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Der große Serbe

Ein sonderbares Organ, das Gehirn. Wunderlich wie alle seine Funktionen ist auch seine Treue: das Gedächtnis.

– – – Ich frage die schöne Dame:

»Gnädigste interessieren sich wohl nicht für Politik? Für Rußland und Polen? Für Griechenland und die Türkei?«

»Doch, doch, Roda. Besonders die Balkangeschichten – ich höre sie immer gern. Und für einen Menschen dort habe ich gradezu geschwärmt.«

»Der Glückliche! Wer ist es denn?«

» … Dieser große Serbe …«

»Wer?«

»Na, wie heißt er gleich?«

Sie faltet ungeduldig die Brauen, sie schnalzt burschikos mit den Fingerchen. Endlich ruft sie fast bös:

»So erinnern Sie mich doch, zum Kuckuck! Der große Serbe – der elegante, entschlossene Mensch …«

»?«

»Sie selbst, Roda, haben mir ihn wiederholt genannt – tausendmal stand sein Name in der Zeitung, sein Bild sogar in den Schaufenstern …«

»??«

»Helfen Sie – der große Serbe mit den schönen Augen?! Ich habe den Namen auf der Zunge – mit P fing er an, und alle Welt sprach von ihm.«

»Meinen Sie Putnik, den Wojwoden von 1912, Generalissimus im Weltkrieg?«

»Nein, anders.«

»Dann also Paschitsch? Von König Milan zum Tod verurteilt, später Serbiens Bismarck und jetzt sein Unterhändler?«

»Auch nicht. Einer mit P, von dem soviel die Rede war.«

»Am Ende Patschu, einst Arzt in Belgrad, Serbiens Miquel?«

»Nein, nein. Einer mit P, ein ritterlicher Kerl mit Feueraugen.«

»Ah – – Pribitschewitsch? Oesterreichischer Oberleutnant, nun serbischer Minister?«

»Herrgott, sind Sie ungeschickt! Oder stellen Sie sich nur so? Der soignierte, tapfere große Serbe mit P, für den ich so geschwärmt habe, der berühmte Mann … Er war Gesandter in Paris, hat dann den Sultan entthront … (Freudig:) Ich habs! Er hieß Enver-Bey. – Sagen Sie, Roda: warum hört man jetzt nichts von ihm?«


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