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Der Zigeuner

Die Geschichte hat sich in Budapest abgespielt – und sie konnte nie passieren, wenn Frau Keleschy nicht so geizig war und hoffärtig zugleich.

Frau Keleschy – Gattin des berühmten Keleschy, Frauenarztes – wenn sie Gesellschaft gibt, muß die ganze Praxis elegans des Herrn Professors auf einmal bewirtet sein, damit die Börseanerinnen die gräfliche Kundschaft zu sehen bekommen; galonierte, für diesen Abend gemietete Diener servieren – dabei gönnt Frau Keleschy den Mietlakaien das Essen nicht und zählt die Weinflaschen nach.

Natürlich giften sich die Diener – besonders giftete sich Andreas, der schon zum zweitenmal bei Keleschys aushalf. – Als um elf Uhr abend ein Zigeuner kam, um den Herrn Professor zu einer schweren Geburt zu holen, führte Andreas den kompromittierenden Burschen justament mitten in die allerfeinste Gruppe.

Frau Keleschy verfärbte sich vor Wut. Der Herr Professor hätte den schwergebärenden Zigeuner am liebsten mit der Zange erschlagen. Doch was war zu tun? Der Zigeuner ließ sich nicht abweisen. In regnerischer Mitternacht, im Frack mußten Professor und Erster Assistent samt Instrumententasche nach der Trommelgasse – und das Auto konnte der Professor auch noch selbst bezahlen.

Um 7 Uhr 29 morgens, keine Minute früher, war die Welt reicher um einen erblich schwer belasteten Knaben.

Um 7 Uhr 30, nach durchwachter Nacht, ergoß sich die leidenschaftlich überwallende Erkenntlichkeit eines Zigeunervaters auf das Haupt des höchst verärgerten Gelehrten:

»Euer Hochwohlgeboren! Goldner Herr Regierungsgeheimrat! Wie soll ichs dem gnädigen Herrn Kommissionsdirektor nur danken?! Armer Zigeuner hat kein Geld – aber das Lieblingslied des diamantenen Herrn Staatsoberexzellenzdoktors will armer Zigeuner sofort geigen. Welches ist Ihr Lieblingslied, hohe Universität?«

»Laß mich in Ruh!« knurrte Keleschy.

»Nein, edelgeborne, durchlauchtige Heiligkeit – armer Zigeuner muß geigen! Was ist Ihr Lieblingslied?? No!! Was??«

»Schöne blaue Donau.«

Schon klemmte der Zigeuner das Holz unter das Kinn. – »Aber bitte untertänigst, Euer Liebden: armer Zigeuner ist Sekondgeiger, kann nur zweite Stimme – mtata, mtata – begleiten; Hochwürden müssen geruhen, Melodie selbst zu singen.«


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