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Münchener Schwänke

Szene.

Inmitten der Isarbrücke am Geländer stand ein Mann und starrte mit weitoffnen Augen in den Fluß.

Frau Geheimrat Röckl, die seelengute, ging vorüber – fand das Benehmen des Mannes auffällig – zögerte – guckte – faßte endlich Mut, trat auf den Mann zu und sprach:

»Lieber Herr! Verzeihen Sie einer Unbekannten … – aber glauben Sie mir: Sie sind jung – Sie müssen nicht verzweifeln …«

Der Mann schwieg.

Frau Geheimrat – noch inniger:

»Gott sieht uns alle – er fühlt auch Ihren Schmerz und wird ihn lindern. Machen Sie kein Ende, Herr – das Leben wird Ihnen noch allerhand Schönes bieten.«

Da schüttelte der Mann ernst den Kopf und sagte:

»Gnä Frau täuschen Ihnen. I denk ja an kan Selbstmord net. I steh oft stundenlang hier auf der Brucken und schau mir so viel gern die Donau an.«

»Herr,« rief Frau Geheimrat, – »das ist doch die Isar??«

»Also segen S', gnä Frau, wie kurzsichtig ich bin!«

Bayern.

Der Zug hielt in Treuchtlingen – unendlich lang.

Endlich beugte sich die kleine Frau aus dem Fenster und fragte schüchtern:

»Ach bitte, Herr Schaffner! Um welche Stunde fahren wir wohl?«

»Bal mr fertig saan,« knurrte er.

Da sprang ein Herr auf und schrie den Schaffner an:

»Sö dreckigs Rindviech, Sö dreckigs! Wern S' glei orntli antworten? Wann fahren mir?«

»6 Uhr 10,« beeilte sich der Schaffner zu erwidern. »tschujding scho – i hab net gwußt, daß d' Herrschaften hiesige saan.«

Auskunft.

Meister Kullinger porträtiert jetzt einen amerikanischen Milliardär.

Heut morgen tritt der Milliardär ins Zimmer und fragt:

» How about watercolours?«

Kullinger mit einer höflichen Verbeugung:

»Gleich rechts ums Eck, bitt schön – die erste Tür.«

Enttäuschung.

Die Sache spielte sich auf der Strecke von München nach Wien ab, und der Mann, um den es sich handelt, ein Schwerelegant von 190 Pfund Lebendgewicht plus 1 Pfund Gold und Edelsteine, war, (wie sich bald herausstellte) Herr Generaldirektor Kluibinger von der Bifag-Filmgesellschaft.

Er las ein dickes Buch – schweißtriefend von der ungewohnten Beschäftigung – und unablässig, wenn auch lautlos bemüht, die Aufmerksamkeit der Mitreisenden darauf zu lenken, daß er seiner Bildung obliege.

Von Rosenheim an wiegte er immer merklicher das Haupt, blätterte erregt vorwärts im Buch, ohne zu finden, was er suchte – und endlich fing er ein Gespräch an.

Schon nach einigen Worten gewann ich sein Vertrauen, und er beichtete mir seine Nöte.

»A so a Sauschwindel,« sprach er. »Für fuchzehn Markeln kauf i mir a Romanbüchl. ›Ben Hur‹ steht drauf. No also! Nachher lies i un lies – ja, kschamster Diener: ka aanzige Schweinerei im ganzen Buch.«

Ein Mißverständnis.

Mein Freund Block, der Däne, hat nach vieler Müh ein möbliertes Zimmer gefunden. Ich denke mir: er wird es einsam haben in dem neuen Haus und schreibe ihm:

»L. B –!

Ich erwarte Dich heut abend zwischen 9 und 10 bei mir.

Herzlich Dein …«

Block kommt. Wir trinken ein Glas, rauchen, schwatzen – gegen Morgen geht er wieder.

Schön. Als Block aber um fünf Uhr heimkehrt, findet er die Tochter seiner Hauswirtin in Tränen aufgelöst in seinem Zimmer.

Sie heißt Berta, die Arme. Und hat meinen Brief, der breit auf Blocks Tisch gelegen, für eine Einladung Blocks gehalten … Von neun Uhr abend bis fünf hat sie pflichtschuldig, wartend auf Blocks Bettkante gesessen.

Politischer Unterricht.

»Wie heißen jene Leute, die alles, was den Menschen ihresgleichen gehört, auch für ihr Eigentum ansehen – die rücksichtslos wegnehmen, was andre erdacht, erfunden, gearbeit haben –?«

»Das sind die Komponisten.«

Philosophie.

Um elf Uhr hatte der arme Rotting Visite beim reichen Ohbauer geschlagen – und durch herzbrechendes Jammern, vermischt mit Selbstmorddrohungen, war es ihm gelungen, dem geizigen Filz ein Darlehen von zehntausend Mark zu entsteißen.

Um ein Uhr machte der reiche Ohbauer seinen Sonnenspaziergang an den Spiegelscheiben lang der Theatinerstraße. Und wer saß im kostspieligsten Restaurant und futterte Kapaunen? Der arme Rotting.

Ohbauer stürzte, kirschrot vor Ärger, ins Restaurant.

Noch hatte er nicht Luft genug, gerechte Vorwürfe auszustoßen, als Rotting schmerzbewegt begann:

»Arm sein ist schrecklich. Wenn man dabei auch noch schlecht leben müßte …?«

Der Verblüffte.

Die Hochzeit meines Freundes Piering war die weitaus lustigste, seit Menschen denken.

Schon der Polterabend hatte sozusagen zwei Tage vorher begonnen und ging unmittelbar über in das eigentliche Fest.

Die Braut, Soferl Henke, war durchaus nicht abstinent gewesen. O nein, sie hatte ziemlich tiefe Gläser gestülpt: und hing auf der Fahrt nach dem Standesamt, vom Schleier zart verhüllt, seekrank halb über Bord der Hochzeitskutsche.

Als der lange Piering aber, von den Erlebnissen immernoch betäubt, am ersten Morgen der jungen Ehe erwachte – was war denn nur mit ihm geschehen? Er traute seinen Augen nicht:

»Henke Soferl!« rief er, höchlich erstaunt. »Wie kommst denn du daher??«

Das Parlament.

In München wollt ein Bauer auf die Galerie des Landtags.

Wohlmeinende Leute riefen:

»Was willst denn da heroben, du gscherter Rammel? Du ghörst unten hin.«

Die Tante.

Ich hatte eine Tante vom Land zu Besuch bei mir und schob sie in die Schackgalerie ab.

Dann fragte ich sie, wie es ihr gefallen hätte.

»Großartig, lieber Neffe, großartig. In ganz Ingolstadt weiß ich keine drei Familien, die solche Bilder haben.«

Das Auge.

Unsre Gouvernante, die Gans, hat sich irgendeinmal das linke Auge operieren lassen – von einem Prinzen – das erzählt sie uns schon sieben Jahre.

Unlängst fings am rechten Auge an. Wir brachten sie zu Professor Uhthoff.

Nach zwei Wochen kam sie zurück.

»Na, Fräulein, ist das rechte Auge wieder gut?«

»Ja. Aber so gut wie das andre doch nicht.«

Eine Leseprobe ergab grade das Gegenteil. Sie mußte es zugeben.

»Gott, ja,« sagte sie, »ich sehe mit dem rechten Aug besser; aber mit dem Aug Seiner Hoheit seh ich viel feiner.«

Die Natur.

Ich ging mit Frau Kulicke spazieren – im Wald bei Feldafing.

»Ja,« sagte Frau Kulicke, »es ist hier janz anders als bei uns in der Mark. De janze Vejetationg viel südlicher, allens so scheen un üppig.«

Da kam ein Grünspecht geflogen.

Frau Kulicke – überrascht:

»Wat? Ooch Papageien?«

Im Hofbräu.

Ich esse … Was? Natürlich eine Kalbshaxe.

Mein Nachbar, ein Eingeborner, sieht mir zu – nicht mit Interesse, nein, mit Inbrunst.

Plötzlich ruft er bös:

»Sö! Warum schneiden S' denn 's Fette weg – han???!«

»Weil ich,« erwidere ich kleinlaut, »das Fette später mit Salz und Pfeffer auf Brot essen will.«

»Na,« sagt mein Nachbar versöhnt, »na is mir scho recht.«


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