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Die Kur

Die Herren Ärzte sollen sich angewöhnen, deutlicher zu schreiben – sonst werden immer wieder solche Mißverständnisse vorkommen:

Nach drei Wochen Aufenthalts im Sanatorium trat die junge Dame beim Chefarzt ein und dankte ihm stürmisch: die dreißig Minuten Tanzen vor- und nachmittags hätten sie von ihrer Ischias völlig geheilt.

»Tanzen?« fragte der Chefarzt höchlich erstaunt. »Ich hatte Ihnen doch Fango vorgeschrieben.«

»Ei sieh mal! Und ich Dumme hatte Tango gelesen.«

*

Es ist sehr schwer, die Sache zu erzählen ... Sie trug sich ungefähr wie folgt zu:

Unser Dr. Flatorf behandelt eine Gräfin wegen eines Darmleidens. Er wünschte ein Pröbchen zu sehen von dero gräflichem Verdauungsergebnis. Ein Junge soll es in einer Schachtel bringen.

Dr. Flatorf wartet – der Junge kommt nicht.

Da hört Dr. Flatorf furchtbaren, aber schon ganz höllischen Lärm im Stockwerk über sich – und plötzlich kommt der Junge herabgeflogen.

Der Unglückliche hatte die Schachtel eine Treppe zu hoch abgegeben.

*

Eines Tages wollte der Herr Primararzt auf Urlaub fahren. Ließ den Assistenten kommen und sagte ihm:

»Sie, Doktor Grünfeld – der Mann da im vierten Bett wird morgen sterben. Der Mann hat eine ungemein interessante Leber – bitte, präparieren Sie mir sie heraus und härten Sie sie in Formalin – ich brauche die Leber nächste Woche zu einer Vorlesung.«

Und dann fuhr der Herr Primararzt.

Als er nach acht Tagen wiederkam, war seine erste Frage:

»Grünfeld! Wo ist meine Leber?«

»Entschuldigen, Herr Professor – der Mann lebt noch.«

Da wurde der Primararzt aber wild.

»Natürlich,« schrie er. »Den haben Sie mir wieder nach eigenem Kopf kurieren müssen.«

*

In Graz spielte sich unlängst der Prozeß ab gegen den Kurpfuscher Peterle; ungeheurer Aufwand von Zeugen und Sachverständigen.

Peterle wurde verurteilt – zu allgemeiner Überraschung nur zu zwei Tagen Haft, mit Bewährungsfrist.

Das Gericht, hieß es in der Urteilsbegründung, mußte nämlich als strafmildernd den Umstand gelten lassen, daß Peterle seine 367 Patienten ausnahmslos geheilt hat.

*

Fritz Bondys Sohn – Franz – befaßt sich mit Schnecken.

»Glauben Sie nicht, Franz« – (ich sage seit einem Jahr schon ›Sie‹ zu ihm) – »glauben Sie nicht, daß es ein etwas untergeordnetes Fach ist?«

»Aber wieso denn, Onkel Roda? Jede Wissenschaft ist dankbar. Da hat Professor Troschel ein Werk geschrieben in zwei Bänden: ›Das Gebiß der Schnecken‹; das Werk ist unvollendet ...«

»Gut. Hat aber dergleichen irgend welchen Wert?«

»Schneckenkunde? Sogar praktischen Wert: Bringen Sie mich, Onkel, zum Beispiel in eine Gegend, die ich gar nicht kenne. Aus den Schnecken allein, die es da gibt, werde ich Ihnen sofort sagen, ob wir in einer Ebene sind oder im Gebirge.«

*

Solange Professor Kandelhofer sein philosophisches System mit Hilfe des alten Wortschatzes vortrug, kümmerte sich keine Katze um ihn.

Eines Tages änderte er seine Taktik:

Er nannte nun, was bisher Materie geheißen hatte, ›die Quantitative‹; Bewegung – ›Ferment‹; Absicht – ›Logos‹; Wille – ›Exaltation‹; Verstand und Vernunft zusammengenommen – ›die psychische Vitalität‹.

Heut ist Professor Kandelhofer Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Ehrendoktor der Universitäten Oxford, Lissabon und Tiflis und wird demnächst gegen einen gleichwertigen amerikanischen Gelehrten ausgetauscht werden.


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