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Dichtqualmende Nebel umfeuchten
      
 Ein Pfahlbaugerüstwerk im See,
      
 Und fern ob der Waldwildnis leuchten
      
 Die Alpen in ewigem Schnee.
Ein Mann sitzt auf hölzernem Stege
      
 In Felle gehüllt, denn es zieht;
      
 Er schnipft mit der Feuersteinsäge
      
 Ein Hirschhorn und summelt sein Lied:
»Da seht mein verschwollen Gesichte
      
 Und seht, wie bei Durchzug und Wind
      
 Der Ureuropäer Geschichte
      
 Mit Rheuma und Zahnweh beginnt.
»Zwar klopf' ich mit steinernen Beilen
      
 Und Keulen mir Bahn durch die Welt,
      
 Doch ist ein gemütlich Verweilen
      
 Noch täglich in Frage gestellt.
»Im Wald stört das Raubtier mit Schreien
      
 Den Schlaf im durchhöhleten Stamm,
      
 Und bau' ich mein Hüttlein im Freien,
      
 So stampft mir's der Urochs zusamm.
»Drum lernt' ich vom biederen Biber
      
 Und stelle als Wohnungsbehilf,
      
 Je weiter vom Festland je lieber,
      
 Den Pfahldamm in Seegrund und Schilf.
 »Auch hier muß ich vieles noch meiden,
      
 Was späterer Zeit einst gefällt:
      
 Gern trüg' ich ein Schwert an der Seiten
      
 – Es gibt weder Eisen noch Geld.
»Gern zög' ich Gewinn vom Papiere
      
 – Noch sind keine Börsen gebaut;
      
 Gern ging ich des Abends zum Biere
      
 – Es wird noch keines gebraut.
»Und denk' ich der Art, wie wir kochen,
      
 Gesteh' ich selber, 's ist arg:
      
 Wir spalten dem Torfschwein die Knochen
      
 Und saugen als Kraftsaft das Mark.
»Wie kann sich der Geist da schon lenken
      
 Auf höh'res Kulturideal?
      
 In all unserm Fühlen und Denken
      
 Steckt rammeltief Pfahl neben Pfahl.«
Der Mann sang's mit heiserer Kehle,
      
 Da schwoll mit dem Rheuma sein Grimm,
      
 Zwei Bären beschlichen die Pfähle
      
 Und schnupperten kletternd nach ihm.
Da schmiß er zum Pfahlküchenkehricht
      
 Beil, Hirschhorn und Trinkkrug von Ton,
      
 Sprang husch! wie ein Frosch ins Geröhricht
      
 Und schwamm mit Fluchen davon.
* * *
Wo einst man die Stätte errichtet
      
 Zum keltischen Seehüttendorf,
      
 Ruht jetzt eine Fundschicht geschichtet,
      
 Tief unter dem Seeschlamm und Torf.
Der diesen Gesang schuf zum Singen,
      
 Hat selber den Moder durchwühlt
      
 Und bei den gefundenen Dingen
      
 Einen Stolz als Kulturmensch gefühlt.