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Das Porträt

Es vereinigen sich in mir und um mich so viel liebenswerte Züge und niedliche Umstände:

Ich habe einen ungemein warmen Familiensinn.

Mir verlieh Gott die Gabe, den Augenblick innig zu verkosten – etwa wie ein Weinkenner sich den Einundzwanziger Neroberger auf der Zunge zergehen läßt – und zu jedem Augenblick möchte ich sprechen: Verweile doch – wo ich dich packe, bist du interessant.

Ich habe eine Tante mit Namen Franziska oder Zuckitante, eine gütige, eine holde, süße Person.

Endlich habe ich einen Freund, den Maler Andreas Nemes, der sich Nämmäsch ausspricht, weil er Ungar ist. Sehr begabt als Maler und auch menschlich wertvoll.

Zuckitante wird nicht immer so schön bleiben. Ich, mit meinem warmen Familiensinn, möchte mir sie aber doch im Zustand ihrer vollen Blüte konservieren – was lag näher als: sie von Andor Nemes malen zu lassen?

Gut. Nemes stellte eine graue Pappe vor sich auf, drückte bunte Würstchen aus den Tuben, rieb die Pinsel in den Würstchen um und zauberte mir das Tantchen auf die Pappe ...

Doch nein, so geschwind, wie ich das hier erzähle, ging es nicht. Vielmehr zierte sich Nemes – ein wenig zierte sich auch die Tante.

Sie sagte: sie sei es doch nicht wert – und so ...

Er sagte: in Gottes Namen wolle er's versuchen – doch es dürfe niemand das Porträt sehen, eh es fertig ist – niemand.

Zuckitante war sehr leicht umgestimmt – Nemes verlangte bindende Versprechungen, wir alle mußten die Versprechungen täglich erneuern.

Mittwoch endlich setzte Nemes noch etliche Lichter auf die Tante und sprach:

»So, die Porträt is fertig.«

»Darf ich jetzt ...??«

»Du därfst anschauen. Du – ja. Der Tante darf noch nicht. Der Tante muß hinaus.«

Zuckitante ging lächelnd. – Nemes trat stolz von der Staffelei zurück. Ich kam – und sah und ...

... und verfärbte mich.

»Höre, Nemes!« hauchte ich. »Das soll ...? Das soll ... unsre Tante sein?«

»Ja. Wie ich sie sehe,« erwiderte er – ein wenig gereizt.

Ich drückte ihm fest die Hand, um ihn zu versöhnen – ich fühlte, ich war es seiner Begabung und unsrer Freundschaft schuldig. Dann sprach ich sanft und ohne den geringsten Vorwurf:

»Nemes! Hast du ihre Hände kornblumblau gesehen?«

Er lächelte fein. »Durchaus nicht,« meinte er. »Aber betracht dir Bild bißl an: braucht es dort unten nicht eine kornblumenblaue Fleck? Für künstlerische Balance?«

»Gewiß,« murmelte ich eingeschüchtert. »Gewiß.«

»Na, also. Und die eine Aug muß schwarz sein, sonst is ganze linke Hälfte zu matt.«

»Gewiß. Aber Zuckitante ist so goldig, so brav ... die Frau ... hier aber ...«

»Nein. Zuckitante is nicht goldig. Sie is in ihre Innere eine Megäre. Diese geheime Zug in ihre Herzen hat müssen herauskommen in Porträt.«

»Nemes! Ich wollte die Tante doch gemalt haben, wie ich sie sehe. Wollte sie gemalt haben, wie sie uns erscheint – wollte sie nicht gemalt haben mit dem Futter nach außen. Ein Porträt ist nicht um der Kunst willen da, sondern um eines Gefühls willen – ein Porträt ist ein Erzeugnis der angewandten Kunst – es ist bestimmt, die Erscheinung eines lieben Menschen, das Andenken an ihn auf lange Jahre festzuhalten. Übrigens ist Zuckitante gar keine Megäre, sondern ein herzliches Geschöpf ...«

»Nein, Roda, glaub mir: ihr kennts sie alle nicht; sie is Megäre.«

Ich zuckte die Achseln.

Und öffnete die Tür.

Tante erschien, blühend, glücklich und lächelnd.

Sah das Bild.

Ließ ihr Lächeln fallen, daß es hörbar zerklirrte. Ihre Augen funkelten – das linke ward deutlich schwarz. Die Zähne knirschten. Die Brauen flatterten erregt. Die Arme kamen ins Fuchteln.

Tante kochte.

Plötzlich ergriff sie die Pappe, und mit einem Schwung schmierte sie sie dem Maler an den Kopf.

»No,« sagte Nemes befriedigt, »wer hat recht gehabt? Is sie herzlich?«


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