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Graziella.

Leis im feuchten Tau der Nacht
Kam der Lenz geschlichen,
Wo er schritt, ist Grün erwacht
Und das Eis gewichen.

Knaben jubeln durchs Gefild,
Lassen Drachen fliegen,
Die sich gaukelnd, windumspielt
In den Lüften wiegen.

Ewig neut den Stoff Natur,
Neuert auch die Drachen:
Aus Kanzleimakulatur
Pflegt man sie zu machen.

Und mit leichter Schnur gebeut
Ein Kind den Fabeltieren:
Einst Scheusale, sind sie heut
harmlos und papieren.

– Wie ich hoch am Kirchenturm
Jene Drachen schaue,
Fliegt mein Denken wie im Sturm
Fern nach andrem Gaue.

Gleiches Spiel gilt bei Sorrent,
Drach' heißt dort, »Cometa«,
An Graziellas Arm gelehnt
Sah ich's oft in Meta.

Selig wie im Paradies
Spähten wir nach Napel,
Nikola der Bruder ließ
Den Komet vom Stapel.

Kern und Schweif erglänzt' im Schein
Untergeh'nder Sonne:
Küste, Golf, Orangenhain,
Alles schwamm in Wonne!

– O Graziella! goldne Zeit,
Da Geist und Herz noch sprühte:
Oft hat mir's auf das Haupt geschneit,
Seit jener Lenz verblühte.

Und darf ich einst vor deinem Dach
Spät wiedrum Anker legen:
Fliegst du wohl selbst als alter Drach'
Dem deutschen Freund entgegen.


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