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Interea vir magnanimus de flumine pergens
        
 Venerat in saltum, iam tum Vosagum vocitatum.
        
 Nam nemus est ingens, spatiosum, lustra ferarum
        
 Plurima habens, suetum canibus resonare tubisque
        
 Sunt in secessu bini montesque propinqui
        
 Inter quos, licet angustum, specus exstat amoenum
        
 Non tellure cava factum sed vertice rupum;
        
 Apta quidem statio latronibus illa cruentis.
        
 Angulus hic virides ac vescas gesserat herbas.
        
 Hunc mox ut vidit juvenis »huc« inquit »eamus«
        
 »His juvat in castris fessum componere corpus.«
Waltharius 489 und ff.
Wer kennt im deutschen Grenzbezirke
      
 Des Weidmanns Lust, den Wasgauwald,
      
 Der einst den Völkern im Gebirge
      
 Gleich einer Gottheit heilig galt?
      
 Hei Jagdhornruf und Hundebellen!
      
 Wie zog's mit Hall und Schall zur Pirsch,
      
 Als noch an kressereichen Quellen
      
 Sich stolz geäst der Edelhirsch.
Wo sind die Jäger, die einst lachten,
      
 Wenn jener stritt im Brautturnier,
      
 Daß die Gehörne weithin krachten?
      
 ... Still geht der Lenz heut durchs Revier ..
      
 Ein Pfad biegt von des Maimont Gipfeln
      
 In ein elsassisch Waldtal ein,
      
 Und braunrot starrt aus grünen Wipfeln
      
 Der Doppelklotz des 
      Wasgenstein.
Wie ein vermoostes Waldgeheimnis
      
 Ruht das geborstne Riesenhaus
      
 In Schutt und schweigender Verträumnis
      
 Von dunkler Vorzeit Rätseln aus.
      
 Wer schuf den Plan zu solchem Werke?
      
 Wer drang zuerst am Fels empor?
      
 ... Erdmänner höhlten ihn und Zwerge,
      
 Giganten türmten Turm und Tor.
 An diesen senkrecht steilen Rändern
      
 Braucht's sichern Tritt und mannlich Herz.
      
 Weh allen Krinolingewändern!..
      
 Der Blick verstürzt sich abgrundwärts.
      
 Gäh schwebt der Aufstieg und verwittert,
      
 Und schwer ist's, am Geländer gehn;
      
 Wer keuchend in den Knien zittert,
      
 Tut besser, es gemalt zu sehn.
Auf fünfzig mürben Sandsteinstufen
      
 Erklommen wir den Gipfel stramm
      
 Und grüßten laut mit Willkommrufen
      
 Des Himmels Blau vom schmalen Kamm.
      
 Hocheinsam war's. Die wilde Taube
      
 Entfloh dem Nest, vom Gruß verscheucht,
      
 Licht schien der Frühling rings im Laube
      
 Und seine Nebel wallten feucht.
Seltsam Gefühl auf solchem Riffe
      
 Von freiem Schweben ob der Kluft,
      
 Als wandle sich die Burg zum Schiffe
      
 Und treibe schwankend durch die Luft:
      
 Als Mast der Turm mit hohen Rüstern,
      
 Als Deck des Felskamms schmaler Horst,
      
 Als Wellenschlag des Hochwalds Flüstern,
      
 Als Meer der weite grüne Forst.
* * *
Wen echter Schwindel so bezwungen,
      
 Dem fällt betäubt nichts andres ein,
      
 Als Meister Gottfried 
      Tristan und Isolt, 17399 schon gesungen:
      
 »Sie slîchen wieder in ihr stein.«
      
 Da wölbt, cyklopisch anzuschauen,
      
 Als Kammer sich ein schmal Gemach;
      
 Ein einziger Pfeiler, grob behauen,
      
 Trägt wuchtig alles Felsendach.
Hier in den langverlassnen Mauern,
      
 Die Moder weißlich überflog,
      
 War's, daß der Urzeit heilig Schauern
 Noch einmal durch die Trümmer zog.
      
 Ein Gang fuhr auf: – in fernen Tiefen
      
 Erschienen 
      Drei von Reckenart,
      
 Die einen Heldenbergschlaf schliefen,
      
 Dieweil den Tisch durchwuchs ihr Bart.
Der Leib wies Narben eingerissen,
      
 Der Becher tausendjähr'gen Wein,
      
Dem waren Stirn und Aug' zerschlissen,
      
Dem fehlt' die Rechte – 
      dem ein Bein.
      
 Krugtragend in der Schläfer Kreise
      
 Stund eine Jungfrau groß und schlank,
      
 Als ob sie in Walkürenweise
      
 Erst jüngst gebracht den Labetrank,
Und im Gewölb erscholl mit Dröhnen
      
 Ein Lied von fremd ureignem Klang,
      
 Das einer in gewaltigen Tönen
      
 Altfränkisch zu der Harfe sang:
      
 Wie Held Waltari mit Hiltgunden
      
 Aus Heunenland zum Rhein entritt
      
 Und mit den Besten der Burgunden
      
 Am Wasgenstein den Zwölfkampf stritt.
Dann war's, als ob die Saiten schrillten:
      
 »Wann kommt die Zeit? wann bricht der Traum?
      
 Wann greift ihr wieder nach den Schilden?
      
 Wann grünt des Reichs verdorrter Baum?«
      
 ... Doch Hiltgund schwieg. Die Recken schwiegen,
      
 Und alles schwieg ... Da kam ein Zwerg...
      
 Die Nebel sah man dichter fliegen,
      
 Und mit Geknarr schloß sich der Berg.
– Walpurgistag, den ersten Maien,
      
 Wo alle Tiefen offen stehn,
      
 Ward von verfahrner Schüler zweien
      
 Dies Wasgauwunder angesehn.
      
 Sie mischten in der Höhlung Spalten
      
 Waldmeisterkraut zu würzigem Wein
      
 Und dichteten vergnügt und malten
      
 Dies neue Lied vom 
      Wasgenstein.