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Von Prinzen, Komponisten, Architekten, Tänzerinnen

Es gibt einen kleinen Prinzen, der sehr geschickt Silhouetten schneidet. Einmal gelang ihm ein besonders hübsches Stück – er klebte es auf einen Lampenschirm und brachte den Schirm heimlich, ganz heimlich, in Zivil zu einem Kunsthändler.

Der Kunsthändler verstand sofort, was der Prinz bei ihm suchte: nicht einen Geldverdienst, beileibe; sondern ein vom Rang des Herstellers unbeeinflußtes Urteil über den Scherenschnitt. Der Kunsthändler tat, als kenne er den Prinzen nicht, kaufte den Lampenschirm für einen guten Batzen und baute ihn mitten ins Schaufenster. Mein Gott: mit einer Hoheit muß man sich als Kunstkaufmann gut stellen.

Der Schirm mitten im Schaufenster fiel einem berühmten Komponisten auf; und als der Komponist gar flüstern hörte, wer … Kurz, andern Tags war der prinzliche Lampenschirm verkauft.

Der Komponist brachte stolz die Beute heim. Doch des Komponisten Gattin, weniger servil als der Gemahl, fand das Ding weit überzahlt; fand es überdies abscheulich – – und der Komponist war schließlich froh, das so umstrittene Kunstwerk mit Verlust weitergeben zu können – an einen konservativ gestimmten Freund im fernsten Vorort.

Hoheit ermangelten nicht, sich für das Produkt dero Hände auch fernerhin innig zu interessieren. Hoheit in Höchstihrer Eitelkeit umschlichen das Schaufenster des Kunsthändlers, fanden es leer – betraten den Laden – gaben sich huldvoll ›zu erkennen‹ – hörten entzückt den Namen des berühmten Käufers und … sagten sich bei ihm zum Tee an ›unter einem wohlbekannten Lampenschirm‹.

Ha, da mußte der Lampenschirm sofort wieder herbei – um jeden Preis.

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Georg David Schulz und ich veranstalteten einmal in Berlin einen Wohltätigkeitsabend. Da brauchten wir vor allem Leute, die uns Billette abnehmen.

»Keine Sorge,« sagte Schulz. »Wir schreiben der alten Lewi, Kommerzienwitwe – sie ist eine gepriesene Wohltäterin, eine Altruine – die kauft sicherlich zwölf Stück.«

»Gut. Man muß aber den Leuten für ihr Geld doch auch was bieten …«

»Keine Sorge. Schreib einfach der Carmencitta. Nenn sie eine südliche Zaubergestalt und bitt sie, einen ihrer berückenden Fandangos bei uns zu tanzen.«

Ich schrieb.

Carmencitta antwortete eisig kühl: sie könne unmöglich kommen und sende anbei drei Mark für unsre Kasse.

Der andre Brief, von Frau Lewi, lautete:

»Meine Herren! Ich bin einundsiebzig Jahre alt. Deklamieren will ich in Gottes Namen gern, weil es zugunsten der Armen ist. Doch einen Fandango – das können Sie nicht von mir verlangen.

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Damals wußte man noch nichts von Rossius, er war ein kleiner, unbekannter Anfänger. Mit ein paar ersparten Groschen konnt er endlich eine Wohnung mieten: sogar eine im vornehmsten Stadtteil: doch Rossius bekam sie wohlfeil – ein Arzt hatte sie Hals über Kopf verlassen.

Am Haustor fand Rossius die Aufschrift vor: ›Nachtglocke zum Arzt‹. Er radierte ein paar Buchstaben weg und machte daraus eine ›Nachtglocke zum Architekten‹.

Die Geschichte von dieser Nachtglocke sprach sich um – Rossius kam in aller Mund. Man wurde auf ihn aufmerksam – er war ein gemachter Mann.

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Eine Tänzerin, deren Name jetzt überall den besten Klang hat, war vor Jahren einmal als junges Ding das erstemal in Wien mit ihrer Kunst zu Gast gewesen.

Sie kam nach München heim, und man fragte sie:

»Nun, Gnädigste? Hatten Sie Erfolg in Wien? Hat es Ihnen da gefallen?«

Die Tänzerin entrückt:

»Es war kein Erfolg mehr, es war schon ein Succès. Und wie populär – denken Sie sich nur! – war ich schon nach zwei Tagen: ich ging am Graben spazieren – da traten Kavaliere mit Zylindern auf mich zu, grüßten elegant und fragten:

»Fahren wir, Euer Gnaden!?«

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Alpursa, die Tänzerin, ist aus sehr honetter Familie, sie hat sogar einen Pastor zum Onkel.

Er macht der Nichte empörte Vorhaltungen wegen ihres Gewerbes.

»Aber Onkel,« ruft Fräulein Alpursa, »du bist in völligem, in grundlegendem Irrtum befangen. Mein Tanz ist kein ›Gewerbe‹ – er ist eine Äußerung der Kunst – nicht geringer als eine Dichtung von Stefan George etwa, eine Komposition von Richard Strauß, ein Gemälde von Kokoschka – mein Tanz hat ebenso hohe ethische Werte wie deine Predigt.«

»Mag sein,« sagt der Herr Pastor. »Doch, liebe Nichte: ich predige nie mit entblößtem Unterleib.«

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