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Ouch solt ihr vil wol wizzen daz:
        
 Dazwischent Strasburc als ich las
        
 Un Spire lit drilic berc
        
 als uns seit der wahrheit werc:
        
 davon er 
        Drivels it genant
        
 in allen landen wol bekant.
Rudolf von Ems Weltchronik
Noch schwellt kein Grün der Buchen Kronen,
      
 Doch singt die Drossel schon vom Ast
      
 Und mit dem Weiß der Anemonen
      
 Mischt sich der Primel gelber Glast;
      
 Annweilers Berge seh' ich wieder
      
 Und ihre Burgdreifaltigkeit,
      
 In Ehren alt, vernarbt und bieder,
      
 Kriegszeugen deutscher Kaiserzeit.
Dort 
      Scharfenburg, die schlanke, feine,
      
 Vor ihr der Felsklotz 
      Anebos,
      
 Und hier als dritter im Vereine
      
 Der Reichspfalz 
      Trifels Steinkoloß.
      
 Ihr Turm mit der Kapelle Erker,
      
 Der einst die Reichskleinodien barg,
      
 Des Löwenherzen Richard Kerker
      
 Wächst mächtig ans des Felsens Mark.
Tanzplatz ist noch der Kamm geheißen,
      
 Wo einst in zierem Pfauentritt
      
 Bei Harfenschall und Minneweisen
      
 Des Kaiserhofes Reigen schritt.
      
 Ahi! wie sah man Tücher winken,
      
 Als hier am zwölften Maientag 
      Des Jahres 1194.
      
 Bei vieler tausend Helme Blinken
      
 Der sechste 
      Heinrich Abschieds pflag!
Im ernsten Auge sprüht' ein Feuer,
      
 Als klirre schon der Speere Krach:
      
 »
      Konstanze, Weib dem Herzen teuer,
      
 Bald rächen wir Salernos Schmach;
      
 Eh sich die Wälder herbstlich färben,
      
 Die heute diese Fahnen sehn,
      
 Soll siegreich uns und unsern Erben
      
 Das Reichspanier am Aetna wehn!«
Als ihres Kaisers Heergeleite
      
 Ritt eine stolze Fürstenschaft
      
 Und seinem Bruder treu zur Seite
      
Philipp von Schwabens junge Kraft.
      
 Noch zog des Rotbarts blondem Kinde
      
 Kein Frühlingsahnen durch den Sinn,
      
 Daß er die Braut 
      Irene finde
      
 Als dieser Maifahrt Beutgewinn.
Gleich einer ehernen Schlange wanden
      
 Die Helme sich den Wald hindurch
      
 Und alle Heerdrommeter sandten
      
 Als Abschiedsgruß das Lied zur Burg:
      
 »Ihr frische Rosen, sanfte Lilien,
      
 Lebt wohl und blüht in Gottes Hut;
      
 Des Adlers Flug geht nach Sizilien,
      
 Ihn dürstet nach Normannenblut!«
Wer weiß noch von den Rittern allen
      
 Aus Schwaben, Franken und vom Rhein,
      
 Die damals fest als Reichsvasallen
      
 Schwerttrugen in der Streiter Reihn:
      
 Vom Truchseß Markward von Annweiler,
      
 Trushard vom Kestenberger Schloß,
      
 Vom treuen Heinz von Meistersele,
      
 Vom Eberhard von Anebos?...
... Ob ferner Wasgauhügelreihe
      
 Sprüht goldner Sonnenuntergang
      
 Und still schwebt Frühlingsabendweihe
      
 Des Reichs verlassnen Berg entlang.
      
 Dann, mit des letzten Golds Verglimmen
      
 Füllt rings die Täler feuchtes Grau
      
 Und auch der Seele Saiten stimmen
      
 Sich äolsharfenweich und lau. 
      
O Jugendkraft, wie wirst du älter!
      
 Bald tritt auch mir die Stunde nah,
      
 Da ich nicht mehr durch deutsche Wälder
      
 Auszieh' ins Land Italia.
      
 Bald bleicht des Wandrers müd Gebeine
      
 Vergessen in der Erde Schoß,
      
 Und wie des Trifels mürbe Steine,
      
 So deckt auch seinen Grabstein Moos.