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»Mag der basaltene Mohrenstein
      
 Zum Schreck es erzählen im Lande,
      
 Wie er gebrodelt in Flammenschein
      
 Und geschwärzt entstiegen dem Brande:
      
 Brenns drunten noch Jahr aus Jahr ein.
      
 Beim Wein soll uns nicht bange sein,
      
 Nein, Nein!
      
 Soll uns nicht bange sein!«
F. v. Kobell, Urzeit der Erde, p. 33
Es war der Basalt ein jüngerer Sohn
      
 Aus altvulkanischem Hause,
      
 Er lebte lange verkannt und gedrückt
      
 In erdtief verborgener Klause.
Vulkanische Kraft war damals gehaßt
      
 Ob ihrer zerstörenden Schläge,
      
 Dem Ruhebedürfnis der Erde entsprach
      
 Entwicklung auf feuchtem Wege.
Eintönig wogte die Flut und litt
      
 Nichts hartes mit scharfer Kante,
      
 Die Felsen zerstieb sie zu Kieselstein,
      
 Die Kiesel zerrieb sie zu Sande.
Erdmännlein, die klugen, erkannten betrübt
      
 Die Gefahr allmähl'cher Versumpfung,
      
 Da schürten sie unten leis am Basalt:
      
 »Erwach' aus deiner Verdumpfung!
 »Erwach', sei ein Mann und erhebe dein Haupt,
      
 Zerspreng' die beengenden Bande,
      
 Aus himmelansteigender Felsenburg
      
 Beherrsch' die geschichteten Lande!
»Erwach und ruf: 
      perrumpendum est!
 Wie drüben im Alpenbezirke
      
 Deine tapfern Ahnen Granit und Porphyr,
      
 Die Stammherrn der kühnsten Gebirge.«
Da hub der Basalt zu seufzen an,
      
 Er hatte, von Langweil betrübet,
      
 Ein geologischer Romeo,
      
 Sich in die Molasse verliebet.
Molasse, der Erbfeinde Töchterlein,
      
 Moderne, marinische Schichten! ...
      
 Drum nagte der Gram wie verzehrender Rost
      
 An seinem Trachten und Dichten.
Um der Tiefe zentrale Urfeuer lag
      
 Er träumend und sprach wie im Fieber:
      
 »O wär' ich ein wäss'riger Niederschlag
      
 Und bei Ihr ... das wäre mir lieber!«
Erdmännlein, die klugen, die trugen stets
      
 Den Fortschritt des Ganzen im Sinne;
      
 Was kümmert solch doktrinäres Volk
      
 Des Einzelnen Herzweh und Minne?
Und wieder hetzten und schürten sie scharf:
      
 »Lass' ab von deinen Visionen,
      
 Du erntest nur einen Korb und den Spott
      
 Der sämtlichen Formationen.
»Schon flüstert's der Onkel Steinsalz dem Kalk,
      
 Schon basen es höhnisch die Wellen:
      
 »»Wie kann sich des Meeres drittältestes Kind
      
 Dem Auswurf des Feuers gesellen?««
 ... Was weiter geschah, man erfuhr es nie,
      
 Doch plötzlich faßt' ihn ein Wüten,
      
 In feuriger Lohe schnob er heraus,
      
 Seine Adern glühten und sprühten.
Lautrasend drang er nach oben vor
      
 Und sprengte mit sengenden Gluten
      
 Die Decke der Schichten, die wie ein Alp
      
 Schwerlastend über ihm ruhten.
Auch 
      sie, für die er einst schwärmte, sank
      
 Als Opfer der grimmen Verheerung.
      
 ... Auflacht' er höhnisch und hüllt' sich in Rauch
      
 Und stürmte zu neuer Zerstörung.
Und Schlag auf Schlag – dumpfkrachend Getös
      
 Von tausend und tausend Gewittern ...
      
 Die Erde barst, es durchzuckte sie tief
      
 Ein Schüttern und Zittern und Splittern.
Bis steil majestätisch der feurige Kern
      
 Den klaffenden Spalten entsteiget,
      
 Und trümmerbesäet sich Land und Flut
      
 Dem Säulengewaltigen neiget.
Da stand er und schaute die blauende Luft
      
 Und der Sonne lichtspendendes Walten,
      
 Dann seufzte er tief ... kühl weht es vom See ...
      
 Dann sank er in starres Erkalten.
Doch in dem Gefelse wohnt heute noch
      
 Ein seltsam Tönen und Klingen,
      
 Als wollt' es von seliger Jugendzeit
      
 Ein Lied der Sehnsucht uns singen.
Und ein goldgelb Tröpflein Natrolith
      
 Im geschwärzten Stein oft erscheinet ...
      
 Das sind die Tränen, die der Basalt
      
 Der gesprengten Molasse weinet.