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Blümelhubers Begegnungen mit Richard Wagner

Wir sprachen wieder einmal von unirdischen Dingen – Geistererscheinungen und Telekinese.

»Ich für mein Teil,« sagte der Materialist, »werde erst glauben, wenn ich das Wunder mit Händen greifen kann.«

»Ein bequemer, entrückter Standpunkt,« erwiderte die schöne Frau und rümpfte das Näschen.

»Bequem oder nicht – es komme einer, auf dessen kühles Urteil ich baue, und halte mir ein Erlebnis vor.«

Da sprach der Maler Szenes:

»Lieber Herr Materialist, wen werden Sie denn als kühlen Beobachter gelten lassen?«

»Ihren Fachgenossen Blümelhuber zum Beispiel.«

»Nun, grade er kann Ihnen mit einem großen Erlebnis aufwarten.«

Diesen Blümelhuber muß man kennen: er ist Kraft seines Phlegmas einer der unangenehmsten Mitglieder dieses, weiß Gott, genugsam unangenehmen Jahrhunderts. Vor Blümelhubers Untemperament erbleichen die Faultiere neidisch und beschämt. Ihn ansehen macht einen schon vor Ungeduld rasen.

Wie er nur daliegt auf dem Sofa! Ein Felsblock im Sumpf. Ihn werden Aeonen nicht von dannen rücken.

Blümelhuber klappt krötenlangsam die Augen auf, blickt krötenlangsam in die Runde und sperrt die Deckel wieder zu.

»Schießen Sie los, Blümelhuber! Reden Sie! Spannen Sie uns nicht auf die Folter!«

»Laß dich nicht gar so lang bitten, Alter!«

»Wann es aber doch so ganz uninteressant is …« murmelt Blümelhuber …

Die Gesellschaft rückt gespannt zusammen, und der Maler Blümelhuber beginnt endlich:

»Alsdann – ich hab doch vor dem Krieg immer im Palazzo Vendramin gemalt, in Venedig. Sö wissen, gnä Frau, daß Richard Wagner da gstorben is – net?«

»Oh!«

»Ja. Wie also nach dem Krieg die Grenze wieder offen war, bin i glei nach Venedig zruck, in den Palazzo Vendramin …«

»Und?«

»Und der Herr Graf Bardi, der was schon der Besitzer is von dem Palazzo, der hat mir halt die Erlaubnis geben, dort zu malen. – Das ist also die ganze Gschicht.«

»Aber Mensch, erzähl doch weiter!« mahnte Szenes.

»No, was is da viel zum Erzählen?«

»Du bist doch hingekommen – eines trüben Nachmittags gegen fünf – im März …« sagte Szenes ein …

Blümelhuber fuhr gezwungen fort:

»Ja. Der Gondoliere legt an … Das sein nämlich diese … diese Kähne in Venedig – früher hat man eahm aane Lira geben, hat er sich noch schön bedankt – jetzt, wanns du eahm net …«

»Laß das, Blümelhuber! Weiter! Weiter!«

»Weiter! Ich geh also schö stad die Stiegen vom Palazzo aufi – steht dorten a Diener – also aso a Blonder, grad so ähnlich wie der Szenes, nur halt viel rassiger …«

»Weiter! Weiter!«

»No, sagt der Diener, buona sera, signor Blumeluber, saan S' aa scho wieder da? – aber natürlich auf Italienisch …«

»Weiter! Weiter!«

»No, sagt er – i soll nur eini in die sala.«

»Und?«

»Nix mehr. I bin halt hinein.«

»Aber jetzt, Blümelhuber – weißt du denn nicht mehr? Jetzt kommt doch das Wichtigste, das Unbegreifliche. So leg doch los!«

»Ich bin also drinnet in der sala, da … da kommt mir also nicht ein Mann entgegen – ein Mann kann man net sagen … halt: etwas kommt mir entgegen – so mit unbestimmte Umrisse – das wär schwer zum Zeichnen – am gescheitesten noch mit an sehr an weichen Bleistift …«

»Weiter, Blümelhuber, weiter!«

»Nur tönen müßt ma's leicht mit Pastell, weil sonst hat ma net den Eindruck.«

»So bleib doch, zum Teufel, bei der Sache! Wer, wer ist dir entgegengekommen?«

»Eine kleine, gedrungene Gestalt mit an Barett, an seidnen Schlafrock hat er anghabt und rosa Seidenhosen. – I bin a bissl derschrocken. Sakra, denk i mir – ob des net am End der Richard Wagner is – so nach der Beschreibung? – Er kuckt mi an – i kuck eahm an – dann lupft er …«

»Das Barett??«

»Naa, den Kopf. – ›Guten Tag‹ sagt er. Setzt 'n Kopf wieder auf und verschwindt in der Mauer. – – –«

Ein einziger Schrei in der Gesellschaft:

»Mensch!! Und Sie?? Und Sie??«

Blümelhuber erzählt:

»I? I hab halt mei Sach hinglegt, für morgen – und bin gangen.«

»Und am nächsten Tag??«

»Am nächsten Tag is er kommen – lupft den Kopf, setzt ihn wieder auf un verschwindt in der Mauer.«

»Blümelhuber! Erinner dich – er hat doch mit dir gesprochen!«

»Ja – aber nix Besonders. Gfragt hat er so … wies in Deutschland is. – Schäbig, sag i. A Weißwurscht kostt jetz zwaa Mark fuchzig.«

»Sie Barbar! Wie konnten Sie dem Meister so albern antworten?«

»Gott – was waaß i, was eahm grad intressiert?«

»Blümelhuber! Ist Ihnen die Erscheinung noch öfters begegnet?«

»O ja. Hab doch vier Monat im Palazzo Vendramin gmalt. Täglich is er kommen mit die nämlichen Blimiblami.«

»Ja, hat Ihnen denn nicht gegraust?«

»Nur im Anfang, wissen S'. – Später war i's so gwohnt – es hätt mir was gfehlt, wann er ausblieben war. – I hab immer einfach ›Guten Tag!‹ gsagt – er lupft 'n Kopf und setzt sich zu mir.«

»Haben Sie denn nicht zu ihm geredet – von der Menschheit großen Gegenständen?«

»Naa. I, wissen S', red net gern unterm Malen.«

»Er aber? Hat er nicht begonnen?«

»No ja – scho. Manchmal hat er angfangen … Von Gott … und die Sterblichen … und so … I hab eahm gsagt: Entschuldigen scho, Herr Wagner, i hab a bestellte Arbeit, sehr dringend – Sö müssen an Einsehen haben. – Er – auf des – fahrt wie 'r 'a Kettenhund auf mi – i zruck – er aufs Fenster – i ruf noch: ›Bleiben S' da, es regent‹ – er will sich so quasi hinausschwingen – auf aamal fallt eahm der Kopf aus der Hand und – platsch! – hinunter ins Wasser: in den Kanal.«

Allen in der Gesellschaft stand das Herz still.

Blümelhuber sprach:

»Ich hab eahm gsagt: ›Schauen S‹, sag i, ›des haben S' jetzt von dem Kometspielen! Bleiben S a wengerl ruhig, i hol Eahna Eahnern Schädel wieder‹. – ›Naa‹, deut er mit die Händ – er werd sich ihm selber holen. – No, umso besser – im März is 's Wasser kalt. – Drauf is er nimmer wiederkommen. Wahrscheinlich war er beleidigt. – Aber i kann natürlich net mit an jeden herumdischkurieren, wann i a dringende Arbeit hab.«


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