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Die schöne Hodjinitza

Von der schönen Hodjinitza hab ich zum erstenmal in Trawnik, Bosnien, erzählen hören und dann noch oft und oft ringsum im Land.

Es gab nämlich in Trawnik einen überaus frommen Hodja, muslimanischen Priester, der stand, so jung er war, schon von seinem Vater und Großvater her im Geruch der Heiligkeit.

Kam ein Mann vom Land nach Trawnik und fragte im Basar:

»Sagt, Leute, ist es wirklich wahr, daß Euer junger Hodja auserwählt ist im Islam, ein Künder des Glaubens fast schon wie Muhammed Pejgamber?«

»Wills meinen,« rühmten sich die Trawniker. »Jeden Abend schickt Allah 20.000 Engel nieder, damit sie unsern Hodja bedienen.«

»Engel, sagt Ihr – hüh! Schickt Allah. Jeden Abend. – Und gleich 20.000! Was sollen so viel Engel um einen einzigen Mann?«

»Nun, ein Engel deckt unserm Hodja den Eßtisch. Einer schüttelt die Matratze des Diwans auf, eh sich der Hodja niederhockt; wieder einer breitet den Teppich aus. Ein Engel bringt das Wasser, einer das Trinkglas, der dritte schenkt ein. Ein Engel hat das Feuer auf dem Herd gefacht, einer den Topf aufgestellt, einer das Hammelfleisch gekocht ...«

»Gut,« meinte der Fremde, »nehmt an, es hätten hundert Engel das Abendmahl im einzelnen bereitet ... Hundert sind noch lange nicht 20.000. Was tun die übrigen?«

»Wenn der Hodja sein Mahl verzehrt hat, nimmt ein Engel ihn rechts und einer links, und so geleiten sie den Hodja nach seinem Lager.«

»Schön, das sind hundertzwei Engel. Aber die übrigen? Die übrigen?«

»Hat man dir nie beschrieben, Mensch, wie schön unsre Hodjinitza ist? Die übrigen Engel, Mensch, haben alle Hände voll zu tun, unsern Hodja von den Lippen der Hodjinitza zu reißen.«


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