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Eisenach im Jahr 1510.
Wir haben eine schreckliche Zeit durchlebt und dürfen noch froh sein, wenn sie nur auch wirklich vorüber ist!
Die Pest hat in Eisenach gewütet; und leider ist sie noch immer nicht vorbei.
Fritz besuchte uns wie gewöhnlich an Weihnachten. Gerade ehe er Erfurt verließ, war die Pest in der Universität ausgebrochen, ohne daß er es wußte.
Als er ankam, schien er ganz wohl und munter zu sein; allein schon am zweiten Tage klagte er über Fieberfrost und Kopfschmerzen, welche gegen Abend noch heftiger wurden. Seine Augen waren starr und trübe, und er schien unfähig zu sprechen oder zusammenhängend zu denken.
Ich bemerkte, daß Mutter ihn diesen Abend ängstlich beobachtete; und als sie am Schlusse desselben seine Hände fieberhaft fand, sagte sie ganz ruhig, daß sie diese Nacht bei ihm wachen wolle. Anfänglich versuchte er Einwendungen zu machen; aber er war zu schwach, auf etwas zu bestehen; als er nun aufstand, um zu Bette zu gehen, schwankte er und sagte, er sei schwindelig, so daß Mutter ihn beim Arme nahm und in sein Zimmer führte.
Noch war ich nicht ernstlich besorgt. Allein Eva sagte zu mir, als wir in unsere Kammer traten, mit jenem ruhigen aber überzeugenden Tone, der ihr schon als Kind eigen war, indem sie mich mit ihren großen, dunkeln Augen ansah: »Base Else, Fritz ist sehr krank.«
»Ich glaube es nicht, Eva,« erwiderte ich, und doch würde niemand mehr um ihn bekümmert sein als ich. »Er wird sich wohl auf der Reise hieher erkältet haben. Du weißt, es war spät, als er ankam, und es schneite stark, und in der Freude des Wiedersehens und im Eifer des Gespräches wollte er seine Kleider nicht wechseln. Es wird wohl ein leichtes Erkältungsfieber sein. Ueberdies war Mutter so ruhig, als sie uns gute Nacht wünschte; sie ist nicht besorgt, sondern will nur ein paar Stunden bei ihm sitzen bleiben, bis er eingeschlafen ist.«
»Base Else,« versetzte Eva, »hast du nicht der Mutter Lippen zittern sehen, als sie sich umdrehte, uns gute Nacht zu sagen?«
»Nein, Eva,« antwortete ich, »denn ich sah gerade Fritzen an.«
Hierauf gingen wir zu Bette. Doch kam es mir seltsam vor, daß Eva, ein sechzehnjähriges Mädchen, ängstlicher war, als ich, seine Schwester. Allein so lange man noch nicht viele traurige Erfahrungen gemacht hat, ist die Hoffnung immer stärker als die Furcht. Eva jedoch hat einen merkwürdig sichern Blick, die Wahrheit zu erkennen. Müde von der Arbeit des Tages (denn so lange Fritz hier ist, stehe ich immer früher auf als gewöhnlich, um alle Geschäfte besorgt zu haben, ehe er in's Wohnzimmer kommt), schlief ich sehr bald ein. Gegen Mitternacht weckte mich die Mutter, indem sie meinen Arm berührte. Das Licht der Lampe, die sie in der Hand hielt, zeigte mir sogleich ihr bleiches, angstvolles Gesicht.
»Else,« sagte sie, »geh zu den Knaben und sende Christoph nach einem Arzte! Ich kann Fritz nicht verlassen. Aber erschrecke Vater nicht,« setzte sie hinzu, und schlich, nachdem sie unsere Lampe angezündet, leise wieder aus dem Zimmer.
Ich rief Christoph, und in fünf Minuten war er angekleidet und aus dem Hause. Als ich wieder in unsere Kammer zurückkehrte, saß Eva angekleidet auf dem Bette. Ich sah, sie hatte nicht geschlafen, sondern vermutlich gebetet; denn sie hielt das Kruzifix in der Hand und es waren Spuren von Thränen auf ihren Wangen, obgleich ihre Augen, als sie mich ansah, hell und trocken waren.
»Was ist es, Base Else?« sagte sie. »Als ich einen Augenblick an die Thüre seines Zimmers ging, sprach er, aber mit einem seltsamen, wilden Tone. Er muß meine Schritte gehört haben, obgleich ich sehr leise ging, denn er rief: Eva, Eva! aber Mutter kam an die Thüre und winkte mir stillschweigend fortzugehen. Allein du kannst zu ihm gehen, Else,« fügte sie mit einer bei ihr ganz ungewohnten leidenschaftlichen Hast hinzu. »Geh' zu ihm!«
Ich ging unverzüglich. Er sprach sehr schnell und mit großer Heftigkeit, und so unzusammenhängend, daß man ihn fast nicht verstehen konnte. Meine Mutter saß bei ihm, seine Hand in der ihrigen haltend. Seine Augen glänzten nicht wie im Fieber, sondern waren starr und trübe. Und doch hatte er furchtbar heftiges Fieber. Seine Hand brannte wie Feuer und sein Gesicht war rot wie Glut. Zuerst sah Fritz nach mir, dann blickte er nach der Thüre, als erwarte er noch jemanden, allein wenige Minuten darauf wurde sein Blick wieder unstät und er schien völlig bewußtlos.
So stand ich still neben der Mutter, als der Arzt kam. Er blieb einen Augenblick vor der Thüre stehen und hielt sich ein Säckchen voll Myrrhen vor die Nase. Dann trat er an das Bett, schlug die Decke zurück und untersuchte Fritzens Arm.
»Nur zu deutlich,« rief er aus und fuhr erschrocken zurück, als er dort eine schwarze Beule entdeckte. »Es ist die Pest.«
Meine Mutter folgte ihm nach bis zur Thüre.
»Verzeiht, gute Frau,« sagte er; »aber das Leben ist kostbar und ich könnte die Krankheit in der Stadt verbreiten.«
»Kann man denn gar nichts thun?« fragte sie.
»Nicht viel,« erwiderte er barsch; dann aber, gerührt durch ihre Angst, trat er nach kurzem Zögern wieder an das Bett. »Ich habe ihn angerührt,« murmelte er leise, gleichsam sich entschuldigend, daß er sich der Gefahr aussetze; »das Unheil ist ohne Zweifel schon geschehen.« Damit zog er seine Lanzette heraus und ließ meinem Bruder zur Ader.
Als der Arm verbunden war, wendete er sich zu mir und sagte:
»Nimm Cypressen und Wachholderholz und verbrenne es hier in dieser Stube auf einem Kohlenbecken mit Geigenharz und Myrrhen. Halte deinen Bruder so warm als möglich, laß kein Lüftchen an ihn kommen und,« fügte er hinzu, als ich ihn an die Thüre begleitete, »laß ihn durchaus keinen Augenblick schlafen und niemand ihm nahe kommen, als dich und deine Mutter.«
Als ich wieder an das Bett zurückkehrte, nachdem ich die Vorschriften des Arztes befolgt hatte, war Fritz völlig bewußtlos und schien, obgleich wir nur wenig von dem, was er sprach, verstanden, in großer Herzensangst. Offenbar mußte er die Worte des Arztes verstanden haben; denn er rief öfters aus: »Die Pest! die Pest! ich bin meiner Familie zum Fluch geworden!« Dann rief er wieder nach Martin Luther und Eva und bat sie, für ihn Vergebung zu erflehen, als ob er Heilige im Himmel anriefe, und zuweilen wiederholte er Bruchstücke aus lateinischen Liedern.
Es war schrecklich, ihn immer rufen zu müssen, wenn er Neigung verriet einzuschlummern, ihn wach zu halten, um Gedanken nachzuhängen, die sein armes Gehirn so verwirrten. In der zweiten Nacht wurde die Mutter ohnmächtig, und ich mußte sie hinwegtragen. Ach! ihre teure, magere Gestalt war keine schwere Bürde! Ich legte sie auf das Bett in unserer Stube, weil diese die nächste war. Eva erschien an der Thüre, als ich bei der Mutter stand. Sie war blaß wie der Tod. Ehe ich es verhindern konnte, hatte sie meine Hände ergriffen und sagte:
»Base Else, versprich mir, daß ich ihn noch einmal sehen darf, wenn er stirbt.«
»Ich darf nichts versprechen, Eva,« sagte ich, »bedenke die Ansteckung!«
»Was kümmere ich mich um die Ansteckung, wenn er stirbt!« rief sie. »Ich will gern auch sterben.«
»Denke an unsern Vater und die Geschwister, Eva,« versetzte ich; »wenn unsere Mutter und ich auch von der Pest ergriffen werden, was sollten sie anfangen?«
»Chrimhilde wird bald alt genug sein, um für sie zu sorgen,« erwiderte sie ganz ruhig; »versprich mir's, Else, sonst will ich auf der Stelle zu ihm gehen!«
Da gab ich das Versprechen, und sie umarmte und küßte mich. Dann ging ich wieder zu Fritz und ließ Eva bei der Mutter, welcher sie die Hände wärmte, zurück. War es ja doch vergebens, sie vor der Ansteckung behüten zu wollen, nachdem sie meine Hände berührt hatte! –
Als ich wieder zu Fritz kam, war er eingeschlafen! Ich machte mir die bittersten Vorwürfe darüber: aber was hätte ich thun können? Er schlief, –schlief so sanft und atmete so ruhig und gleichmäßig, daß ich nicht den Mut hatte, ihn aufzuwecken; allein ich kniete nieder und flehte inbrünstig zur gebenedeiten Jungfrau und zu allen Heiligen, sich meiner zu erbarmen und ihn zu retten. Und mein Gebet ward erhört; denn ungeachtet meiner Versäumnis fing Fritz seit jenem Schlummer an sich zu erholen. –
Unsre Großmutter sagt, wenn der Arzt sich nicht geirrt habe, so müsse seine Genesung ein Wunder des Himmels sein.
Er erwachte aus diesem Schlafe erfrischt und beruhigt, aber schwach wie ein Kind.
Welche Freude, als er erwachte und seine Augen nicht mehr jenen bald wilden und starren, bald unstäten Blick hatten, sondern wieder wie sonst bis in sein Herz schauen ließen! Er sah mich lange mit stiller Befriedigung an, ohne ein Wort zu sprechen, dann streckte er seine Hand nach der meinigen aus und sagte:
»Else, du mußt wohl noch lange bei mir gewacht haben. Du siehst müde aus; geh' und lege dich schlafen!«
»Dich anzusehen und besser zu finden ist für mich die süßeste Erholung,« sagte ich.
Er war zu matt, um länger zu widerstehen. Nachdem er etwas Nahrung und kühlenden Trank zu sich genommen hatte, fiel er auf's Neue in Schlaf und ich gleichfalls; denn das Erste, was ich bemerkte, war, daß unsere Mutter sachte ein Kissen unter meinen Kopf schob, weil er auf das Bett gesunken war, vor dem ich gekniet hatte, um Fritz zu beobachten. Ich schämte mich eine so schlechte Wärterin gewesen zu sein; aber die Mutter bestand darauf, ich sollte in meine Kammer gehen, um mich ordentlich auszuruhen. Die folgenden Tage wachten wir abwechselnd an seinem Bett, bis er anfing sich etwas stärker zu fühlen. Dann dachten wir, es werde ihn freuen, Eva zu sehen; allein sobald sie an die Thüre kam, winkte er ihr heftig, hinweg zu gehen und sagte:
»Laßt sie nicht in meine Nähe kommen. Bedenkt, wenn ich dieses Gericht Gottes über sie brächte!«
Eva wendete sich um und war im Augenblicke ihm aus dem Gesichte; aber in Fritzens Augen kam wieder der wirre, ängstliche Blick und die fieberhafte Röte auf seinen Wangen und es währte lange, ehe er wieder beruhigt schien.
Ich ging Eva nach. Sie saß mit gefalteten Händen in unserer Stube.
»O Else,« rief sie aus, »wie verändert er aussieht! Weißt du gewiß, daß er gerettet ist?«
Ich suchte sie mit der Hoffnung zu trösten, welche natürlich so viel stärker bei mir war, da ich ihn in der größten Gefahr gesehen hatte, aus welcher er jetzt langsam dem Leben wieder geschenkt ward. Allein sein Anblick schien an ihrem Leben zu zehren; während Fritz genas, wurde Eva immer schwächer und blässer, bis sich dieselben Symptome einstellten, die wir so zu fürchten gelernt hatten –das heftige Fieber und endlich jene schrecklichen Zeichen, die keinen Zweifel mehr aufkommen ließen, die Pestbeulen auf den weichen, weißen Armen –und auch Eva da lag mit jenen trüben, starren Augen in dem Zustande völliger Bewußtlosigkeit.
Einen Tag nur gelang es uns, Fritz ihre Krankheit zu verbergen.
Am zweiten Abend, nachdem Eva von der Seuche ergriffen worden, fand ich ihn am Fenster seines Zimmers stehend und auf die Straße hinabschauend. Nie werde ich den Ausdruck des Abscheus vergessen, womit er sich von dem Fenster nach mir umwandte.
»Else,« sagte er, »wie lange haben diese Feuer schon auf den Straßen gebrannt?«
»Eine Woche,« sagte ich. »Es sind Feuer von Cypressen und Wachholderholz mit Myrrhen und Fichtenharz. Die Aerzte sagen, sie reinigen die Luft.«
»Ich weiß nur zu wohl, was sie bedeuten,« sagte er. »Aber Else,« fuhr er fort, »warum ist Nachbar Bührers Haus, geschlossen?«
»Er hat zwei Kinder verloren,« erwiderte ich.
»Und warum sind denn die ganze Straße hinunter alle Fensterladen geschlossen?« fing er von Neuem an.
»Die Bewohner sind verreist, Bruder,« gab ich zur Antwort. »Aber die Aerzte hoffen, daß das Schlimmste vorüber ist.«
»Gerechter Gott!« rief er, auf einen Stuhl sinkend aus und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. »Ich wollte vor dir fliehen und habe nun diesen Fluch über die Meinigen gebracht!«
Dann, nach einer kleinen Pause, ehe ich noch hatte Worte finden können ihn zu trösten, sah er auf und fragte plötzlich:
»Wer ist in unserm Hause gestorben?«
»Niemand,« sagte ich.
»Wer ist angesteckt?« fragte er.
»Alle Kinder und der Vater sind wohl,« sagte ich, »und die Mutter.«
»So ist Eva von der Pest ergriffen,« rief er aus; »die Unschuldige für den Schuldigen! Sie wird sterben und eine Heilige im Himmel werden, und ich, der sie gemordet hat, werde am Leben bleiben und sie nie mehr sehen, nie mehr!«
Ich vermochte nicht, ihn zu trösten. Die Heftigkeit seines Schmerzes überwältigte mich. Ich brach in Thränen aus, so daß er sich nur bemühte, mich zu trösten. Doch sprach er kein Wort, sondern nahm nur, wie sonst, meine beiden Hände in die seinigen. Endlich sagte ich:
»Du hast die Pest nicht gebracht, lieber Fritz, Gott hat sie gesendet.«
»Ich weiß, daß Gott es ist,« versetzte er mit solch bitterm Tone, daß ich nichts zu erwidern vermochte. Diese Nacht phantasierte Eva sehr viel, während ich bei ihr wachte: allein ihr Delirium war ganz anders als Fritzens. Ihr Geist schien auf einem ruhigen Strome nach einem glücklichen Lande zu schwimmen, das wir nicht sehen konnten. Sie sprach von einem Palaste, von einer Heimat, von Feldern voll duftender Lilien, auf welchen Heilige in weißen Kleidern wandelten und liebliche Lieder zur Harfe sangen, und von Einem, der sie dort willkommen hieß. Zuweilen auch flüsterte sie Worte aus denselben lateinischen Liedern, welche Fritz im Fieber hergesagt hatte, aber in ganz anderm Tone, so kindlich und selig!
Nur zuweilen schien sie unruhig, als ob sie Jemand vermißte und hin- und herginge, ihn zu suchen. Doch sagte sie dann zuletzt: »Ja, ich weiß, sie werden kommen; ich muß nur auf sie warten!« Und dann schlummerte sie endlich ein, als ob dieser Gedanke sie beruhigt hätte. –
Was auch der Arzt sagte, ich konnte sie nicht am Schlafen hindern; sie lag so ruhig da und lächelte so selig. Nur einmal, als sie eine Stunde ganz unbeweglich dagelegen hatte, und ihre Brust unter ihrem sanften, ruhigen Atem sich kaum noch zu heben schien, wurde mir bange, sie möchte unvermerkt von uns in die Arme der Engel gleiten, und ich flüsterte leise: »Eva, liebe Eva!«
Ihre Lippen öffneten sich ein wenig und sie murmelte:
»Noch nicht; warte bis sie kommen.«
Dann drehte sie ihren Kopf auf dem Kissen um und schlief weiter.
Als sie erwachte, war sie ganz bei Besinnung und fragte ruhig:
»Wo ist die Mutter?«
»Sie ruht, meine teuerste Eva!«
Sie sah mich mit zufriedenem Lächeln an, dann fuhr sie mit schwacher Stimme fort:
»Jetzt möchte ich Fritz sehen. Du hast es mir versprochen, und wenn ich sterben sollte, denke ich, würde er gerne mich noch einmal sehen.«
Ich ging meinen Bruder zu holen. Er ging in seiner Stube auf und ab, das Kruzifix fest an sein Herz gedrückt. Zu meiner Verwunderung schien er erst ungern mitzukommen; als ich ihm aber sagte, wie sehr sie es wünschte, folgte er mir willig in ihr Zimmer. Mit einem Blick voll Ruhe und himmlischen Friedens hielt sie ihm ihre Hand entgegen.
»Vetter Fritz,« sagte sie mit manchen Unterbrechungen wegen ihrer Schwäche, »du hast mich so manches gelehrt, so viel für mich gethan. Ich möchte dich jetzt meinen Spruch lehren, damit wenn ich dahin gehe, er dich auch glücklich mache wie mich.« Dann sagte sie langsam und deutlich die Worte: »Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab! Vetter Fritz,« fuhr sie fort, »ich weiß den Spruch nicht zu Ende; es ist mir nicht gelungen, ihn zu finden; aber du wirst es thun. Ich bin gewiß, er ist aus einem guten Buche; denn wenn ich daran denke, liebe ich Gott so herzlich. Versprich mir, daß du ihn suchen willst, wenn ich sterben sollte.«
Er versprach es, und sie war ganz befriedigt. Aber ihre Kraft war nun erschöpft und wenige Augenblicke darauf versank sie, in meinen Armen ruhend, ihre Hand in Fritzens gelegt, in einen tiefen ruhigen Schlaf.
Von dieser Zeit an war ich überzeugt, daß sie nicht sterben werde und flüsterte Fritzen zu:
»Sie wird nicht sterben; sie wird genesen; du wirst sie nicht getötet, sondern gerettet haben!«
Als ich ihn aber ansah, eine freudige, dankbare Antwort erwartend, erschrak ich über den Ausdruck in seinen Zügen. Er stand unbeweglich da, nicht wagend, seine Hand zurückzuziehen, aber mit einem Ausdruck der Verzweiflung in seinem bleichen, abgezehrten Gesicht, das einen schrecklichen Kontrast bildete mit dem sanften Lächeln der ruhig Schlummernden, auf die sein Auge geheftet war.
So blieb er stehen, bis sie erwachte, worauf seine Züge für einen Moment einen andern Ausdruck annahmen, um ihr Lächeln zu erwidern. Dann sagte er sanft: »Gott segne dich, Eva!« drückte ihre Hand an seine Lippen und verließ das Zimmer.
Als ich ihn bald darauf wieder sah, sagte ich zu ihm:
»Fritz, du hast Eva das Leben gerettet. Von dem Augenblick, wo sie dich sah, wurde es besser mit ihr.«
»Ja,« versetzte er sanft, aber mit einer seltsamen Gleichgültigkeit auf seinem Gesicht, »es mag wohl wahr sein, daß ich sie gerettet habe.«
Allein er betrat ihr Zimmer nicht mehr; und am folgenden Tage erklärte er zu unser aller Verwunderung und Bedauern, daß er uns verlassen müsse.
Er nahm nur kurzen Abschied von uns allen und wollte Eva nicht besuchen, um ihr Lebewohl zu sagen, weil es sie stören könnte, wie er behauptete.
Als er mich beim Weggehen küßte, waren seine Hände und Lippen kalt wie der Tod, und als ich ihm nachschaute, wie er die Straße hinabwanderte, drehte er sich nicht um, mir noch einen letzten Gruß zuzuwinken, wie er es sonst immer zu thun pflegte, sondern ging langsam und ruhig weiter, bis er mir aus dem Gesichte war.
Mit schwerem Herzen trat ich von dem Fenster hinweg. Als ich aber Eva sagte, daß Fritz fort sei und ihn zu entschuldigen suchte, daß er nicht Abschied von ihr genommen, weil ich dachte, es würde sie betrüben (denn es scheint mir sehr seltsam von Fritz zu sein), schaute sie mit ihrem ruhigen, vertrauensvollen, zufriedenen Lächeln auf und sagte:
»Es thut mir gar nicht weh, Base Else. Ich weiß, Fritz hat gute Gründe dafür gehabt; denn die hat er immer, und wir werden ihn wiedersehen, sobald er abkommen kann.«