, und ich weiß nicht, welcher Dämon von Eitelkeit und Übermut mich denn doch verlockt hat, Dich auf das Schloß zu holen. Freilich wollte ich mein Sonntagskind auch wieder bei mir haben, aber ich hätte, so jung ich war, wissen sollen, daß es so nicht ging. Ob der Vater oder der Sohn der Schlimmere ist, mag Satanas wissen; Gott, der Herr, kennt sie beide sicher nicht. Der arme, dumme Pfau von Judenmädchen, das in die Krallen des Raubvogels fällt! Wie wird er ihr das eitle Herzchen zerfleischen, nachdem er ihr die bunten Federn ausgerupft hat. Aber weiter, Sonntagskind, weiter! Wie standest Du mit Marthe, mit der Du so lange unter einem Dache – und unter was für einem! – gewohnt hast? Und wie war das eigentlich mit der schönen Albinka? Du darfst es mir sagen. Ich bin ein verständnisvoller Beichtvater, und alles verstehen, heißt alles verzeihen – auch einem Josef, der seinen Mantel einmal ausnahmsweise nicht im Stich läßt.

Wie in diesem, so in jedem anderen Falle wollte Isabel in erster Linie das Genaueste von den Beziehungen wissen, in welchen Justus zu den Frauen, mit denen er in Berührung gekommen war, gestanden hatte. Alles übrige flößte ihr geringeres Interesse ein. Seine Arbeiterepisode war und blieb für sie eine Donquichotterie, auf die er nur verfallen sei, um ihr zu trotzen; seinen Sekretärdienst bei dem Generaldirektor nannte sie einen Pagenstreich, an dem sie nur auszusetzen habe, daß er sich viel zu lange hingezogen in der Huldigung einer Dame, die beinahe des Pagen Mutter hätte sein können und bei der auch sonst die zärtlichen Empfindungen, die er ihr geweiht, recht deplaciert gewesen seien.

Denn glaube mir, Sonntagskind, sagte sie: Deine Frau, Eve ist au fond eine sehr kühle Natur, wofür ja schon der Beweis ist, daß sie, laut Ausweis Deines Tagebuches, sich nicht auf eine Sekunde in Dich verliebt hat, und mit ihrem Gatten, der die geborene Prosa ist, so gut fertig wird. Schön ist sie überdies auch nicht, wie ich mich von neuem überzeugt habe, als ich sie jetzt in Breslau wieder sah; überdies so stark geworden, daß schon eine hochgradige Verblendung dazu gehört, sie zu einem Gegenstand für Mondscheinschwärmerei zu machen. Da würde ich viel eher begreifen, wenn Du Dich ganz toll in die Albinka, verliebt hättest. Denn sie war wirklich ein bildschönes, verführerisches Weib, und ich habe sie, als ich ein Backfisch war, höchlich bewundert. Wohingegen ich dann wieder billige, daß Du für die Marthe niemals etwas empfunden zu haben scheinst. Ich würde Dir das, offen gestanden, auch nur schwer verzeihen.

Der alte kindische Haß, den Isabel gegen die Jugendgespielin gehegt, kam dabei, zu Justus' Erstaunen, wieder zu Tage, womit dann in Widerspruch zu stehen schien, daß sie das Gespräch gelegentlich doch auf das arme Mädchen zurückbrachte. Justus war ehrlich genug, die hohe Achtung, in der er die Freundin noch immer hielt, offen zu bekennen.

Ich stehe darin nicht vereinzelt, sagte er; alle, die ihr näher getreten, sind von dieser Achtung erfüllt. Frage Eberhard! Und es hält nicht etwa leicht, ihr näher zu treten! Sie geht heute, wie stets, ihren einsamen Weg durch das Leben – ein Leben voll Mühe und Arbeit mit heroischem Opfermut. Dafür hatte sie in der Charité, wohin Eberhard sie gebracht hatte, sich durch ihre Klugheit, Umsicht, Energie und Leistungskraft einen fast legendarischen Ruf erworben, der ihr denn auch in ihre jetzigen Verhältnisse gefolgt ist, wo sie eine freie, der Krankenpflege gewidmete Schwesternschaft als Oberin leitet. Nebenbei erzieht sie ihre beiden Stiefbrüder, die jetzt brave Lehrburschen sind, und ich glaube, sie erhält auch ihre Schwester, die von ihrem liederlichen Manne geschieden ist. Sollte meine Prinzessin etwa, wie es fast den Anschein hat, dem armen Mädchen die Ehre anthun, ein wenig eifersüchtig auf sie zu sein, so kann ich sie versichern, daß ich die Missethäterin während aller dieser Jahre kaum ein halbes dutzendmal gesehen und gesprochen habe.

Isabel schwieg und sagte nach einer Weile: Und während all dieser Jahre hast Du Sibylle nicht einmal gesehen und gesprochen?

Nein, erwiderte Justus. In der ersten Zeit wäre es vielleicht möglich gewesen, da sie hin und wieder noch das Haus verließ, in das sie nun schon seit Jahren völlig gebannt ist. Ich habe Nachrichten von ihr durch Eberhard, der als Arzt dort aus und ein geht, und seine Frau, die der Dulderin manchmal einen freundschaftlichen Besuch macht.

Ich hatte heute einen Brief von ihr, sagte Isabel.

Ah! erwiderte Justus.

Als Antwort auf einen, fuhr Isabel fort, in welchem ich ihr unsere Verlobung angezeigt. Sie gratuliert uns und läßt Dich speciell vielmals grüßen. Übrigens habe ich mit ihr beständig in einem, wenn auch nicht sehr lebhaften, Briefwechsel gestanden, sie nebenbei auch, als ich jetzt dort war, besucht.

Ah! sagte Justus.

Du bist wunderlich, Kind, mit Deinem ewigen Ah!

Verzeihe! sagte Justus. Ich meinte nur, in jenes Haus einen Fuß zu setzen, könne Dir kaum minder peinlich sein als mir.

Du nimmst die Dinge viel zu schwer, Sonntagskind. Das Leben kommt nur zu stande mit Hilfe von Konzessionen, die man hinüber und herüber macht. In dieser Kunst hast Du noch alles zu lernen, was Dir ja, da Du ein guter Lernkopf bist, unter meiner verständigen Leitung bestens gelingen wird. Sibylle bittet uns aufs dringendste, sie, sobald wir nach Berlin zurückkommen, zu besuchen. Wir müssen das thun, Sonntagskind, auf die Gefahr hin, daß ihr euch wieder ineinander verliebt.

Haben wir das schon einmal gethan?

Ob ihr es gethan habt! Denkst Du denn, ich bin blind und taub gewesen, wenn ihr damals einander anschwärmtet und euch in Regionen verstiegt, in die euch die arme, kleine, dumme Isabel freilich nicht folgen konnte.

Wird sie mir jetzt zu dem Russelsitz folgen können? Es sind nur ein paar Schritte durch den Wald. Wir kommen vielleicht nicht so bald wieder in die Nähe, und es ist wunderschön.

Die Unterredung hatte auf einem der Streifzüge stattgefunden, die sie manchmal des Abends durch die Waldberge unternahmen, Isabel, die ein längerer Weg leicht ermüdete, in einem jener kleinen, von einem Esel gezogenen Wägelchen, während Justus an ihrer Seite schritt. Jetzt waren sie auf der Fahrstraße, die vom Aberg nach dem Jägerhause und weiter in die Stadt führt, an der von Justus bezeichneten Stelle angelangt. Er hob Isabel aus dem Wagen, die sich in seinen Arm hing. In den hohen Wipfeln der Tannen, unter denen sie über den elastischen Waldboden schlenderten, regte sich kein Hauch. Anfangs begleitete sie noch ein letzter rötlicher Schein des Abendlichts, der von Westen in den Wald drang, aber mit jedem ihrer Schritte abnahm und zwischen den ragenden schwarzen Felsblöcken des Russelsitzes ganz erloschen war. Sie hatten sich auf eine der beiden Bänke, die sich auf dem kleinen, wie ein Turmerker aus der Bergseite vorspringenden Felsenbau befinden, niedergelassen und saßen so, Hand in Hand schweigend in der lautlosen Stille rings umher.

Das Gespräch, das sie eben geführt, klang noch in Justus' Seele nach.

Weißt Du, Herz, begann er, daß ich eben ein Talent in Dir entdeckt zu haben glaube, das die Menschen, die es besitzen, nicht glücklicher zu machen pflegt?

Welches, Herz?

Das der Eifersucht.

Sie blickte still vor sich nieder und dann, die Wimpern hebend und ihm voll in die Augen sehend:

Du hast recht; ich bin eifersüchtig, rasend eifersüchtig; ich habe auch mehr Ursache dazu, als andere.

Du? mehr Ursache? glaubst Du nicht an meine Liebe?

Ja, ich glaube an sie; aber ich muß sie ganz haben bis auf den letzten kleinsten Rest – nicht, wie ihr Männer zu lieben pflegt: mit halbem oder zweidrittel Herzen. Und muß diese ganze, ungeteilte Liebe haben, so lange ich lebe. Nein, nein! nicht: so lange ich lebe! Ich muß sie haben über mein Grab hinaus, so lange das Herz in der Brust des Mannes schlägt, der mich geliebt hat. Kannst Du mich so lieben? liebst Du mich so?

Sie hatte ihm beide Hände auf die Schultern gelegt und sein Gesicht dicht an das ihre gezogen, als wollte sie ihm mit den mächtigen glänzenden Augen in den Grund der Seele blicken.

Ich schwöre es Dir, sagte er leise, bei allem, was mir heilig ist.

Sie schlang die Arme um seinen Nacken und küßte ihn wieder und wieder, wie sie ihn noch nie geküßt hatte, in wilder, wahnsinniger Leidenschaft.

Dann sank sie, wie ohnmächtig, gegen die Lehne der Bank zurück, mit leiser, kaum hörbarer Stimme flüsternd:

Und jetzt möchte ich sterben.


 << zurück weiter >>