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Der Ausflug

Base Wuckereit studiert Kunstgeschichte. Nebenbei hört sie etwas Literatur bei Professor Kutscher, Psychologie bei Becher und Volkswirtschaft (Sinzheimer). Diese Kumulierung von Wissensgebieten macht hie und da ein Ausspannen nötig, einen Ausflug aufs Land.

So begab sich denn Base Wuckereit unlängst, als zwei Feiertage vorfielen, in nahezu alpinistischer Verkleidung nach Kochel.

In Kochel fand unsre Base, dem vorgeschrittenen Lenz zufolge, in keinem Gasthof ein freies Zimmer. Eine mitfühlende Wirtsfrau wies die Wohnungsuchende an das bäuerliche Ehepaar Reibeisel.

In der Tat erklärten sich Reibeisels bereit, der Fremden ein leerstehendes Bett zur Benutzung für eine Nacht einzuräumen – als welches Bett jedoch in jener Kammer stände, wo der Bauer ansonsten sein Pferdegeschirr aufbewahrt.

Kammer und Bett, unter Führung von Vater und Mutter Reibeisel kommissionell besichtigt, erwiesen sich als praktikabel. »Der Jeruch vons Leder« rief Base Wuckereit, »is sogar zücknd.« Man einigte sich freihändig auf einen Preis von fünf Mark, die sich auf zehn erhöhen, falls der städtische Gast Wert auf Teilnahme am ländlichen Abendessen der Familie legen sollte.

Rasch war auch hierüber Verständigung erzielt. Base Wuckereit saß, von Rucksack und Loden entlastet, am derben Eßtisch mit Reibeisels und deren erwachsenem Sohn.

Hiezu ist zu bemerken, daß Base Wuckereit – als miggriger, jüngster Zwilling der Gumbinner Wuckereits – von ostpreußischer Körpergröße ist; auch drückt sich ihre Beschäftigung mit Volkswirtschaft einerseits und Rubens andrerseits in beiderseits entwickelter Fülle aus, während Sturm und Drang von ihren Backen und Augen leuchten.

Vater und Sohn Reibeisel nahmen von der anwesenden Fremden kaum durch gelegentliches Aufblicken Kenntnis; Mutter Reibeisel hingegen äußerte in lauten Reden Zweifel und Erstaunen darüber, daß Base Wuckereit den Landausflug ohne jegliche männliche Begleitung unternommen haben sollte.

Im diesbezüglichen Verhör blieb die Base aber hartnäckig, mit nicht geringem Stolz bei der Behauptung ihrer magdlichen Alleinigkeit, wobei sie das naiv-dörfliche Beschwatzen der Sexualkomplexe mit erschütterndem Gumbinnenser Lachen und vulkanisch-schämiger Rotglut quittierte.

Nach dem frugalen Mahl zog sich die Base in ihre Kammer zurück.

Der Mangel eines innern Riegels an der primitiven Tür wurde bemerkt, der dadurch ausgelöste, anfangs unangenehme Affekt jedoch alsbald verdrängt durch mit Willen wachgerufene, stark betonte Vorstellung des biderbehrbaren Reibeiselschen Ehepaares.

Kurz nach Eintritt der Schlaftrunkenheit hörte Base Wuckereit halb unbewußt ein Knacken an der Kammertür, ohne darüber vollends zu erwachen. Erst ein Ziehen an der Bettdecke brachte heftige reflektorische Abwehrbewegungen der Base hervor. – Wie sich bald zeigte, war ein männliches Wesen in die Kammer eingedrungen, das seinem Unwillen über das Benehmen der Base durch die Worte »Blödes Saumensch, blödes« Ausdruck gab.

Sofort setzte das Gumbinnenser Lachen ein – was der Eingedrungene irrtümlich eher als Einladung, seine unzüchtigen Bestrebungen fortzusetzen, aufzufassen schien. Die Drohung der Base, sie werde sich durch Stimmenaufwand Hilfe zu schaffen suchen, brachte nicht die erhoffte Einschüchterung des nächtlichen Werbers hervor; erst eine deutliche, durch Brachialkraft unterstützte Absage führte zu seinem Rückzug.

Schon nach wenigen Minuten rührte es sich an der Kammertür von neuem.

Diesmal jedoch war es die bäuerliche Wirtin selbst, die, mangelhaft bekleidet, unter höflichen Beteuerungen und Bitten erschien: das Fräulein möchte die Attacke keineswegs übel deuten; sie wäre im Sinn der Gesamtfamilie Reibeisel erfolgt und in der barmherzigen Absicht, dem Fräulein in seiner Verlassenheit eine kleine Feiertagsfreude zu bereiten.


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