Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Von den Malern

Sie kennen wohl die Bayerische Schönheitsgalerie, sechsunddreißig Frauenbildnisse; hängen im Saalbau der Residenz. Josef Stieler, Ludwigs des Ersten Hofmaler, hat sie geschaffen.

In Mailand porträtierte derselbe Josef Stieler den Vizekönig Eugen; in Wien Beethoven und den Kaiser Franz; in München den König; in Weimar Goethen und den ältern Humboldt.

Josef Stieler hatte zwei berühmte Söhne: Karl, den Dialektdichter – er starb vor einem Menschenalter; Eugen Ritter von Stieler (nach Eugen Beauharnais genannt) lebt wohlgemut, der alte Herr, war viele Jahre Syndikus der Münchener Kunstakademie und ist jetzt Geheimer Rat im Ruhestand.

Eugen von Stieler war ein Schüler Pilotys – gleich Defregger, Lenbach, Makart, Gabriel Max, Leibl, Hermann Kaulbach. Er durfte Münchens glänzendste Vergangenheit miterleben und erzählt gern davon im Scherz und Ernst. Hier ein paar Geschichten, die ich ihm verdanke.

— — —

Dem alten Kaulbach war eben ein Knabe geboren worden. Schwanthaler begegnete dem glücklichen Vater und gratulierte ihm.

Doch eine bissige Bemerkung könnt er sich nicht verkneifen:

»Mein lieber Professor – dös hätten S net tun sollen – a Famüli gründen; jetzt saan S net mehr der einzige Kaulbach.«

Kaulbach, der Sarkast, antwortete gereizt:

»Bei Ihnen is es grad umgekehrt, Herr Professor Schwanthaler.« (Schwanthaler hatte stets zahlreiche Aufträge auf Denkmäler.) »Sie sollten heiraten, dann könnt Ihre Witwe s Gschäft fortführen.«

— — —

Schwind und Wilhelm Kaulbach hatten sich in einer Akademiesitzung überworfen und waren als Feinde voneinander gegangen. Die Zwietracht erregte Münchens Künstlerschaft aufs höchste. Alle Versuche, die beiden Herren zu versöhnen, blieben erfolglos.

Eines Tages saß Kaulbach mit ein paar Freunden im Hofbräuhaus – und wie sichs so trifft, ging er sich die Hände waschen. Vor der Tür traf er mit Schwind zusammen, der zu demselben Zweck gekommen war.

Der sonst so grobe Schwind trat zurück. »Bitte, Herr Direktor, Sie haben den Vortritt!«

»Oh, durchaus nicht,« sprach Kaulbach, »unter keinen Umständen. Sie waren zuerst da.«

So komplimentierte man einander an das Waschbecken. So lang sich Kaulbach wusch, stand Schwind wartend dabei. Dadurch fühlte wieder Kaulbach sich verpflichtet, auf Schwind zu warten. Und endlich betraten die seit Jahren verfeindeten Meister versöhnt das Bräustübel.

— — —

Im alten München gabs eine sogenannte Lokalausstellung. Sie wurde nicht eben von den Besten beschickt.

Eines Tages traf Menzel auf der Durchreise in München ein. Professor Stieler suchte ihn im Gasthof auf und erfuhr zu seinem Erstaunen, Menzel wäre in die Lokalausstellung gegangen. Er fand ihn dort in Betrachtungen versunken vor einem recht uninteressanten Landschaftsbild.

»Sehen Sie,« sagte Menzel, »wenn man sich nur recht bemüht, kann man in jedem Bild etwas Gutes finden.«

»Haben Sie auch hier etwas Gutes gefunden, in diesem Bild?«

»Ja,« sagte Menzel. »Den guten Willen.«

— — —

Als Menzel in Berlin seinen achtzigsten Geburtstag feierte, da gab es allerhand Festlichkeiten auf der Kunstakademie: Abordnungen aller deutschen Schulen und Museen waren gekommen – die brachten Menzeln ihre Wünsche dar; der Kaiser hatte die Schloßgardekompagnie als Ehrenwache hingeschickt.

Am Abend ein Bankett im Kaiserhof: Prinzen, Minister, Exzellenzen ohne Zahl. Alles war pünktlich erschienen, nur einer fehlte: die Hauptperson, das Geburtstagskind, Exzellenz Menzel.

Bange zehn Minuten verstrichen; da schickte man einen Eilboten nach Menzels Wohnung.

Seine Exzellenz aber stand im Pelz, mit warmer Mütze vor dem Haustor; die dicken Handschuhe hatte er im Eifer abgelegt, den Pelz geöffnet – ein Dutzend Orden war sichtbar auf der Brust. Und der alte Menzel zeichnete und zeichnete das Hofgespann, das ihn holen gekommen war zum Jubiläumsmahl.

Der Bote wollt ihn stören – Menzel ließ nicht ab. Feste, sagte er, gäbs mehr als genug; ein so schönes Gespann aber komme einem nicht alle Tage in den Wurf.

— — —

Stieler war damals Vorsitzender der Deutschen Kunstgenossenschaft. Menzel nahm ihn im Verlauf des Banketts beiseite (es war Sonntag abend) und bat ihn und zwanzig, dreißig andre Herren zum Schoppen für Dienstag früh. Wohin? Das wollte Menzel den Herren schon noch sagen lassen.

Stieler wäre gern Montag abgereist. Doch um eines Frühstücks mit Menzel willen – nicht wahr? – bleibt man gern noch einen Tag.

So warteten denn dreißig Herren, Stieler mit ihnen, auf die Nachricht von Menzel.

Bis Dienstag morgen keine Zeile. Seine Exzellenz hatte offenbar vergessen …

Man fürchtete: Menzel sitze nun irgendwo an einem Tisch mit einunddreißig Gedecken, ganz allein, und warte auf seine Gäste. Um ihm die Verlegenheit zu ersparen, ließ man bei ihm bescheiden anfragen: wie es denn mit dem Frühstück stände?

Er, der schon längst wieder mitten in der Arbeit war – er knurrte: ob denn die Herren Sonntag abend nicht genug gegessen hätten?

— — —

Stieler hatte mit Menzel irgendeine Angelegenheit zu besprechen, die er gern beim Frühstück erledigt hätte. Nun mußte er den Meister wohl oder übel im Atelier aufsuchen.

Auf langes Klingeln öffnet Menzel endlich. Er ist eben im Begriff, einen Herrn zu verabschieden, wohl einen Kunsthändler.

Der Fremde: »Dreitausend also, wenn ich recht gehört habe?«

»Dreitausend,« bestätigt Menzel – begrüßt den neuen Besucher und geleitet ihn den langen finstern Flur entlang ins Atelier.

»Halt,« ruft er plötzlich, »ich muß dem Mann noch was sagen.«

Stürzt an die Tür und schreit ins Treppenhaus, dem Kunsthändler nach:

»Taler! Wohl verstanden: Taler!«

— — —

Als Knaus, damals schon eine Größe, in München einzog, empfing ihn eine Abordnung von Künstlern – darunter auch Leibl.

Leibl hatte von der herkulischen Stärke des Professors Knaus gehört – Knaus nicht weniger Erstaunliches über Leibls Riesenkraft.

Man stellte sie einander vor; und nun reichten sie sich die Hände und quetschten – alles in Gegenwart des Begrüßungskomitees – und drückten und preßten, bis ihnen die Augen aus den Höhlen traten – keiner wollte nachlassen, keiner um Schonung bitten – nicht der Riese Leibl, nicht der Athlet Knaus.

— — —

Naturam expellas furca …

Defregger war schon ein sehr, sehr gefeierter Mann, und seine Bilder wurden nicht mit Gold, nein, mit Dollarnoten aufgewogen – da hatte er ein Grundstück in München an der Mandlstraße; ein hübsches Haus, einen hübschen Garten mit ein paar sonnigen Flecken. Hier im Garten pflegte Defregger zu malen.

Nun wars Mai, das Gras üppig gewachsen, Defregger ließ es mähen. Und weil die Leute doch eben an der Stelle, wo er zu malen pflegte, mit den Sensen an der Arbeit waren, mußte Defregger seine Arbeit unterbrechen und ging Freunde besuchen.

Man sitzt in anregendem Gespräch – da stutzt Defregger plötzlich, blickt hinaus auf den Himmel, der sich ein wenig verfinstert hat – blickt hinaus mit großen Augen und stammelt bleich:

»Um Gottes willen – ein Regen zieht herauf.«

»Haben Sie denn keinen Schirm, Meister?« fragte liebenswürdig die Hausfrau.

»Was – Schirm? Aber mein Heu, mein Heu!« schreit Defregger.

Und stürzt verzweifelt davon – das Heu des Gärtchens vor dem Regen zu retten. Zwei, drei Schiebkarren Heu im ganzen.

Er, der berühmte Professor – nein, der Tiroler Bauer Defregger.

Natura tamen usque recurret.

— — —

Irgendwo in einer bayerischen Stadt lebte eine Witwe und hatte ihren Sohn verloren – was sie aber am meisten schmerzte: sie hatte kein Bild des Toten.

Auf den Rat irgendeines Freundes fuhr die Witwe nach München zu Lenbach. Ihr Sohn hatte ihr ja einmal, vor sieben Jahren, des langen und breiten erzählt, er wäre mit Lenbach in Italien zusammengetroffen – und wieviel anregende Stunden er in des Meisters Gesellschaft verbracht hätte. Da dachte sich die Witwe: am Ende hat Lenbach ihren Sohn, den prächtigen Jungen, zufällig einmal skizziert oder gar gemalt.

Doch Lenbach konnte sich des jungen Mannes nicht einmal entsinnen.

Die Witwe immer dringender:

»Wissen Sie nicht, Herr Professor? Dort und dort – in Verona, in Neapel – müssen Sie ihn gesehen haben – er schrieb mir. Sie hätten ihn beschenkt, mit Wein bewirtet …«

Da stieg in Lenbach eine ferne, dunkle Erinnerung auf … Er langte nach Bleistift und Papier und zeichnete mit raschen Strichen einen Mann hin.

»Ist es der, liebe Frau?«

»Nein.«

»Dann vielleicht dieser hier?« – Blitzschnell war ein andrer Kopf entstanden.

Die Mutter jubelte auf, die Tränen traten ihr in die Augen. Das war ihr Sohn.

Zwei Tage später hatte sie ein Oelbild ihres Sohnes in Händen.

— — —

Stieler hatte als Präsident der Münchener Künstlergenossenschaft nach langer Mühe den Bau des Künstlerhauses durchgesetzt. Lenbach war entzückt. Als Stieler am Abend in der Allotria erschien, hielt Lenbach eine Rede auf Stieler und pries ihn über den grünen Klee.

Die Sitzung der Künstlergenossenschaft war recht anstrengend gewesen. Stieler ging bald schlafen.

Am nächsten Tag kam einer nach dem andern von den Leuten der Allotria zu Stieler und fragte ihn:

»Herr, was haben Sie Lenbach angetan? Womit haben Sie ihn gereizt? Er ist, als Sie wegwaren, furchtbar gegen Sie losgezogen.«

Stieler fackelte nicht lang und ging gradenwegs zu Lenbach.

»Ist es wahr,« fragte er ihn, »daß Sie gestern unmittelbar nach Ihrer Lobrede über mich …«

Lenbach ließ Stielern garnicht erst vollenden.

»Mein Lieber,« sagte er, »bei mir ist alles möglich. Das sind eben Stimmungssachen. Aber Sie sollen sehen, daß ich Sie hochschätze: sagen wir einander von nun an ›du‹.«

Und Lenbach drückte dem verblüfften Stieler den Bruderkuß auf die Lippen.

— — —

Nach Eröffnung der Prinzregentenbrücke gabs eine Hoftafel. Der Prinzregent fragte Lenbach:

»Was sagen Sie zu meiner neuen Brücke?«

»Königliche Hoheit! Wenn ich meine Meinung über den Architekten äußern soll: lassen Sie mich einen Tag Scharfrichter sein.«

— — —

Als Makart auf der Akademie studierte, hatte er einen strengen Lehrer in Piloty.

Makart hatte eine Gruppe von Landsknechten skizziert. Da sagte Piloty:

»Jetzt hören Sie aber, Makart! Ich dulde nicht, daß Sie mir das Bild wieder unvollendet lassen. Sie werden daran weiterarbeiten – verstehen Sie? – bis es fertig ist.«

Makart nickte.

Als Piloty am nächsten Tag zur Korrektur kam, saß Makart vor einem Bild: ›Badende Nymphen‹. Und erklärte seinem Lehrer:

»Ich hab an den Landsknechten weitergearbeitet und immer weiter. So sind mir halt Nymphen draus geworden.«

— — —

Einst hatte Makart eine purpurrote Quaste gefunden. Er hörte nun und sah niemand mehr – saß mit seiner Quaste am Fenster, drehte sie zwischen den Fingern und freute sich an ihrem Farbenspiel. Auf der Akademie sagte man: »Er spinnt.« Das bedeutet in München: er ist verrückt.

Er legte die Quaste aus der Hand, setzte sich an die Staffelei und skizzierte ›Das Gastmahl der Kardinäle‹. Da gabs was zu schauen von roter Pracht – vom tiefsten Bordeaux bis zum strahlendsten Feuer. Leider ist das Bild, wie so viele andre seiner Skizzen, niemals ausgeführt worden.

— — —

Makart war ein wortkarger Mann. Einst wurde er Tischnachbar der Geistinger – blieb aber still wie immer.

Eine Weile hörte sichs die Geistinger an. Dann sagte sie:

»Wissen S was, Makart? Schweigen mir jetzt von was anderm.«

— — —

Als Gedon und Leibl in Wien studierten, da wohnten sie zusammen in einem Zimmer.

Eines Abends, zu sehr vorgerückter Stunde, geriet Leibl in irgendeiner Kneipe in Streit mit Makart. Leibl, der Riese, setzte seinen Bierkrug auf den Tisch, daß er in Stücke ging und ihm die Hand zerschnitt. Gedon brachte den blutenden, trunkenen Kameraden heim und schaffte ihn ins Bett.

Gegen drei Uhr morgens ein Rascheln, ein Plätschern, ein Stühlerücken. Leibl hantierte mit der Waschschüssel, am Koffer, am Schrank.

Gedon fragte ihn überrascht: was er denn treibe?

Und Leibl noch überraschter:

»Ja, Mensch – weißt du denn nicht? Ich muß doch fliehen – ich habe Makart erschlagen?«

— — —

Und nun, nach so vielen Geschichten, deren Zeuge oder Erzähler Professor von Stieler war, auch eine Begebenheit, deren Held er selbst ist:

Ein junger Akademiker – Trattner – hatte Stielers schier übermenschliche Menschenliebe schamlos ausgenutzt; hatte sich im ersten Jahr eine runde kleine Summe von Stieler gepumpt und dann jedes Jahr das Schulgeld und etwas mehr dazu. Bis die Schuld zu ansehnlicher Höhe gewachsen war.

Und als wieder ein Termin verstrich und noch einer – wohl der zwanzigste – von Trattner keine Botschaft und kein Pfennig – da rief Professor von Stieler, und seine Augen flackerten wild:

»An dem Kerl, an dem werd ich ein Exempel statuieren. Er wird was von mir erleben. Ohne Gnade …« (hier schwollen des Professors Zornadern.) »… ohne Gnade schreib ich ihm einen Mahnbrief.«

— — —

Man muß wissen, daß Professor von Stieler aus einem Beruf kommt, der herzversteinernd wirkt: Stieler war einst, eh er sich der Kunst seines Vaters zuwandte, Jurist und so etwas wie Staatsanwaltsubstitut.

Man erzählt in München, wie er einst einen Muttermörder anklagen sollte. Der Muttermörder weinte und jammerte, wie schlecht es ihm immer ergangen wäre; nur in seiner äußersten Not hätt er dann endlich den Raubmord an der eignen Mutter verübt.

Der Staatsanwaltsubstitut ward gerührt und immer gerührter; fühlte das Elend des Angeklagten mit und stellte schließlich den Antrag: die Notlage dieses Menschen wäre wirklich fürchterlich gewesen; immerhin, für den Muttermord gebühre ihm ein Verweis.

Diese Geschichte hat sich niemals zugetragen – sicherlich nicht. Doch der sie erfand, hat des alten Herrn Charakter damit aufs treffendste gezeichnet. So ist es ja in aller Welt wohl mit den Anekdoten; auch wenn sie sich zufällig nie abgespielt haben: ihr Geist ist immer wahr.

— — —

Meister Max Nonnenbruch erzählt von einem Besuch, den er vor ein paar Jahren dem verstorbenen Alma Tadema in London gemacht hat.

Alma Tadema führte den Münchener Kunstgenossen nicht ohne Stolz in seinem Palais umher und ließ alles nach Gebühr bewundern – besonders die Palmen; es waren herrliche Bäume darunter.

»Man sieht, daß Sie hohe Preise für Ihre Bilder erzielen,« meinte Nonnenbruch.

»O, sagen Sie das nicht. Ich habe erst unlängst ein Bild mit Müh und Not an den Mann gebracht.«

»Wie ist das möglich?«

Alma Tadema berichtete:

»Es war ein Akt, ich nannte ihn ›Venus‹. Dutzende von Kunsthändlern hatten bei mir vorgesprochen und sich mit verlegenen Mienen und Achselzucken abgewendet – denn in England kauft man keine Akte. Da stellte ich das Ding in irgendeine Ecke und beachtete es weiter nicht. – Kommt da unlängst wieder ein Händler zu mir und verlangt, ein Bild zu erwerben.

»Ich habe nichts.«

Der Mann wird immer dringender.

»Ich habe nichts.«

»Doch, Sir – hier in der Ecke, sehen Sie …«

»Ach, das ist eine Venus. Die ist nicht anzubringen.«

»Wenn ich sie aber haben möchte?«

»Ich sage Ihnen doch: sie ist nicht anzubringen. Kein Mensch will bei uns solch ein Bild im Zimmer hängen haben.«

»Nun,« sagte der Mann, »ich bin volljährig und willens, mein Geld zu wagen. Was kostet das Bild?«

»Sie kennen meinen Preis: tausend Guineen.«

Der Mann schreibt einen Scheck aus, nimmt sein Bild und geht.

Nächstens begegne ich ihm in der Ausstellung und denke mir: dem Mann weichst du lieber aus.

Er aber kommt strahlend auf mich zu und ruft:

»Ein herrliches, ein glänzendes Geschäft. Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, Sir Tadema!«

»Ja, Mensch, wie haben Sie es nur angefangen, das Bild loszuwerden?«

»Ganz einfach: ich nannte es ›Die Unschuld‹; andern Tags hatte ich dreitausend Guineen dafür.«

— — —

Bei Max Nonnenbruch stand ein Mädchen Aktmodell – ein junges Ding natürlich und wohlgewachsen. Kein Wunder eben, daß sie eines Tages einen Brillantring am Finger trug, das Geschenk eines nobeln Verehrers.

Doch allzu sicher der Noblesse schien sie nicht zu sein – sie fragte Nonnenbruch, ob der Ring auch gewiß echt wäre.

»Fräulein,« erwiderte Meister Nonnenbruch, »davon verstehe ich nichts. Sie müssen zu einem Juwelier gehen.«

Am nächsten Tag erzählte das Fräulein:

»Ich hab den Juwelier gefragt. Wissen Sie, wie hoch er den Ring schätzt? Drei Mark. Wissen Sie aber auch, was ich getan habe? Meinem Schatz hab ich gesagt: »Du,« hab ich gesagt, »ich hab deinen Ring verkauft – unter Garantie – für fünfhundert Mark.« – Da ist der falsche Kerl fein blaß worden. – »Und dann,« sag ich, »hab ich meine Schneiderrechnung davon beglichen. Kaum hab ich sie beglichen, da kommt der Käufer wieder und nennt mich eine Betrügerin und will seine fünfhundert Mark – der Ring wär unecht – sonst bringt er mich ins Gefängnis. Ich fürcht mich nicht vor dem Gefängnis. Ich sag vor Gericht einfach, von wem ich den Ring hab – und er muß echt sein.« – Da ist mein Schatz, der falsche Hund, ganz kreideweiß geworden und hat sein Tascherl zogen und hat mir fünfhundert Mark geschenkt.«

— — —

Studierte da ein junger Mann aus Jüterbog in München; hatte daheim im Norden einen Onkel sitzen, bezog eine Rente von ihm und lebte in München frisch und froh.

Plötzlich ein schrecklicher Umschwung: dem Onkel dort oben war des lieben Neffen Studium allgemach zu lang geworden, die Geldansprüche gar zu hoch – der Onkel machte kurzen Prozeß und stellte die Rente ein.

Was tut man in solchem Fall? Man schreibt dem Onkel einen herzbeweglichen Brief.

Und der Junge tat es. Schrieb: wie dankbar er dem lieben Onkel allzeit wäre – wie fleißig er studiert hätte, wie weit er es gebracht – und jetzt grade, im letzten Augenblick, wolle der liebe Onkel ihn verlassen? Jetzt, wo der begabte Neffe sich schon einen Namen in München gemacht habe, wo er mit den Berühmtesten verkehre, mit Kaulbach, Grützner, Stuck und Defregger?

Der Oheim hörte es gern – nur glaubte er es nicht recht; und fuhr augenblicks von Jüterbog nach München, um sich von seines Neffen Ruhm zu überzeugen.

Herrgott, der Onkel ist da! Da war guter Rat teuer. Doch der Neffe wußte einen: er veranstaltete einen netten Abend im Atelier, lud ein paar Freunde ein, die möglichst würdig aussahen, und stellte sie dem Herrn Oheim vor: Professor von Kaulbach, Professor Grützner, von Stuck und Defregger.

Nun konnte sich der Jüterboger Oheim freuen, mit den Berühmtesten der Palette am Tisch zu sitzen. Stuck bot ihm gar die Bruderschaft an.

Am Morgen darauf erwachte der Onkel mit furchtbarem Gehirnschmerz. Doch auch mit froher Seele: der Neffe, dieser Teufelskerl – bei Allah – er hatte sich durchgesetzt.

Und Onkelchens erster Weg war … ein Antrittsbesuch bei seinem neuen Freund von Stuck.

Nur dieser Uebereifer des alten Herrn aus Jüterbog hatte zur Folge, daß des Neffen schöner Streich mißlang und der Onkel ärmer um eine schöne Erinnerung wurde, um einen schönen Stolz.

— — —

Es gibt einen Bildhauer, dessen besondres Gebiet Grabsteine sind; und einen Maler, der über alles gern andre Menschen reizt und foppt. Der Maler heißt Erich Wilke.

Eines Tages telephoniert Erich Wilke den Bildhauer an:

»Hier Gräfin Erika Wilkinska. Sind Sie der gefeierte Mann, der Denksteine setzt? Mein Gemahl ist vor acht Tagen gestorben. Ich möchte ihm ein Grabmal stiften. Bitte, kommen Sie doch mit ein paar Entwürfen und mit Steinproben ins Hotel Vier Jahreszeiten.«

Der Bildhauer legt reine Wäsche an, einen Besuchsanzug und fährt mit seinen Entwürfen und Steinproben ins Hotel. Die Entwürfe allein sind ein so großer Packen, daß der Droschkenkutscher sich erst nach langem Zureden entschließt, die Mitnahme einer solchen Ladung zu gestatten. Und nun erst die Steinproben! Zwei riesige Koffer.

Im Hotel weiß natürlich niemand was von einer Gräfin.

Der Zufall will, daß acht Tage später eine wirkliche und wahrhaftige Gräfin beim Bildhauer anklingelt.

»Ich möchte eine Urne bei Ihnen bestellen. Ich bin die Gräfin …«

Weiter läßt der Bildhauer sie garnicht reden.

»Ach, die Frau Gräfin! Ihr Gemahl ist vor acht Tagen gestorben – wie? Und eine Urne wollen Sie – ha? Ich soll Entwürfe und Steinproben ins Hotel bringen – he? Packen Sie die Asche Ihres Gemahls in eine Zigarrenschachtel und werfen Sie sie in die Isar! Schluß!«

Eine Stunde darauf fährt vor dem Atelier des Bildhauers ein Wagen vor. Eine Dame in Trauer entsteigt ihm keuchend und verlangt nichts weiter, als: den Mann zu sehen, der ihr einen so zynischen Rat gegeben hat.

— — —

Es gibt eine junge Dame in München, die entzückend malt. Keine Malerin – das möchte sie erst werden.

Doch die Eltern spreizen sich hartnäckig. (Ist es denkbar? Es gibt immernoch solche Eltern – sogar in München, der Kunststadt.) Sie schaudern bei der Vorstellung, daß ihr Töchterlein aktzeichnen sollte.

Die kleine Dame aber ist sich ihrer Sendung bewußt, sie gibt keinen Frieden – bis die Eltern einen Ausweg ersinnen:

Vater verkehrt doch mit dem berühmten Meister … Der Meister wird unsrer Lisbeth Bilder ansehen, und sein Schiedsspruch soll dem kleinen Fräulein den Lebensweg weisen.

Lisbeth ists zufrieden – Lisbeth vertraut auf ihr Können – Lisbeth frohlockt. Ahnt garnicht, die Arme, daß der Meister längst von den Eltern heimlich und inständig bearbeitet ist: er wird bedingungslos, wird lebhaft abraten vom Malen.

Wirklich, er rät ab; es sei keine Begabung da, sagt er, und vor allem: ein unheilbarer Mangel an Technik.

Lisbeth ist mehr als verzweifelt – sie ist vernichtet.

Und wie er sie so stumm und bleich umhergehen sieht, der berühmte Meister und fühlt sein Gewissen schmerzhaft nagen – da möcht er das Unrecht gern irgendwie gutmachen. Wie? Nun, mit einem Geschenk.

Er ruft Lisbeth zu sich und sagt ihr:

»Na, Mädel – dieser Tage hab ich Urteil über dich sprechen müssen – – sag jetzt du: welches von meinen neuen Bildchen gefällt dir am besten?«

Sie wählt und schwankt und entscheidet sich endlich für die ›Türkin in Gelb‹.

»Schön,« ruft der Meister. »Sollst sie haben. Gratulier dir übrigens zu deinem Geschmack, Teufelsmädel! Die ›Türkin in Gelb‹ ist mein Bestes.«

Und soviel sie sich wehrt gegen die kostbare Widmung – er gibt nicht nach – sie muß das Bild mitnehmen; denn er hat ihr eine Lüge abzubitten, braucht seine Seelenruhe wieder.

– – – Das kleine Fräulein ist stolz auf ihr schönes Eigentum, die ›Türkin in Gelb‹. Betrachtet das Bildchen früh und spät – endlich setzt sie sich an die Staffelei und kopiert es. Kopiert es so täuschend, daß wahrhaftig kein Mensch mehr Original und Abklatsch unterscheiden kann.

So weit ist es – da vernimmt Lisel von Freunden des Hauses, wie des Meisters vernichtender Schiedsspruch damals zustande gekommen ist. Und hell empört beschließt sie, sich zu rächen.

Falschheit gegen Tücke: sie packt fein säuberlich ihre Kopie ein und wandert damit aufs Atelier zum Meister.

Schlägt scheinheilig die langen Wimpern auf und flötet:

»Meister, Sie haben mir unlängst die Wahl gelassen … ich bat um die ›Türkin in Gelb‹. Ich habe mirs indessen anders überlegt: ich möchte doch lieber die ›Madonna‹.«

Der Meister begrüßt mit Freuden die ›Türkin‹ wieder, sein Lieblingsbild … heut gefällt sie ihm besser als je … und entläßt Lisel mit der ›Madonna‹.

Lisel zieht heim, mit dem Entschluß, vier Wochen schweigend zu warten. Nach vier Wochen, das ist gewiß, wird sie dem guten Meister gehörig die Meinung sagen über ihren ›unheilbaren Mangel an Technik‹.

Und sollt die Kopie der ›Türkin‹ mittlerweile als Meisters Werk verkauft sein: so wird das die gerechte Strafe des Meisters nur verschärfen.

— — —

Pascin ist eines Tages nach Paris verzogen – so plötzlich, daß die Miete und Gasrechnung unbeglichen blieben.

In einer Anwandlung von Sentimentalität schrieb er seiner ehemaligen Berliner Wirtin: sie möge ihm auch fernerhin ihre Sympathien bewahren und einstweilen das Gasgeld für ihn auslegen; er würde demnächst zurückkommen und die Wirtin fürstlich belohnen.

Da antwortete die Wirtin:

»Herr Pascin, Ihr geehrtes erhalten, worin Sie sehr dicke tun. Der Jas looft sich die Füße ab un mit die fürstliche Belohnung so sehn Sie aus.«

— — —

Im Glaspalast hing einst das Bild eines Geigers von Picasso.

Zwei Maler standen betrachtend vor dem Bild: der eine in Bewunderung – Pascin; der andre kopfschüttelnd – ein gewisser Rebitzer.

Rebitzer murrte:

»Man sollt diesem Picasso eine Photographie von Burmester schenken, damit er lernt, wie man eine Violine hält.«

Pascin darauf:

»Und Ihnen, Rebitzer, sollt man eine Photographie von Moltke schenken, damit Sie lernen, wie man das Maul hält.«

— — —

Andreas Szenes pflegt im Garmischer Keller zu essen.

Eines Abends, als die Gäste so ziemlich alle schon gegangen sind, setzt sich der Wirt freundschaftlich zu Szenes, dem letzten heute.

Und betrachtet aufmerksam eine Mappe mit Aktskizzen.

»Hm,« sagt er. »Hm. Was soll das, Herr? Was ist das?«

»Studien,« antwortet Szenes gutmütig.

Der Wirt verwundert:

»Sie? Studieren noch??«

»Nun, studieren muß man immer.«

»Und was … was werden Sie dann mit diesen Blättern beginnen? Wohl wegwerfen?«

»Bewahre!« sagt Szenes. »Es gibt Kunstfreunde, die derlei sammeln – Liebhaber, die es gut bezahlen …«

»Wie hoch?«

»Nun, mancher gibt gern drei, vierhundert Mark für eine Zeichnung.«

Der Wirt ruft hinüber nach seiner Frau:

»Mutter! Hör! Es gibt Leute, die drei, vierhundert Mark für sowas zahlen!!«

Dann murrt er vor sich:

»Und ich Esel hab all mein Leben anständig gearbeitet.«

— — —


 << zurück weiter >>